Bauernhöfe mit Zweit- und Drittwohnungen
Pächter, Verpächter, Kapital, Landwirtschaft und Sommerfrische
richtet.'39 Auf dem nahebei befindlichen Gut Wöbbel
bestand neben dem Vorwerkhaus 1649 zusätzlich noch
das lange Hauß, Rinderhauß wie man es nennet.140
Auch im östlich anschließenden Niedersachsen wur-
den entsprechende Bauten als Vorwerk bezeichnet.141
Eines der ältesten noch erhaltenen Beispiele eines sol-
chen Bauhauses dürfte das 1533 (d) errichtete Kern-
gerüst des heutigen Haupthauses des Gutes Haus
Amelsbüren südlich von Münster sein. Zur Bauzeit des
Gebäudes befand sich das Gut im Besitz der Münste-
raner Erbmännerfamilie von Kerckerinck. Das Längs-
dielenhaus mit hohen Umfassungswänden wurde mit
14 Gebinden über einer Fläche von 31,50x1 1,95 m
errichtet.142
Obwohl nach dem Prinzip des Vierständerhallenhau-
ses ausgeführt, erhielten die Bauhäuser auf den Gü-
tern sowie den Ökonomien der Klöster statt Umfas-
sungswänden aus Fachwerk143 vielfach auch massive
Wände.144 1 555/56 ließ das Stift Langenhorst (Och-
trup/Kr. Steinfurt) ein neues Bawhuiß für insgesamt
605 Rthl. errichten, das aber wohl schon im folgen-
den Jahr wieder abbrannte.145 Nach den erhaltenen
Baurechnungen wurde es als Längsdielenhaus mit
massiven Umfassungswänden ausgeführt.146 Das
Innere umfasste neben den Ställen auch Küche,
Kammer und Knechtebühne sowie eine Häcksel-
bühne.
1632 wurde das Bauhaus von Haus Giesking bei
Dülmen (Kr. Coesfeld) mit zwei Fachwerk- und zwei
massiven Umfassungswänden errichtet. Hier erhielten
die Stallseitenschiffe auf beiden Seiten der zehn Fach
langen Diele lichte Breiten von etwa 3,40 m. An die
Diele schloss sich eine große, drei Fach tiefe (Brau-?)
Küche und ein zwei Fach tiefes Kammerfach an, das
als Pächterwohnung interpretiert wird.147 Durch Über-
lieferung der Baurechnungen gut dokumentiert sind
das 1639 auf dem nicht mehr erhaltenen Haus Balken
in Gelsenkirchen-Buer und das um 1740 auf dem
ebenfalls in Gelsenkirchen-Buer liegenden Haus
Leythe errichtete und dort bis heute erhaltene Bau-
haus.148 1802 wird das Bauhaus von Fachwerk auf der
Vorburg vom Haus Bevern (Ostbevern, Kr. Warendorf)
beschrieben: Ein Bauhaus mit daranstoßenden Back-
und Brauhaus, zusammen 16 Fach. Daneben stand
ein Pferdestall von 13 Fachen.149
II. Das Längsdielenhaus mit einer Wohnung:
Bauernhaus oder Pächterhaus?
Landwirtschaftliche Bauten mit nur einer Wohnung
machen den größten Bestand der ländlichen Architek-
tur aus, denn hierzu zählen die Bauernhäuser. Dane-
ben sind hier aber auch die Bauhäuser der großen
Betriebe zu nennen, in denen zusätzlich eine Pächter-
oder Rentmeisterwohnung untergebracht war. In Ost-
westfalen und im Weserraum werden diese Bauten
seitdem 16. Jahrhundert als „Vorwerk" bezeichnet,150
wobei der Name einer üblichen Bezeichnung für den
gesamten Betrieb entspricht und verdeutlicht, dass es
sich um den zentralen Bau einer Meierei oder einer
Domäne handelt.151
Die unterschiedliche Funktion allein aus baulichen
Befunden abzulesen, mag im Einzelfall möglich
erscheinen, erweist sich aber vor dem Hintergrund
dessen, was sich bei Analyse der konkreten Geschich-
te vieler Güter und Pachthöfe bislang für unterschied-
liche Entwicklungen zeigen lassen, zumeist doch als
gewagt. Nicht selten hat dies in der Vergangenheit zu
fehlerhaften Deutungen der Baubefunde geführt.
