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Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Kaspar, Fred [Oth.]; Gläntzer, Volker [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

DOI issue:
Landgüter von Bürgern und Beamten, Lebens- und Wirtschaftsformen
DOI article:
Kaspar, Fred; Barthold, Peter: Saalkammer und Torhaus: ein bürgerliches Pachtgut mit Sommerwohnungen aus der Zeit um 1590: Haus Milte bei Telgte (Kr. Warendorf)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0347
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Saalkammer und Torhaus.
Ein bürgerliches Pachtgut mit Sommerwohnungen aus derzeit um 1590: Haus Milte bei Telgte (Kr. Warendorf)

über den Ställen eingebaut. Im Flettbereich wurden
die Haustür und die Fenster der Nordwand erneuert.
2009 wurde der Wohnteil umfassend modernisiert,
wobei man weitgehend alle baulichen Details wie
Türen und Fenster austauschte.
Das Torhaus (von 1599)
Das massive Torhaus wurde in der südöstlichen Ecke
der Gräfteninsel errichtet, wobei es mit seiner südli-
chen Traufwand und dem östlichen Giebel entlang
der Außenkante der inneren Gräfte gestellt ist.70
Damit ist es so gestellt, dass es sich mit seiner langen
Hauptfront jedem darbot, der über die historische
Erschließung von dem südlich an dem Gut vorbeikom-
menden Münsterweg ankam.
Das großformatige Gebäude hat eine Grundfläche
von 22,60x10,85 m und wird von einer Querdurch-
fahrt bestimmt. Diese wird von Torbögen mit nach
innen aufschlagenen Fiügeltoren erschlossen, wobei
der feldseitige Torbogen in der Südfront ehemals
zusätzlich von außen mit einer vor die Wand schla-
genden hölzernen Zugbrücke über die Gräfte ver-
schlossen werden konnte (hiervon zeugen noch die
sandsteinernen Öffnungen darüber für die Laufräder
der Brückenaufhängung).
Die ursprüngliche Gestalt des Gebäudes ist aufgrund
einschneidender Um- und Erweiterungsbauten in den
Jahren 1687 und 1902 nicht mehr erhalten und auch
nicht mehr in allen Details nachvollziehbar. Josef Sche-
pers vermutete aufgrund der am östlichen Giebel in
Zweitverwendung erhaltenen hölzernen Knaggen, die
auf den dortigen sandsteinernen Konsolen ruhen,
dass das Gebäude zunächst ein nicht weiter doku-
mentiertes Obergeschoss gehabt hätte.71 Dies ist aller-
dings nicht sicher zu belegen.72 Sollte ein solches
Obergeschoss vorhanden gewesen sein, wäre es als
aus Fachwerk verzimmertes und umlaufend leicht vor-
kragendes Stockwerk zu rekonstruieren und schon
1687 abgebrochen worden.73 Eine in der Mitte des
19. Jahrhunderts entstandene Ansicht des Gebäudes
auf einem Pfeifenkopf zeigt das Gebäude eingeschos-
sig und mit umlaufenden Knaggen unter dem
Dachansatz74 (siehe Abbildung 16).
Die Umfassungswände das Gebäudes bestehen über
dem Sockel aus schollenartigem, anstehenden Bruch-
stein aus sauber gearbeiteten Backsteinmauerwerk,
wobei alle Gebäudeecken aus groben Blöcken gelben
Sandsteins gebildet und die Öffnungen mit Sandstein-
gewänden eingefasst wurden (der Sandstein stammt
wohl aus den Baumbergen). Auch die rundbogigen
Torbögen haben Sandsteingewände,75 wobei der
Scheitelstein des feldseitigen Bogens die eingeschla-
gene Datierung 1599 aufweist (daneben heute nur
noch schwach erkennbar IHS).
Über den Mauern liegt eine Lage aus stark dimensio-
nierten Eichenbalken. Hierüber erhob sich bis 1902
ein Sparrendach, wobei die beiden Giebeldreiecke

allerdings nicht massiv ausgeführt waren, sondern als
mit Bohlen beschlagene Holzkonstruktion über
Konsolen vorkragten.
Links und rechts der Durchfahrt schlossen sich zwei
jeweils eigenständige, von der Durchfahrt durch
ebenfalls aus Backstein aufgemauerte Wände abge-
trennte Bereiche an. Beide umfassen jeweils nur einen
großen Raum, sind allerdings deutlich unterschiedlich
ausgebildet. Der Auf- und Ausbau des westlichen
Bereiches ist heute nur noch aus den teilweise erhal-
tenen Umfassungswänden und den wenigen vorlie-
genden archivalischen Nachrichten zu erschließen:
Hier bestand ein ebenerdiger und daher sehr hoher,
bis unter die Dach-Balkenlage reichender Raum, der
wohl auch eine Feuerstelle besaß (sie ist im westlichen
Seitengiebel zu vermuten) und der daher wohl als
Küche diente. Im 18. Jahrhundert wurde dieser Raum
wohl nicht zuletzt wegen der Feuerstelle als Brau-
küche des Gutes genutzt, eine (zusätzliche) Nutzung,
die der Raum auch seit der Errichtung gehabt haben
kann. Der Raum war vom Hof durch eine großforma-
tige Tür mit Sandsteingewände erschlossen (der Sturz
ist erhalten). Die Ansicht des Gebäudes aus der Mitte
des 19. Jahrhunderts lässt ein Zwischengeschoss
unter dem Dach erkennen; ob es später geschaffen
wurde, ist unklar. Weitere Befunde zur Gestalt der
Küche sind nicht bekannt.
Der östliche Bereich des Torhauses ist hingegen schon
bauzeitlich unterkellert worden (hierauf weisen die
kleinen Luken mit Sandsteingewänden auf allen drei
Seiten hin). Da der mit einer Balkendecke überspann-
te Keller wegen des Wasserspiegels der Gräfte nur
halb eingetieft ist, erhielt der darüber befindliche
Wohnraum eine noch immer respektable Höhe.
Sowohl der Keller wie auch der Wohnraum darüber
haben ihren Zugang von der Durchfahrt. Der obere
Raum dürfte ehemals in der Mitte des Ostgiebels wohl
einen Wandkamin aufgewiesen haben (dieser dürfte
schon im Zuge der 1687 notwendigen Erneuerung
der Wand entfernt worden sein; seitdem ist hier nur
noch eine Wandnische erhalten), neben dem sich
zwei Kreuzstockfenster befanden. Auch an den bei-
den anderen Außenwänden gab es jeweils ein bzw.
zwei Kreuzstockfenster. Die Balkenlage über diesem
Raum wird von zwei Längsunterzügen gestützt. Sie
sind ebenso wie alle Balken der Decke sauber verar-
beitet, auf Sicht gearbeitet und an den unteren
Kanten mit einem Stabprofil versehen. Befunde zu
historischen Putzen und Farbfassungen des Raumes
konnten bislang nicht erhoben werden.
Die wenigen noch nachweisbaren baulichen Details
sprechen dafür, dass der östliche Raum als eine un-
terkellerte und repräsentativ ausgestattete Saalkam-
mer dienen sollte: Es dürfte sich daher um einen
Wohnsaal gehandelt haben, der als Sommerwohnung
der wohl in Münster lebenden Verpächter ebenso
denkbar ist wie ihre Altenteilerwohnung.

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