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Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Kaspar, Fred [Oth.]; Gläntzer, Volker [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

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Güter Adeliger, Lebens- und Wirtschaftsformen
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Dörfler, Wolfgang: Bockel und Mulmshorn: zwei adelige Hallenhäuser aus der Mitte des Landkreises Rotenburg/Wümme
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https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0094
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Güter Adeliger, Lebens- und Wirtschaftsformen

drohenden Erwerb durch einen Bremer Untertanen
mehr Streits zwischen den Ertz- und Stifften Bremen
und Verden erregt werden möchte.'0
Im 17. und 18. Jahrhundert ist der Hof als Vorwerk
des Rotenburger Schlosses oder Wohnsitz des Amt-
mannes genutzt, noch mehrfach verkauft und vom
Amt zurückerworben worden. Dadurch entstand eine
Vielzahl von Akten, die sich mit den Besitzern und
Pächtern des Gutes befassen.11
Im Jordebuch der Vogtei Sottrum von 1694 wird das
Haupthaus des Hofes folgendermaßen beschrieben:
hat neun Fach bey der Diele, ein Feuer- und einem
Cammerfach, worunter ein Keller.'2 Zehn Jahre später
findet sich in einer ausführlichen, die Besitzverhält-
nisse analysierenden Akte aus dem Jahr 1704 die
Notiz: Inventarium der Gebäude. Weil sonst nichts zu
Inventiren gewesen: 1. Daß Vorwercken an sich Selbs-
ten. 2. Eine Scheune von 4 Fachen in der Mitte ein
Wagenschauer. 3. Ein Schaffkawen. 4. Der Soot.'3
1729 wurde dann aber doch inventarisiert und ein
sehr ausführliches Dokument erstellt. Es ist leider nur
eine mit blassem Bleistift geschriebene Kladde über-
liefert, worin auch der Anlass der Inventarisation nicht
erwähnt ist.14 Das Haupthaus des Hofes wird als
Vorwercksgebäude mit dem daran gebauten Quer-
haus benannt. Es hatte 11 fach an der Dehle nebst
dem Feur Fach. Insgesamt widmet sich das Inventar
intensiv der Bestandsaufnahme aller Einbauten des
Hauses. Alle Türen, Fenster, Treppen, Fußböden und
Decken werden bezüglich der Materialien und ihres
Erhaltungszustandes ermüdend ausführlich beschrie-
ben. Für die Struktur des Hauses lässt sich Folgendes
extrahieren: Es gab ein Vorschauer und eine zurücklie-
gende Große Tür. In das Vorschauer war ein Tauben-
schlag eingebaut.15 Rechts und links hinter dem
Vordergiebel lagen die Pferdeställe für jeweils sechs
Pferde. Über den Wandaufbau erfahren wir: Die un-
tersten Fache sind mit Eichen bohlen gefuttert, und
oben mit Mauersteinen vor fertiget; es waren die
Fachwerkwände also mit den später als Fußbohlen
oder auch „Wolfsbohlen" benannten Eichenhölzern
geschlossen, eine Bauweise, die für Pferdestallteile
von Bauernhäusern und bei alten Schafställen in
unserer Region gelegentlich noch nachzuweisen ist.16
Im oberen Teil waren die Fächer bereits mit Ziegel-
steinen ausgemauert, was auf den Adelsbau verweist,
da bäuerliche Gebäude im 18. Jahrhundert noch
komplett mit Lehm ausgefacht wurden.
Auf der Diele wurde beiderseits in fünf Fachen das
Rind Vieh gestaltet. Im hinteren Dielenteil werden
dann zwei Bette (worunter ich Butzen, also Schlaf-
schränke vermute) und eine Scheerwand von Tannen
Dielen beschrieben. Von obiger Diele gehet man rech-
ter Hand in eine Cammer mit einem Fenster, die nur
insofern eine Funktionsbeschreibung erfuhr, als dass
sich für selbigen Fenster innen wendig 4 Eiserne Stabe
3 fuß 9 Zoll lang oben eingelassen, unten eingenagelt