Hierzu sei für Westfalen auf das seit nahezu 100
Jahren in der Forschung immer wieder behandelte
Haus Rüschhaus bei Münster verwiesen,152 für
Niedersachsen auch auf das Haus Sondermühlen bei
Melle (Kr. Osnabrück). Seit vielen Jahrzehnten wird -
allerdings ohne konkreten archivalischen Beleg -
davon ausgegangen,153 dass das dort erhaltene 1576
(d) errichtete Bauhaus von Fachwerk154 mit einem
angeschlossenen massiven Kammerfach das alte
Herrenhaus des Gutsbetriebes gewesen sei.155 Aller-
dings geschah dieser Schluss ohne genauere Kenntnis
der Besitz- und Nutzungsgeschichte vor dem Hinter-
grund der lange verfolgten These, dass sich das
Bürger- und Herrenhaus aus dem Bauernhaus allein
aus dem Umstand entwickelt habe, dass das auf dem
Gut stehende Herrenhaus „erst" 1678 errichtet wor-
den sei. Zum einen wurde nicht belegt, dass dieses
Herrenhaus keinen Vorgängerbau hatte und zum
anderen wurde nicht gefragt, ob auf dem Gut zuvor
überhaupt dauernd ein herrschaftlicher Haushalt
bestand und daher ein Herrenhaus benötigt worden
wäre.156 Das Bauhaus wurde um 1800 als Administra-
torwohnung bezeichnet und weist damit auf eine
Funktion hin, die mit der Kenntnis der nunmehr be-
kannten Zusammenhänge auch für die früheren Zei-
ten möglich ist.157
III. Das Längsdielenhaus mit mehreren
Wohnungen: Pächterhaus mit Sommerwohnung
Landwirtschaftliche Bauten mit zwei Wohnungen
konnten sehr unterschiedliche Gestalt bekommen.
Standard scheint gewesen zu sein, die herrschaftliche
Wohnung möglichst entfernt vom Wirtschaftsteil ein-
zurichten und diese an die auch der Herrschaft die-
nende Küche des Bauernhauses anschließen zu las-
sen. Naheliegend war daher die Lösung, das Haus mit
einem Kammerfach zu versehen und dieses der Herr-
schaft zuzuweisen. In diesem Fall musste allerdings
der Pächter einen Wohnbereich weiter unten im Haus
erhalten, wozu nach den inzwischen vorliegenden
baulichen Befunden oft der Bereich zwischen der
Küche und dem Stall ausgebaut wurde. Offensichtlich
hatte man hierzu schon früh eine räumliche Lösung
gefunden, die sich in entsprechenden Häusern über
mehr als zwei Jahrhunderte nachweisen lässt und als
eine eigene Ausbildung der Raumstruktur des Längs-
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Pächter, Verpächter, Kapital, Landwirtschaft und Sommerfrische
richtet.'39 Auf dem nahebei befindlichen Gut Wöbbel
bestand neben dem Vorwerkhaus 1649 zusätzlich noch
das lange Hauß, Rinderhauß wie man es nennet.140
Auch im östlich anschließenden Niedersachsen wur-
den entsprechende Bauten als Vorwerk bezeichnet.141
Eines der ältesten noch erhaltenen Beispiele eines sol-
chen Bauhauses dürfte das 1533 (d) errichtete Kern-
gerüst des heutigen Haupthauses des Gutes Haus
Amelsbüren südlich von Münster sein. Zur Bauzeit des
Gebäudes befand sich das Gut im Besitz der Münste-
raner Erbmännerfamilie von Kerckerinck. Das Längs-
dielenhaus mit hohen Umfassungswänden wurde mit
14 Gebinden über einer Fläche von 31,50x1 1,95 m
errichtet.142
Obwohl nach dem Prinzip des Vierständerhallenhau-
ses ausgeführt, erhielten die Bauhäuser auf den Gü-
tern sowie den Ökonomien der Klöster statt Umfas-
sungswänden aus Fachwerk143 vielfach auch massive
Wände.144 1 555/56 ließ das Stift Langenhorst (Och-
trup/Kr. Steinfurt) ein neues Bawhuiß für insgesamt
605 Rthl. errichten, das aber wohl schon im folgen-
den Jahr wieder abbrannte.145 Nach den erhaltenen
Baurechnungen wurde es als Längsdielenhaus mit
massiven Umfassungswänden ausgeführt.146 Das
Innere umfasste neben den Ställen auch Küche,
Kammer und Knechtebühne sowie eine Häcksel-
bühne.
1632 wurde das Bauhaus von Haus Giesking bei
Dülmen (Kr. Coesfeld) mit zwei Fachwerk- und zwei
massiven Umfassungswänden errichtet. Hier erhielten
die Stallseitenschiffe auf beiden Seiten der zehn Fach
langen Diele lichte Breiten von etwa 3,40 m. An die
Diele schloss sich eine große, drei Fach tiefe (Brau-?)
