Eine neue Vorburg als Zeichen des Aufstiegs?
Der Neubau von 1674/78 auf Haus Visbeck bei Dülmen (Kr. Coesfeld)
dem nur die Vorburg, notdürftig langsam wiederher-
stellte. Die Jahreszahl 1677 an der Ostseite des erhal-
tenen Wirtschaftsbaus bezeichnet wohl das
Enddatum der Reparaturen.8 Allerdings erwies sich
diese Aussage als nicht zutreffend, denn Haus Visbeck
hatte während des wirtschaftlichen und politischen
Aufstiegs der Familie von Droste zu Vischering in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zumindest wäh-
rend einer Generation eine besondere Bedeutung, die
sie aber aufgrund zunächst nicht absehbarer Ent-
wicklungen nur für kurze Zeit behielt: Haus Visbeck
war eine der ersten Grunderwerbungen, mit deren
Hilfe es dieser Familie gelang, in der Neuzeit zu einer
der wirtschaftlich führenden Adelsfamilien des
Münsterlandes aufzusteigen.9 Nachdem die Familie
1670 in den Reichsfreiherrenstand erhoben worden
war, begann man um 1675 mit dem Ausbau des
schon 1656 erworbenen Hauses Visbeck. Es sollte zu
dieser Zeit vermutlich zu einem der Wohnsitze der
Familie ausgebaut werden. Allerdings starb der
Initiator Heidenreich Droste zu Vischering (1616
Ahaus - 6. August 1678) noch während der laufenden
Bauarbeiten. Durch seinen Sohn Christoph Heinrich
Droste zu Vischering (1652 Vischering - 1723) wurden
nur noch die angefangenen Baumaßnahmen im Jahre
des Erbfalls 1678 abgeschlossen. Fortan blieb Visbeck
einer der zahlreichen Gutsbetriebe, die der Absiche-
rung der wirtschaftlichen Grundlagen der Familie
dienten.
Zur Besitz- und Wirtschaftsgeschichte
Haus Visbeck liegt südlich von Dülmen und westlich
der Landstraße nach Seppenrade in der Bauernschaft
Dernekamp. Es wird als eines der zahlreichen Güter
der Abtei Werden im Bereich von Dülmen unter der
Bezeichnung villa visbech erstmals 1186 genannt.
Darunter dürfte zu dieser Zeit ein Haupthof im Bereich
der späteren Bauernschaft Visbeck zu verstehen sein.
Aus diesem ging im Zuge der Auflösung der hochmit-
telalterlichen Villikationen das befestigte Haus Vis-
beck mit umliegenden Höfen hervor.10 1338 bis nach
1540 war Haus Visbeck an eine Familie verlehnt, die
sich als Herren von Visbeck bezeichneten. Nachdem
diese Familie mit Schotte von Visbeck, gen. der Letzte
(1465-1540) und seinem Bruder Johannes, Dechant
zu St. Mauritz bei Münster ausstarb, und das Lehen
damit an den Lehnsherren zurückfiel, wurde Haus
Visbeck 1548 neu an Jost von Mecheln zu Sandfort
verlehnt. Schon 1555 sind dann aber die Herren von
Ketteier Lehnsträger. Zu dieser Zeit wird 1572 erst-
mals eine Marienkapelle bei Visbeck als Vorgän-
gergebäude der noch heute stehenden Kapelle nach-
weisbar. Georg von Ketteier (um 1550-nach 1629)11
heiratete 1578 Anna Agnes von Ledebur und über-
nahm ihr Erbe, die Werburg bei Spenge (Kr. Herford).
Zu dieser Zeit wurde das Haus Visbeck durch einen
Verwalter geführt, der sich als Schulte zu Visbeck
bezeichnete.12 Ihr Sohn Johann Ledebur von Ketteier
zu Werburg verkaufte als Erbe das Gut Visbeck 1631
an Lambert von Oer zu Kakesbeck und seine Ehefrau
Margaretha von Bodelschwingh auf Haus Kakesbeck
bei Lüdinghausen. Schon 1636 verkauften diese
Eheleute von Oer das Haus Visbeck für 1100 Rthl.
wieder an Reinhard von Raesfeld und seine Ehefrau
Anna von Raesfeld (Witwe des Goswin von Raesfeld
zu Empte) auf Haus Darup.