befinden. (...) Linker Hand ist des Pachtmanns Stube
wofür 1 gefütterte Tannthur mit Eichen Rahmen, tan-
nen Sa rjegen'2, 1 paar mit Niednagelen versehene
Bockhorn Haken Hespen, ein gesondert Schloß mit
Crampen, Drüker und Schlüssel. Dieses Zitat soll einen
Eindruck von der Ausführlichkeit der Beschreibungen
geben. In der Kammer des Pächters befinden sich wei-
ter: 7 Eisern Ofen de a[nn]o 1713 in voltenkommen
guten stände. Vor [den] 2 Fenstern befinden sich
Tannen braune vermahlte Clappen, an welche die
Schrauben, womit selbige fest zumachen, fehlen. Es
scheint sich dabei um (innenliegende?) Läden zu han-
deln.
Nicht ganz klar ist auch, was mit folgender
Beschreibung gemeint ist: Der hohe Heerdwand
Camin ist von Mauerstein oben mit ein höltzerne
Stuetze. Handelt es sich um einen „Schwibbogen"
oder um eine Rauchabzugshaube über dem Herdfeu-
er, die den Rauch in einen Über-Dach-Schornstein
abführte?18 Weiter heißt es: Von dieser Diele gehet
man rechter Hand in die Küche, wofür eine gute Thür.
Eine echte Küche ist also im Haus vorhanden und mit
einer Tür vom Flett getrennt. In der Küche ist ein
Feüer Herd 1 f[uß] aufgemauert mit einer höltzerne
Stüetze, oben mit ein schmalen tanfnenhölzernen]
Bort versehen. Hier wird eine bodennahe Kochstelle
mit Rauchfanghaube gemeint gewesen sein, da spä-
ter noch von einem Schornstein, der aus der ordinä-
ren Küche kommt, die Rede ist. In diesem Raum sind
zwei Fenster vorhanden, die durch 8 Eiserne Stabe, ä
3 f[uß] 8 Zoll lang, oben eingelassen, unten angena-
gelt,'9 weiter ein Rinsteln von gehauene Steine und
ein Fußboden aus gehobelten Weichholzbrettern (ge-
strichenen Tan Dielen).
Aus der Küche gehet man in den Kelter. (...) Der Kelter
ist mit Eich Balken Überschüßen und geweitert. Es
werden zwei Kellerräume beschrieben. In dem ersten
Kelter befindet sich eingangs an der Treppen 1 Gitter
von 3 Eisen Stangen [und] noch 2 Luftlöcher, für wel-
cher 16 Stäbe Eisen, für iede[r ein] Tan Schieber. Der
andere hatte 1 Lufftloch in welchen 3 stab Eisen in die
Lange und 3 in die quer.
Auß vorbeschriebener Stuben (der „Pachtmann-
stube") gehet eine Thür auf den Gang. Hier ist 1 ein-
facher Eisen Ofe de a[nn]o 1707 erwähnt. Aus der sel-
ben Stube führt eine weitere Tür in die Schlafcammer.
Aus der Kammer geht eine Tür auf den Essaal. Über
diesen Saal erfahren wir, dass er zwei große Fenster
hat und 1 Großer Eiserner Ofen d[a]t[o] a[nn]o 1579
mit der Holten Wapen mit dobbeltem Steinere sub die
unterste, und die beiden Seiten Biadder20 sind gebor-
sten. Die fuer Bohden ist von danen Dielen in
ziembl[ichen] Standen. Die Decke oben gewällert und
getünchet. Die Datierung des Ofens und das Wappen
der Familie von Holle ist ein schöner Hinweis auf den
Bau dieses Hauses in der Zeit nach 1560 (nach der
Übernahme des Hofes durch Johann von Holle). Er
 
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