Die Häuser und Gärten des hannoverschen Oberhofbaudirektors Friedrich Karl von Hardenberg
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samen Versuchen, bei denen man mikroskopierte,
sich gegenseitig statisch auflud oder magnetisierte.30
Auf dem Hardenberg lud der Hofbaudirektor auch
politische Vertraute ein, wie 1748 den Herzog von
Newcastle,31 der zu dieser Zeit Britischer Außenminis-
ter war.
Beim Herrenhaus beschränkte sich Hardenberg auf
eine zeitgemäße Instandsetzung der Innenräume.32
Grundlegend waren jedoch seine Eingriffe in den
Wirtschaftsbetrieb: Zwischen 1747 und 1753 errich-
tete der aus Hannover herangeholte Hofarchitekt
Heumann auf dem Gut zwei große neue massive
Schafställe, eine zusätzliche Scheune, ein Schweine-
haus sowie einen Gartenpavillon und ein Gewächs-
haus zur Feigenzucht.33 So wurde einer der schon mit
den alten Fachwerkgebäuden imposantesten Wirt-
schaftshöfe der Region (Abb. 8) ganz modern und
noch leistungsfähiger um- und ausgebaut.
Wie bei den Hofbauprojekten wurden alle Neubauten
auf dem Gut in Massivbauweise errichtet. Typisch für
Hardenberg ist die Zurückhaltung in der Verzierung
der Bauten, wofür die Gestaltung des Eingangs in die
1751 errichtete Scheune als typisch anzusehen ist.
Der Hofbaudirektor ließ in die Sandsteineinfassung
des Portals lediglich dünn seine Initialen und das
Baujahr einarbeiten und dort, wo normalerweise ein
Schlussstein mit Wappen zu erwarten wäre, prangt
deutlich die Feuerversicherungsnummer des Gebäu-
des. Ein programmatisches Bekenntnis, da Friedrich
Karl von Hardenberg an der Einrichtung der ersten
Feuerversicherung im Kurfürstentum grundlegend
beteiligt war.
Vollkommen ungewöhnlich ist die Dekoration der bei-
den großen, zwischen 1747 und 1749 errichteten
Schafställe, von denen der eine für die Aufnahme von
gut 800, der andere für 900 Tiere ausgelegt war.
Weitere Stallungen gab es auf dem nahe gelegenen
Vorwerk Levershausen, sodass die Schafhaltung den
Schwerpunkt der Gutswirtschaft auf dem Hardenberg
bildete. An jedem der Ställe finden sich im Bereich der
Fenster und Türen mehrere Inschriftensteine, die
neben der Nennung des Bauherrn und der Datierung
längere lateinische Texte zeigen. Einige der Inschriften
sind stark verwittert. Zwei davon haben die letzten
260 Jahre jedoch besser überstanden, sodass die dort
eingearbeiteten Texte noch lesbar sind und sich ihre
Herkunft erschließen lässt, wobei sich ein eindrucks-
volles Bild weitläufiger Bildung bietet: Die Inschrift
unterhalb eines Fensters im Giebel des Stalles von
1747 stammt aus der Georgica des Publius Vergilius
Maro, bekannt als Vergil, die dieser zwischen 37 und
19 v. Chr. verfasst hat, einer vierbändigen Sammlung
von Lehrgedichten zur Landwirtschaft, und hier aus
Band III, wo Vergil die Vorteile verschiedener Klein-
tiere, darunter auch die des Schafes aufführt. Auf den
ersten Blick erscheint ein antiker Text am Schafstall
vielleicht etwas abwegig, doch unterstützte Harden-
berg während der Bauzeit der Stallungen auch den
Göttinger Professor Matthias Gesner bei dessen kriti-
scher Herausgabe der Werke des Horaz durch die
Beschaffung schwer zugänglicher lateinischer Litera-
tur,34 weshalb Gesner den dritten, 1752 in Leipzig er-
schienen Band dieses Werkes mit einer Widmung an
Hardenberg versah. Hardenbergs Wissenshorizont
umfasste jedoch nicht nur antike Texte: Über der zwi-
schenzeitlich vermauerten südlichen Eingangstür des
Stalls findet sich ein Epigramm des Engländers John
Owen aus dem frühen 17. Jahrhundert (Abb. 9), in
dem auch dieser den Wert der Schafe für die
Gutswirtschaft preist: Sinngemäß übersetzt lautet die-
ses: Sei es, dass Fleisch oder Leder oder Lämmer oder
Mist oder Knochen, Würfel oder Därme fehlen, alles
bietet das Schaf.35
Der Landbaumeister Otto Heinrich von Bonn entwarf
1748 das neue Brauhaus für den Hardenberg.36 Hier
wurde die Grundlage für die bis heute florierende
Produktion der Spirituosen mit dem Keilerkopf gelegt.
Die Abfälle der Bier- und Branntweinproduktion dien-
ten zur Mast der Weideschweine, die neben den
Schafen das zweite Standbein der Gutswirtschaft aus-
machten. 1750 wurden in der Ölmühle des Gutshofes
sowie in weiteren Hardenberg gehörenden Wasser-
mühlen in Nörten und Geismar horizontal laufende
Wasserräder nach einer Erfindung des Göttinger Pro-
fessors Johann Andreas Segner eingebaut.37 Es sind
dies die ersten Versuche mit dieser neuen Methode,
die als Grundlage der modernen Turbinentechnik gel-
ten kann. Hardenberg zeigte sich hier aufgeschlossen
gegenüber den neuesten Entwicklungen der Inge-
nieurwissenschaft, obwohl sich diese noch im Ver-
suchsstadium befanden.
9 Nörten Hardenberg, Schafstall von 1747 auf dem Harden-
berschen Gutshof. Inschriftenstein über dem ehern.