Zu dieser Zeit wurde das Haus Visbeck mehrmals in
kriegerische Auseinandersetzungen des Dreißigjähri-
gen Krieges verwickelt: Schon 1628 hatte man bei
Haus Visbeck eine Schanze angelegt, die die umher-
schweifenden Soldaten kontrollieren sollte.13 1639 soll
es zur Zerstörung der Hauptburg und zu schweren
Schäden an der Vorburg gekommen sein. Da aller-
dings auf Haus Visbeck schon wenige Jahre später
wieder eine herrschaftliche Wohnung nachweisbar
ist, dürfte das Haupthaus nur beschädigt und bald
wiederhergestellt worden sein.14 1642 lebten die bei-
den Söhne Rainer und Goswin von Raesfeld auf Haus
Visbeck. Da man das nahegelegene Haus Darup
zudem 1650 verkaufte, dürfte Haus Visbeck während
dieser Zeit sogar als Hauptwohnsitz der Familie
gedient haben.15 Nachdem ihre Eltern und Goswin
verstorben waren und als letzter dieses Familienzwei-
ges am 11. Oktober 1655 auch Rainer von Raesfeld
zu Visbeck verstarb, musste die Erbnachfolge geregelt
werden. Wegen ausstehender Zahlungen in der
Nachlassregelung fiel der Besitz im Jahre 1656 an den
Dombursar Goswin Droste zu Vischering.
1657 wird die Familie von Vischering erstmals mit
Haus Visbeck belehnt. Nachdem der Besitz in den
nächsten Jahren für die Familie von Vischering end-
gültig gesichert werden konnte,16 scheint man begon-
nen zu haben, den neuen Besitz zu einem Gutsbetrieb
auszubauen, der aber wohl nicht mehr dauernd durch
einen herrschaftlichen Haushalt genutzt werden soll-
te. Allerdings waren die aus Haus Visbeck stammen-
den jährlichen Einkünfte zu dieser Zeit gleichwertig
mit denen aus dem Stammsitz der Familie.17
Haus Visbeck war landtagsfähig. Es war weideberech-
tigt in der Hörster, der Dernekämper und der Leve-
sumer Mark. Dem Haus stand zudem das Markenge-
richt in der Hörster Mark zu. Auch der grundherrlich
an Haus Visbeck gebundene Besitz war erheblich: In
den Pachtregistern der Zeit um 1700 werden über 90
Pächter genannt, wobei es sich allerdings nicht nur
um Höfe, sondern auch um andere Pachtgüter han-
delte, etwa Hausstätten, die sich auf der Freiheit von
Haus Dülmen befanden. Neben den einkommenden
regelmäßigen Pachtgeldern fielen im Jahre 1800 auch
noch die Lieferung von 135 Pachthühnern an. Andere
Quellen weisen darauf hin, dass zu Visbeck im 18.
Jahrhundert zusammen mit den Pachthöfen Schulze
Visbeck, Altenbochum, Elverich, Hagemann und dem
Kotten Schöler ein Grundbesitz von 280 ha gehörte.
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Der Neubau von 1674/78 auf Haus Visbeck bei Dülmen (Kr. Coesfeld)
dem nur die Vorburg, notdürftig langsam wiederher-
stellte. Die Jahreszahl 1677 an der Ostseite des erhal-
tenen Wirtschaftsbaus bezeichnet wohl das
Enddatum der Reparaturen.8 Allerdings erwies sich
diese Aussage als nicht zutreffend, denn Haus Visbeck
hatte während des wirtschaftlichen und politischen
Aufstiegs der Familie von Droste zu Vischering in der
zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts zumindest wäh-
rend einer Generation eine besondere Bedeutung, die
sie aber aufgrund zunächst nicht absehbarer Ent-
wicklungen nur für kurze Zeit behielt: Haus Visbeck
war eine der ersten Grunderwerbungen, mit deren
Hilfe es dieser Familie gelang, in der Neuzeit zu einer
der wirtschaftlich führenden Adelsfamilien des
Münsterlandes aufzusteigen.9 Nachdem die Familie
1670 in den Reichsfreiherrenstand erhoben worden
war, begann man um 1675 mit dem Ausbau des
schon 1656 erworbenen Hauses Visbeck. Es sollte zu
dieser Zeit vermutlich zu einem der Wohnsitze der
Familie ausgebaut werden. Allerdings starb der
Initiator Heidenreich Droste zu Vischering (1616
Ahaus - 6. August 1678) noch während der laufenden
Bauarbeiten. Durch seinen Sohn Christoph Heinrich
Droste zu Vischering (1652 Vischering - 1723) wurden
nur noch die angefangenen Baumaßnahmen im Jahre
des Erbfalls 1678 abgeschlossen. Fortan blieb Visbeck
einer der zahlreichen Gutsbetriebe, die der Absiche-
rung der wirtschaftlichen Grundlagen der Familie
dienten.
Zur Besitz- und Wirtschaftsgeschichte
Haus Visbeck liegt südlich von Dülmen und westlich
der Landstraße nach Seppenrade in der Bauernschaft
Dernekamp. Es wird als eines der zahlreichen Güter
der Abtei Werden im Bereich von Dülmen unter der
Bezeichnung villa visbech erstmals 1186 genannt.
Darunter dürfte zu dieser Zeit ein Haupthof im Bereich
der späteren Bauernschaft Visbeck zu verstehen sein.
