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Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen
die gantze Ackerwirtschaft in der größten Unordnung
ist. Was die Schwester, welche brav ist und die weib-
liche Wirtschaft aufs beste besorgt zu ersparen sucht,
wird von ihm durchgebracht. Die nun folgende
Pächterfamilie Große Bexten stammte von einem der
größten Höfe des nahegelegenen Kirchspiels Einen
und blieb dort über 150 Jahre tätig.
Bei schlecht wirtschaftenden Pächtern konnte es zu
ernsthaften Schäden an Hofgebäuden kommen. Der
Pächter des Gutes Haus Milte bei Telgte wurde 1833
aus dem Haus und vom Anwesen geklagt, da er nicht
nur mit der Pacht in Rückstand war, sondern auch die
Bauten hatte verfallen lassen. Danach mussten in den
nächsten Jahren alle Gebäude des Gutes umfassend
renoviert werden.
Erträge aus den Besitzungen
Freie Höfe waren zunächst erst einmal Kapital der
Besitzer und dienten - insbesondere wenn es sich
nicht um Erbgut, sondern um angekaufte Güter han-
delte - der Geldanlage und der Erwirtschaftung von
Erträgen. Solche freien Höfe wurden daher schon im
Spätmittelalter nicht selten in sehr kurzen Abständen
verkauft, je nachdem ob man Geld anlegen wollte
oder ob man solches benötigte. Die Rendite aus dem
in Höfen angelegten Kapital bestand bis in das 16.
Jahrhundert vielfach vor allem in den Abgaben, die
die Höfe leisteten, da wegen der auf dem Hof zu
Erbpacht sitzenden Bauern vielfach ein direkter
Zugriff auf die Erträge noch nicht möglich war.36 Dies
stellte sich erst dann anders dar, wenn man den Hof
durch einen Zeitpächter betreiben ließ, ein Weg, der
sich offenbar seit dem 16. Jahrhundert durchsetzte
und dazu führte, dass die Höfe nun auch länger in
einer Hand blieben. Dieses Phänomen lässt sich für
viele Landschaften in Mitteleuropa nachweisen.
Das im Folgenden noch näher betrachtete freie Erbe
Wiggermann (seit dem 19. Jahrhundert als „Gut Loh-
feld" bezeichnet) in der Gemeinde Everswinkel (Kr.
Warendorf) befand sich schon im 14. Jahrhundert in
der Hand von Stadtsässigen und wechselte seitdem
vielfach seine Besitzer. 1747 wurde es für 3 710 Rthl.
und 1773 ein weiteres Mal für 3 400 Rthl. und 1826
für dann 5 000 Thl verkauft (auch dieser Wert ist bei
Berücksichtigung der Geldentwertung vergleichbar).
Bei dem Hof Lütke Rumphorst bei Telgte (Kr.
Warendorf) betrugen die Pachtgelder 1687 pro Jahr
130 Rthl. und stiegen wegen der Geldentwertung in
mehreren Schritten bis 1857 auf 200 Thl. an (nach
1871 dann 600 Mark). Ähnliche Summen lassen sich
auch bei einer Vielzahl weiterer Pachthöfe nachwei-
sen.37 Für das Gut Haus Westerhaus (Drensteinfurt, Kr.
Warendorf) betrug 1740 die Jahrespacht 70 Rthl.,
beim Gut Haus Milte (Telgte, Kr. Warendorf) im frühen
19. Jahrhundert 210 Rthl. Die Abgaben, die der
Pächter des Hofes Schulte Havichhorst in Münster-
Handorf dem Domdechanten in Münster leisten
musste, betrugen hingegen schon 1640 neben eini-
gen Naturalleistungen 240 Rthl. jährlich.38
Der 1790 durchgeführte Neubau der Borg genannten
Sommerwohnung auf dem Gut Kurze Rumphorst
(Telgte, Kr. Warendorf) kostete ca. 225 Rthl., d. h. den
Pachtertrag für eineinhalb Jahre und der ab 1800 dort
durchgeführte Neubau des dortigen Pächter-Bauern-
hauses insgesamt 1 985 Rthl., was dem Pachtertrag
von etwa 14 Jahren entsprach.39
Auch adelige, durch einen Rentmeister verwaltete
Eigenbetriebe hatten keine wesentlich höheren Jah-
reserträge: So brachte etwa das Gut Haus Visbeck bei
Dülmen (Kr. Coesfeld) seinem Eigentümer, dem Dros-
te zu Vischering in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts bei Gesamteinnahmen von etwa 1 500-
2 000 Rthl. nach Abzug aller Unkosten (Personal etc.)
einen jährlichen Reinertrag von etwa 300 bis 500 Rthl.
