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Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Kaspar, Fred [Oth.]; Gläntzer, Volker [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

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Güter Adeliger, Lebens- und Wirtschaftsformen
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Kaspar, Fred: Eine neue Vorburg als Zeichen des Aufstiegs? Der Neubau von 1674/78 auf Haus Visbeck bei Dülmen (Kr. Coesfeld): ein Gut, nur kurz im Interesse der Familie Droste zu Vischering
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0179
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Eine neue Vorburg als Zeichen des Aufstiegs?
Der Neubau von 1674/78 auf Haus Visbeck bei Dülmen (Kr. Coesfeld)

Burg Vischering wurde auch nach 1681 als „Stamm-
haus" der Familie in ihrer alten Form über Jahrhun-
derte weiterhin unterhalten,22 neben der man aber
auch noch weitere Güter und Herrenhäuser, die seit
dem 17. Jahrhundert in den Besitz der Familie gelangt
waren, unterhielt und zeitweilig bewohnte.23 Hierzu
gehört unter anderem ihr 1699 erneuerter Hof in der
Stadt Münster, das ab 1731/38 im Besitz der Familie
befindliche Haus Vorhelm, der ab 1757 neu errichtete
sogenannte Erbdrostenhof in Münster, dem ab 1781
auch ein Herrenhaus-Neubau in Darfeld folgte. Auf
diesen verschiedenen Anwesen befanden sich wieder-
holt auch herrschaftliche Haushalte24 für das Familien-
oberhaupt und auch als Witwensitz oder als Sitz jün-
gerer, noch nicht als Fideikommissherr eingesetzter
Mitglieder der Familie. Weitere ererbte Herrensitze
wurden nicht mehr bewohnt, aber soweit erhalten,
dass man sie als Jagdhaus kurzzeitig bewohnen konn-
te. Hierzu dürfte auch Visbeck gehört haben, dane-
ben aber z. B. auch Haus Bevern bei Ostbevern oder
Haus Langen bei Everswinkel (beide Kr. Warendorf).
Das Haus Visbeck geriet aufgrund einer veränderten
Familienpolitik und verschiedener, bald bestehender
baulicher Alternativen nach 1678 nicht mehr als
Wohnsitz in den Blick der Familie. Der ertragreiche
Wirtschaftsbetrieb25 von Haus Visbeck wurde seit der
Besitzübernahme 1657 von einem Rentmeister ge-
führt und nach 1800 verpachtet. Auf Haus Visbeck
lebte daher ein Rentmeister als ständiger Vertreter der
Herrschaft: 1763 wird Werneking und 1785/96 J. F.
Farwick als Rentmeister genannt. Nach 1800 werden
als Pächter genannt: zunächst Anton Struffmann,
Bültmann genannt, 1931 dann Strotmann aus Dül-
men und 1974 Wilhelm Bültmann. Mit seiner Pensio-
nierung zum März 1997 verkaufte die Familie Droste
zu Vischering das Anwesen.
Zur Anlage von Haus Visbeck
Haus Visbeck bestand in der Neuzeit aus einer von
Wassergräben bestimmten sogenannten Zweiinselan-
lage. Heute ist hiervon vor Ort allerdings kaum noch
etwas zu erkennen. Sowohl der 1826 entstandene
Plan der Urkatasteraufnahme wie auch weitere Pläne
von 1873 dokumentierten die zu dieser Zeit noch
deutlich erkennbare Struktur der Anlage durch exakte
Vermessungen26. In der Niederung südlich der namen-
gebenden sogenannten Fischbecke lag in einem Teich
die kleine umgräftete Insel mit dem Herrenhaus. Der
Herrenhausanlage schloss sich südlich auf dem höher
gelegenen Gelände eine zweite größere und recht-
eckige Insel als Vorburg an, auf drei Seiten von den

Wirtschaftsgebäuden und dem Torhaus begrenzt. Auf
der Nord- und Ostseite wird die Gesamtanlage von
einem offensichtlich aufgeschütteten Wall, einer
äußeren Gräfte und wohl einem zweiten äußeren
Wall begrenzt. Westlich der Anlage befand sich mit
etwa 100 m Entfernung die zum Gut gehörige Was-
sermühle mit eigenem Stauteich.
Diese komplexe Struktur der Gesamtanlage dürfte in
einem bislang nicht bekannten Prozess entstanden
sein. Es ist davon auszugehen, dass der Kern ein
hochmittelalterlicher Haupthof war, der auf dem Ge-
lände der höher liegenden Vorburg zu suchen sein
dürfte. Daneben legte man zu nicht näher bekannter
Zeit in der Niederung ein Herrenhaus an, das wohl im
Laufe des 16. und frühen 17. Jahrhunderts mit einer
Außengräfte und zusätzlichen Wällen weiter gesi-
chert wurde. Die regelmäßige Gestaltung der Vorburg
und die für ihre Anlage in das Gelände eingetieften
Gräften lassen vermuten, dass sie in dieser Größe auf
eine Neugestaltung in der frühen Neuzeit zurückgeht,
möglicherweise in dieser Form auch erst im Zuge des
Neubaus 1677 entstanden ist.
Über Alter, Entwicklung, Größe und Gestalt des Her-
renhauses ist bislang nur sehr wenig bekannt. Einige
archäologische Befunde zur Fundamentierung des
Herrenhauses konnten 1974 aufgedeckt werden.27
Ebenso ist nicht bekannt, bis wann es bestand. 1655
wird der Bau in seinen groben Zügen beschrieben (s.
weiter unten) und 1675/76 renoviert bzw. neu ausge-
stattet.28 Es ist wohl erst zu nicht näher bekannter Zeit
im späteren 19. Jahrhunderts abgebrochen worden
(ob es sich bei dem kleinen Bau, der 1826 auf dem
Urkataster und noch 1873 auf Karten auf der Insel
verzeichnet wurde um das Herrenhaus oder ein später
dort stehendes Wirtschaftsgebäude handelt, ist nicht
bekannt), wobei noch bis in das frühe 20. Jahrhun-
dert der Burgplatz mit der verlandeten inneren Gräfte
erkennbar blieb. Seit dem 19. Jahrhundert veränderte
sich die Umgebung mit Auswirkungen auf den land-
wirtschaftlichen Betrieb entscheidend: Zunächst schuf
man knapp östlich der Anlage eine Chaussee, später
auch eine Bahnlinie. Ab 1872 legte die Firma Krupp in
Essen nordwestlich der Anlage die Abschussanlagen
eines mehrere Kilometer langen Schieß- und Ver-
suchsplatzes an, der zwar von ihr nach wenigen Jah-
ren wieder aufgegeben, danach aber noch länger
durch das Militär genutzt worden ist.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts wurden alle Gräften
verfüllt und zudem die ehemalige Mühlenanlage völ-
lig eingeebnet.

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