Südeingang mit Epigramm von John Owen, 2010.
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samen Versuchen, bei denen man mikroskopierte,
sich gegenseitig statisch auflud oder magnetisierte.30
Auf dem Hardenberg lud der Hofbaudirektor auch
politische Vertraute ein, wie 1748 den Herzog von
Newcastle,31 der zu dieser Zeit Britischer Außenminis-
ter war.
Beim Herrenhaus beschränkte sich Hardenberg auf
eine zeitgemäße Instandsetzung der Innenräume.32
Grundlegend waren jedoch seine Eingriffe in den
Wirtschaftsbetrieb: Zwischen 1747 und 1753 errich-
tete der aus Hannover herangeholte Hofarchitekt
Heumann auf dem Gut zwei große neue massive
Schafställe, eine zusätzliche Scheune, ein Schweine-
haus sowie einen Gartenpavillon und ein Gewächs-
haus zur Feigenzucht.33 So wurde einer der schon mit
den alten Fachwerkgebäuden imposantesten Wirt-
schaftshöfe der Region (Abb. 8) ganz modern und
noch leistungsfähiger um- und ausgebaut.
Wie bei den Hofbauprojekten wurden alle Neubauten
auf dem Gut in Massivbauweise errichtet. Typisch für
Hardenberg ist die Zurückhaltung in der Verzierung
der Bauten, wofür die Gestaltung des Eingangs in die
1751 errichtete Scheune als typisch anzusehen ist.
Der Hofbaudirektor ließ in die Sandsteineinfassung
des Portals lediglich dünn seine Initialen und das
Baujahr einarbeiten und dort, wo normalerweise ein
Schlussstein mit Wappen zu erwarten wäre, prangt
deutlich die Feuerversicherungsnummer des Gebäu-
des. Ein programmatisches Bekenntnis, da Friedrich
Karl von Hardenberg an der Einrichtung der ersten
Feuerversicherung im Kurfürstentum grundlegend
beteiligt war.
Vollkommen ungewöhnlich ist die Dekoration der bei-
den großen, zwischen 1747 und 1749 errichteten
Schafställe, von denen der eine für die Aufnahme von
gut 800, der andere für 900 Tiere ausgelegt war.
Weitere Stallungen gab es auf dem nahe gelegenen
Vorwerk Levershausen, sodass die Schafhaltung den
Schwerpunkt der Gutswirtschaft auf dem Hardenberg
bildete. An jedem der Ställe finden sich im Bereich der
Fenster und Türen mehrere Inschriftensteine, die
neben der Nennung des Bauherrn und der Datierung
längere lateinische Texte zeigen. Einige der Inschriften
sind stark verwittert. Zwei davon haben die letzten
260 Jahre jedoch besser überstanden, sodass die dort
eingearbeiteten Texte noch lesbar sind und sich ihre
Herkunft erschließen lässt, wobei sich ein eindrucks-
volles Bild weitläufiger Bildung bietet: Die Inschrift
unterhalb eines Fensters im Giebel des Stalles von
1747 stammt aus der Georgica des Publius Vergilius
Maro, bekannt als Vergil, die dieser zwischen 37 und
19 v. Chr. verfasst hat, einer vierbändigen Sammlung
von Lehrgedichten zur Landwirtschaft, und hier aus
Band III, wo Vergil die Vorteile verschiedener Klein-
tiere, darunter auch die des Schafes aufführt. Auf den
ersten Blick erscheint ein antiker Text am Schafstall
vielleicht etwas abwegig, doch unterstützte Harden-
berg während der Bauzeit der Stallungen auch den
Göttinger Professor Matthias Gesner bei dessen kriti-
scher Herausgabe der Werke des Horaz durch die
Beschaffung schwer zugänglicher lateinischer Litera-
tur,34 weshalb Gesner den dritten, 1752 in Leipzig er-
schienen Band dieses Werkes mit einer Widmung an
Hardenberg versah. Hardenbergs Wissenshorizont
umfasste jedoch nicht nur antike Texte: Über der zwi-
schenzeitlich vermauerten südlichen Eingangstür des
Stalls findet sich ein Epigramm des Engländers John
Owen aus dem frühen 17. Jahrhundert (Abb. 9), in
dem auch dieser den Wert der Schafe für die
Gutswirtschaft preist: Sinngemäß übersetzt lautet die-
ses: Sei es, dass Fleisch oder Leder oder Lämmer oder
Mist oder Knochen, Würfel oder Därme fehlen, alles
bietet das Schaf.35
Der Landbaumeister Otto Heinrich von Bonn entwarf
1748 das neue Brauhaus für den Hardenberg.36 Hier
wurde die Grundlage für die bis heute florierende
Produktion der Spirituosen mit dem Keilerkopf gelegt.
Die Abfälle der Bier- und Branntweinproduktion dien-
ten zur Mast der Weideschweine, die neben den
Schafen das zweite Standbein der Gutswirtschaft aus-
machten. 1750 wurden in der Ölmühle des Gutshofes
sowie in weiteren Hardenberg gehörenden Wasser-
mühlen in Nörten und Geismar horizontal laufende
Wasserräder nach einer Erfindung des Göttinger Pro-
fessors Johann Andreas Segner eingebaut.37 Es sind
dies die ersten Versuche mit dieser neuen Methode,
die als Grundlage der modernen Turbinentechnik gel-
ten kann. Hardenberg zeigte sich hier aufgeschlossen
gegenüber den neuesten Entwicklungen der Inge-
nieurwissenschaft, obwohl sich diese noch im Ver-
suchsstadium befanden.
9 Nörten Hardenberg, Schafstall von 1747 auf dem Harden-
berschen Gutshof. Inschriftenstein über dem ehern.
Südeingang mit Epigramm von John Owen, 2010.