Sie waren also mit den Ertragszahlen seines Stamm-
sitzes der Burg Vischering in Lüdinghausen (Kr. Coes-
feld) vergleichbar.40
Leiter und Bewohner des Gutes
Ständige Bewohner der Pachthöfe als bürgerliche
Güter auf dem Lande waren die Erbpächter bzw.
Pächter. Die Herrschaft, sofern und solange sie die
Höfe besuchte und bewohnte, bildete also nur einen
zweiten mehr oder weniger umfangreichen und voll-
ständigen Haushalt auf der Hofstelle.
Die Gruppe der Hofverwalter umfasste ein weites
soziales Spektrum, das hier allerdings wegen bislang
weitgehend fehlender Vorarbeiten kaum detaillierter
behandelt werden kann. Es reicht von einem selbst-
ständig und auf seine Rechnung wirtschaftenden
Pächter über einen im Lohn stehenden Verwalter oder
Rentmeister bis zum Vorarbeiter, der unter der Leitung
des Besitzers oder seines Vertreters arbeitete.
Letzterer wird in Westfalen in der Regel als Baumeister
bezeichnet - entsprechend dem Begriff des Bauhau-
ses als Hauptgebäude des Landbaus. In Niedersachsen
war der Begriff Bauschulte gebräuchlich.41 Der Bau-
meister gehörte formal zwar zum Gesinde, stand im
Alltag aber der Herrschaft näher als dem übrigen
Gesinde.42 Die Baumeister rekrutierten sich daher im
Unterschied zu dem übrigen, in der Regel von Köttern
und Heuerlingen abstammenden Gesinde vielfach aus
Bauern- oder sogar Schultenfamilien.43 Dies kann als
Hinweis gelten, dass auch diese geringste Form der
Wirtschaftsleitung schon als eine semiprofessionelle
Tätigkeit galt und sich die Position, die im 16. Jahr-
hundert noch von einem Baumeister ausgefüllt wur-
de, bis ins 18. Jahrhundert öfter zu einem professio-
nellen Rentmeister gewandelt hatte.
Die Lebensformen, die die Familie eines örtlichen
Rentmeisters pflegte, kann daher nicht einfach mit
den Lebensformen einer Bauernfamilie gleichgesetzt
werden. Rentmeister lebten im gewissen Umfang
herrschaftlich, zumal sie als Vertreter der Eigentümer
Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen
die gantze Ackerwirtschaft in der größten Unordnung
ist. Was die Schwester, welche brav ist und die weib-
liche Wirtschaft aufs beste besorgt zu ersparen sucht,
wird von ihm durchgebracht. Die nun folgende
Pächterfamilie Große Bexten stammte von einem der
größten Höfe des nahegelegenen Kirchspiels Einen
und blieb dort über 150 Jahre tätig.
Bei schlecht wirtschaftenden Pächtern konnte es zu
ernsthaften Schäden an Hofgebäuden kommen. Der
Pächter des Gutes Haus Milte bei Telgte wurde 1833
aus dem Haus und vom Anwesen geklagt, da er nicht
nur mit der Pacht in Rückstand war, sondern auch die
Bauten hatte verfallen lassen. Danach mussten in den
nächsten Jahren alle Gebäude des Gutes umfassend
renoviert werden.
Erträge aus den Besitzungen
Freie Höfe waren zunächst erst einmal Kapital der
Besitzer und dienten - insbesondere wenn es sich
nicht um Erbgut, sondern um angekaufte Güter han-
delte - der Geldanlage und der Erwirtschaftung von
Erträgen. Solche freien Höfe wurden daher schon im
Spätmittelalter nicht selten in sehr kurzen Abständen
verkauft, je nachdem ob man Geld anlegen wollte
oder ob man solches benötigte. Die Rendite aus dem
in Höfen angelegten Kapital bestand bis in das 16.
Jahrhundert vielfach vor allem in den Abgaben, die
die Höfe leisteten, da wegen der auf dem Hof zu
Erbpacht sitzenden Bauern vielfach ein direkter
Zugriff auf die Erträge noch nicht möglich war.36 Dies
stellte sich erst dann anders dar, wenn man den Hof
durch einen Zeitpächter betreiben ließ, ein Weg, der
sich offenbar seit dem 16. Jahrhundert durchsetzte
und dazu führte, dass die Höfe nun auch länger in
einer Hand blieben. Dieses Phänomen lässt sich für
viele Landschaften in Mitteleuropa nachweisen.
Das im Folgenden noch näher betrachtete freie Erbe
Wiggermann (seit dem 19. Jahrhundert als „Gut Loh-
feld" bezeichnet) in der Gemeinde Everswinkel (Kr.