Aus diesem ging im Zuge der Auflösung der hochmit-
telalterlichen Villikationen das befestigte Haus Vis-
beck mit umliegenden Höfen hervor.10 1338 bis nach
1540 war Haus Visbeck an eine Familie verlehnt, die
sich als Herren von Visbeck bezeichneten. Nachdem
diese Familie mit Schotte von Visbeck, gen. der Letzte
(1465-1540) und seinem Bruder Johannes, Dechant
zu St. Mauritz bei Münster ausstarb, und das Lehen
damit an den Lehnsherren zurückfiel, wurde Haus
Visbeck 1548 neu an Jost von Mecheln zu Sandfort
verlehnt. Schon 1555 sind dann aber die Herren von
Ketteier Lehnsträger. Zu dieser Zeit wird 1572 erst-
mals eine Marienkapelle bei Visbeck als Vorgän-
gergebäude der noch heute stehenden Kapelle nach-
weisbar. Georg von Ketteier (um 1550-nach 1629)11
heiratete 1578 Anna Agnes von Ledebur und über-
nahm ihr Erbe, die Werburg bei Spenge (Kr. Herford).
Zu dieser Zeit wurde das Haus Visbeck durch einen
Verwalter geführt, der sich als Schulte zu Visbeck
bezeichnete.12 Ihr Sohn Johann Ledebur von Ketteier
zu Werburg verkaufte als Erbe das Gut Visbeck 1631
an Lambert von Oer zu Kakesbeck und seine Ehefrau
Margaretha von Bodelschwingh auf Haus Kakesbeck
bei Lüdinghausen. Schon 1636 verkauften diese
Eheleute von Oer das Haus Visbeck für 1100 Rthl.
wieder an Reinhard von Raesfeld und seine Ehefrau
Anna von Raesfeld (Witwe des Goswin von Raesfeld
zu Empte) auf Haus Darup.
Zu dieser Zeit wurde das Haus Visbeck mehrmals in
kriegerische Auseinandersetzungen des Dreißigjähri-
gen Krieges verwickelt: Schon 1628 hatte man bei
Haus Visbeck eine Schanze angelegt, die die umher-
schweifenden Soldaten kontrollieren sollte.13 1639 soll
es zur Zerstörung der Hauptburg und zu schweren
Schäden an der Vorburg gekommen sein. Da aller-
dings auf Haus Visbeck schon wenige Jahre später
wieder eine herrschaftliche Wohnung nachweisbar
ist, dürfte das Haupthaus nur beschädigt und bald
wiederhergestellt worden sein.14 1642 lebten die bei-
den Söhne Rainer und Goswin von Raesfeld auf Haus
Visbeck. Da man das nahegelegene Haus Darup
zudem 1650 verkaufte, dürfte Haus Visbeck während
dieser Zeit sogar als Hauptwohnsitz der Familie
gedient haben.15 Nachdem ihre Eltern und Goswin
verstorben waren und als letzter dieses Familienzwei-
ges am 11. Oktober 1655 auch Rainer von Raesfeld
zu Visbeck verstarb, musste die Erbnachfolge geregelt
werden. Wegen ausstehender Zahlungen in der
Nachlassregelung fiel der Besitz im Jahre 1656 an den
Dombursar Goswin Droste zu Vischering.
1657 wird die Familie von Vischering erstmals mit
Haus Visbeck belehnt. Nachdem der Besitz in den
nächsten Jahren für die Familie von Vischering end-
gültig gesichert werden konnte,16 scheint man begon-
nen zu haben, den neuen Besitz zu einem Gutsbetrieb
auszubauen, der aber wohl nicht mehr dauernd durch
einen herrschaftlichen Haushalt genutzt werden soll-
te. Allerdings waren die aus Haus Visbeck stammen-
den jährlichen Einkünfte zu dieser Zeit gleichwertig
mit denen aus dem Stammsitz der Familie.17
Haus Visbeck war landtagsfähig. Es war weideberech-
tigt in der Hörster, der Dernekämper und der Leve-
sumer Mark. Dem Haus stand zudem das Markenge-
richt in der Hörster Mark zu. Auch der grundherrlich
an Haus Visbeck gebundene Besitz war erheblich: In
den Pachtregistern der Zeit um 1700 werden über 90
Pächter genannt, wobei es sich allerdings nicht nur
um Höfe, sondern auch um andere Pachtgüter han-
delte, etwa Hausstätten, die sich auf der Freiheit von
Haus Dülmen befanden. Neben den einkommenden
regelmäßigen Pachtgeldern fielen im Jahre 1800 auch
noch die Lieferung von 135 Pachthühnern an. Andere
Quellen weisen darauf hin, dass zu Visbeck im 18.
Jahrhundert zusammen mit den Pachthöfen Schulze
Visbeck, Altenbochum, Elverich, Hagemann und dem
Kotten Schöler ein Grundbesitz von 280 ha gehörte.
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