Küche und ein zwei Fach tiefes Kammerfach an, das
als Pächterwohnung interpretiert wird.147 Durch Über-
lieferung der Baurechnungen gut dokumentiert sind
das 1639 auf dem nicht mehr erhaltenen Haus Balken
in Gelsenkirchen-Buer und das um 1740 auf dem
ebenfalls in Gelsenkirchen-Buer liegenden Haus
Leythe errichtete und dort bis heute erhaltene Bau-
haus.148 1802 wird das Bauhaus von Fachwerk auf der
Vorburg vom Haus Bevern (Ostbevern, Kr. Warendorf)
beschrieben: Ein Bauhaus mit daranstoßenden Back-
und Brauhaus, zusammen 16 Fach. Daneben stand
ein Pferdestall von 13 Fachen.149
II. Das Längsdielenhaus mit einer Wohnung:
Bauernhaus oder Pächterhaus?
Landwirtschaftliche Bauten mit nur einer Wohnung
machen den größten Bestand der ländlichen Architek-
tur aus, denn hierzu zählen die Bauernhäuser. Dane-
ben sind hier aber auch die Bauhäuser der großen
Betriebe zu nennen, in denen zusätzlich eine Pächter-
oder Rentmeisterwohnung untergebracht war. In Ost-
westfalen und im Weserraum werden diese Bauten
seitdem 16. Jahrhundert als „Vorwerk" bezeichnet,150
wobei der Name einer üblichen Bezeichnung für den
gesamten Betrieb entspricht und verdeutlicht, dass es
sich um den zentralen Bau einer Meierei oder einer
Domäne handelt.151
Die unterschiedliche Funktion allein aus baulichen
Befunden abzulesen, mag im Einzelfall möglich
erscheinen, erweist sich aber vor dem Hintergrund
dessen, was sich bei Analyse der konkreten Geschich-
te vieler Güter und Pachthöfe bislang für unterschied-
liche Entwicklungen zeigen lassen, zumeist doch als
gewagt. Nicht selten hat dies in der Vergangenheit zu
fehlerhaften Deutungen der Baubefunde geführt.
Hierzu sei für Westfalen auf das seit nahezu 100
Jahren in der Forschung immer wieder behandelte
Haus Rüschhaus bei Münster verwiesen,152 für
Niedersachsen auch auf das Haus Sondermühlen bei
Melle (Kr. Osnabrück). Seit vielen Jahrzehnten wird -
allerdings ohne konkreten archivalischen Beleg -
davon ausgegangen,153 dass das dort erhaltene 1576
(d) errichtete Bauhaus von Fachwerk154 mit einem
angeschlossenen massiven Kammerfach das alte
Herrenhaus des Gutsbetriebes gewesen sei.155 Aller-
dings geschah dieser Schluss ohne genauere Kenntnis
der Besitz- und Nutzungsgeschichte vor dem Hinter-
grund der lange verfolgten These, dass sich das
Bürger- und Herrenhaus aus dem Bauernhaus allein
aus dem Umstand entwickelt habe, dass das auf dem
Gut stehende Herrenhaus „erst" 1678 errichtet wor-
den sei. Zum einen wurde nicht belegt, dass dieses
Herrenhaus keinen Vorgängerbau hatte und zum
anderen wurde nicht gefragt, ob auf dem Gut zuvor
überhaupt dauernd ein herrschaftlicher Haushalt
bestand und daher ein Herrenhaus benötigt worden
wäre.156 Das Bauhaus wurde um 1800 als Administra-
torwohnung bezeichnet und weist damit auf eine
Funktion hin, die mit der Kenntnis der nunmehr be-
kannten Zusammenhänge auch für die früheren Zei-
ten möglich ist.157
III. Das Längsdielenhaus mit mehreren
Wohnungen: Pächterhaus mit Sommerwohnung
Landwirtschaftliche Bauten mit zwei Wohnungen
konnten sehr unterschiedliche Gestalt bekommen.
Standard scheint gewesen zu sein, die herrschaftliche
Wohnung möglichst entfernt vom Wirtschaftsteil ein-
zurichten und diese an die auch der Herrschaft die-
nende Küche des Bauernhauses anschließen zu las-
sen. Naheliegend war daher die Lösung, das Haus mit
einem Kammerfach zu versehen und dieses der Herr-
schaft zuzuweisen. In diesem Fall musste allerdings
der Pächter einen Wohnbereich weiter unten im Haus
erhalten, wozu nach den inzwischen vorliegenden
baulichen Befunden oft der Bereich zwischen der
Küche und dem Stall ausgebaut wurde. Offensichtlich
hatte man hierzu schon früh eine räumliche Lösung
gefunden, die sich in entsprechenden Häusern über
mehr als zwei Jahrhunderte nachweisen lässt und als
eine eigene Ausbildung der Raumstruktur des Längs-
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