Warendorf) befand sich schon im 14. Jahrhundert in
der Hand von Stadtsässigen und wechselte seitdem
vielfach seine Besitzer. 1747 wurde es für 3 710 Rthl.
und 1773 ein weiteres Mal für 3 400 Rthl. und 1826
für dann 5 000 Thl verkauft (auch dieser Wert ist bei
Berücksichtigung der Geldentwertung vergleichbar).
Bei dem Hof Lütke Rumphorst bei Telgte (Kr.
Warendorf) betrugen die Pachtgelder 1687 pro Jahr
130 Rthl. und stiegen wegen der Geldentwertung in
mehreren Schritten bis 1857 auf 200 Thl. an (nach
1871 dann 600 Mark). Ähnliche Summen lassen sich
auch bei einer Vielzahl weiterer Pachthöfe nachwei-
sen.37 Für das Gut Haus Westerhaus (Drensteinfurt, Kr.
Warendorf) betrug 1740 die Jahrespacht 70 Rthl.,
beim Gut Haus Milte (Telgte, Kr. Warendorf) im frühen
19. Jahrhundert 210 Rthl. Die Abgaben, die der
Pächter des Hofes Schulte Havichhorst in Münster-
Handorf dem Domdechanten in Münster leisten
musste, betrugen hingegen schon 1640 neben eini-
gen Naturalleistungen 240 Rthl. jährlich.38
Der 1790 durchgeführte Neubau der Borg genannten
Sommerwohnung auf dem Gut Kurze Rumphorst
(Telgte, Kr. Warendorf) kostete ca. 225 Rthl., d. h. den
Pachtertrag für eineinhalb Jahre und der ab 1800 dort
durchgeführte Neubau des dortigen Pächter-Bauern-
hauses insgesamt 1 985 Rthl., was dem Pachtertrag
von etwa 14 Jahren entsprach.39
Auch adelige, durch einen Rentmeister verwaltete
Eigenbetriebe hatten keine wesentlich höheren Jah-
reserträge: So brachte etwa das Gut Haus Visbeck bei
Dülmen (Kr. Coesfeld) seinem Eigentümer, dem Dros-
te zu Vischering in der zweiten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts bei Gesamteinnahmen von etwa 1 500-
2 000 Rthl. nach Abzug aller Unkosten (Personal etc.)
einen jährlichen Reinertrag von etwa 300 bis 500 Rthl.
Sie waren also mit den Ertragszahlen seines Stamm-
sitzes der Burg Vischering in Lüdinghausen (Kr. Coes-
feld) vergleichbar.40
Leiter und Bewohner des Gutes
Ständige Bewohner der Pachthöfe als bürgerliche
Güter auf dem Lande waren die Erbpächter bzw.
Pächter. Die Herrschaft, sofern und solange sie die
Höfe besuchte und bewohnte, bildete also nur einen
zweiten mehr oder weniger umfangreichen und voll-
ständigen Haushalt auf der Hofstelle.
Die Gruppe der Hofverwalter umfasste ein weites
soziales Spektrum, das hier allerdings wegen bislang
weitgehend fehlender Vorarbeiten kaum detaillierter
behandelt werden kann. Es reicht von einem selbst-
ständig und auf seine Rechnung wirtschaftenden
Pächter über einen im Lohn stehenden Verwalter oder
Rentmeister bis zum Vorarbeiter, der unter der Leitung
des Besitzers oder seines Vertreters arbeitete.
Letzterer wird in Westfalen in der Regel als Baumeister
bezeichnet - entsprechend dem Begriff des Bauhau-
ses als Hauptgebäude des Landbaus. In Niedersachsen
war der Begriff Bauschulte gebräuchlich.41 Der Bau-
meister gehörte formal zwar zum Gesinde, stand im
Alltag aber der Herrschaft näher als dem übrigen
Gesinde.42 Die Baumeister rekrutierten sich daher im
Unterschied zu dem übrigen, in der Regel von Köttern
und Heuerlingen abstammenden Gesinde vielfach aus
Bauern- oder sogar Schultenfamilien.43 Dies kann als
Hinweis gelten, dass auch diese geringste Form der
Wirtschaftsleitung schon als eine semiprofessionelle
Tätigkeit galt und sich die Position, die im 16. Jahr-
hundert noch von einem Baumeister ausgefüllt wur-
de, bis ins 18. Jahrhundert öfter zu einem professio-
nellen Rentmeister gewandelt hatte.
Die Lebensformen, die die Familie eines örtlichen
Rentmeisters pflegte, kann daher nicht einfach mit
den Lebensformen einer Bauernfamilie gleichgesetzt
werden. Rentmeister lebten im gewissen Umfang
herrschaftlich, zumal sie als Vertreter der Eigentümer