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Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen
dert zugewiesen hatten, lassen sich in den 1751 vor-
handenen Bauten und den hier funktional deutlich
unterscheidbaren Bereichen der Hofstelle offensicht-
lich zwei Bestandsschichten der Entwicklung erken-
nen: Zum einem gibt es charakteristische Elemente,
wie sie sich in der Regel bei einem größeren umgräf-
teten Bauernhof des Münsterlandes schon seit dem
Spätmittelalterfinden lassen. Hierzu gehört innerhalb
des mehr oder weniger rechteckig umgräfteten
Hofplatzes als Zentrum das längs aufgeschlossene
Bauernhaus, das sich hier mit seinem Wirtschafts-
giebel und der Toreinfahrt nach Westen orientiert.
Dem diesem Giebel vorgelagerten Wirtschaftshof
steht quer die 1750 errichtete Scheune, bei deren
Errichtung der westliche Teil der Gräfte schon ver-
schüttet gewesen sein muss. Nördlich des Haupthau-
ses steht - wie üblich aus Brandschutzgründen abge-
setzt - das Backhaus, offensichtlich ebenfalls im Be-
reich der ehemals hier wohl vorhandenen Gräfte. Im
Nordwesten stand an der Zufahrt ein kleines, mit
einem Dach versehenen Gebäude, das als ein Torhaus
interpretiert werden kann. Glaubt man der Darstel-
lung auf der Zeichnung, stand dieses Bauwerk an der
Außenseite der zu rekonstruierenden Gräfte.
Zum anderen gibt es Bereiche, die nicht zu den cha-
rakteristischen Elementen eines bäuerlichen Gräften-
hofes gehören: Das Bauernhaus hatte am östlichen
Giebel einen schmaleren Anbau. Er scheint nachträg-
lich errichtet worden zu sein, da auch in diesem Be-
reich die alte Gräfte schon 1752 zugeschüttet gewe-
sen sein muss. Dass dieser Anbau den Verpächtern als
Sommerwohnung diente, ist zwar nicht explizit be-
legt, ist aber - wie auch bei vergleichbaren Bauten
nachzuweisen - zu erschließen, da die in dem Bauteil
1768 vorhandene Einrichtung nicht dem Pächter des
Bauernhauses zustand, sondern der Herrschaft gehör-
te. Durch die dort verzeichneten Möbel lässt sich eine
Nutzung als herrschaftlicher Wohn- und Schlafraum
erkennen.8 Einer gleichen und hier zudem durch Quel-
len belegbaren Nutzung diente auch das umgräftete,
die Borg genannte Gebäude, das damit spätestens
seit deren Neubau im Jahre 1748 eine zweite herr-
schaftliche sommerliche Wohnung auf der Hofstelle
bot.
Südöstlich der Gräfte schloss sich ein größeres, von
einer Hecke umgebenes Gartengelände an, das süd-
lich von einem kleinen Bachlauf umgrenzt wurde. Der
nördliche Teil dieses Gartengeländes ist von dem übri-
gen, zum Haushalt des Pächters gehörenden Garten
abgetrennt und wird schon 1751 als herrschaftlicher
Garten bezeichnet.
Die Hofanlage wies also schon vor der Mitte des 18.
Jahrhunderts Bereiche auf, die deutlich einen „herr-
schaftlichen" Charakter aufwiesen und die in den seit
der Mitte des 18. Jahrhunderts vorliegenden Pacht-
verträgen stets nicht dem Hofpächter überlassen wa-
ren, sondern den Verpächtern zu ihrer Nutzung Vor-
behalten blieben. Seit wann diese besonderen Be-
reiche bestanden, ist nicht bekannt, doch ist zu ver-
muten, dass der herrschaftliche Kammer-Anbau an
das Wohnhaus aus einer anderen Zeit als die 1748/50
erneuerte Borg in der Gräfte stammte. Naheliegend
ist, dass der Hof schon vor seiner Übertragung an die
Familienstiftung im Jahre 1734 Möglichkeiten gebo-
ten hatte, den jeweiligen in Münster lebenden
Besitzern Aufenthaltsmöglichkeiten für einen Som-
meraufenthalt zu bieten. So waren beispielsweise
schon 1687 die Pächter dazu verpflichtet, den Hof-
besitzern neben 20 Hühnern sowie Mist und die halbe
Obsternte des Hofes frei Haus nach Münster zu lie-
fern. Bei den verschiedenen Ausbauten des Hofes, die
insbesondere dazu dienten, einen Aufenthalt der
Herrschaft zu ermöglichen, scheint man vor der Mitte
des 18. Jahrhunderts damit begonnen zu haben, die
umgebende Gräfte zuzuschütten (etwa durch den
Anbau einer der Herrschaft dienenden Wohnung an
das Bauernhaus).
Seit Erweiterung der Familienstiftung im Jahre 1744
war der Hof insbesondere dafür bestimmt, eine Som-
merwohnung für einen aus der Familie stammenden
Priester bereitzuhalten. Zu dem damit einsetzenden
Ausbau gehörte neben dem 1748-1750 neu errichte-
ten und die Borg genannten Gräftenhaus auch der
nordöstlich daran anschließende rechteckige Herren-
garten, der als regelmäßige Barockanlage mit vier von
geschnittenen Hecken eingefassten Beeten gestaltet
war. Die verschiedenen Generationen der die Stiftung
verwaltenden Familienmitglieder haben sich zwar mit
sehr unterschiedlicher Sorgfalt für Pflege und Erhalt
der Gesamtanlage eingesetzt, sodass es immer wieder
auch zum Verfall kam und nicht zuletzt deswegen
später verschiedene Bauten innerhalb der Anlage er-
neuert werden mussten,9 doch blieben die spätestens
seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bestehenden
Strukturen der Hofanlage bis 1930 (als man nach
Brand ein neues Haupthaus in anderer Lage errichte-
te) weitgehend unverändert.
Die Borg
Südöstlich des durch den Pächter des Hofes genutz-
ten großen Bauernhauses befand sich schon vor 1744
ein umgräftetes Gebäude, das als Borg bezeichnet
wurde. Die Bezeichnung erhielt das Gebäude wohl,
weil es in seiner Form einem Gräftenspeicher ähnelte
(es ersetzte möglicherweise einem hier zuvor stehen-
den Gräftenspeicher des Hofes). Eine entsprechende
Nutzung von Bauten mit der Bezeichnung Borg ist seit
dem 15. Jahrhundert auch bei anderen vergleichbaren
Pachthöfen mit Sommerwohnungen im Umkreis von
Münster belegt.10
1744 wurde im Zusammenhang mit der Erweiterung
der Familienstiftung geregelt, dass dem Nutznießer
aus den Einkünften der Stiftung auch die Nutzung der
Borg auf dem Gut Hof Kurze Rumphorst und weitere
Landgüter von Bürgern und Beamten - Lebens- und Wirtschaftsformen
dert zugewiesen hatten, lassen sich in den 1751 vor-
handenen Bauten und den hier funktional deutlich
unterscheidbaren Bereichen der Hofstelle offensicht-
lich zwei Bestandsschichten der Entwicklung erken-
nen: Zum einem gibt es charakteristische Elemente,
wie sie sich in der Regel bei einem größeren umgräf-
teten Bauernhof des Münsterlandes schon seit dem
Spätmittelalterfinden lassen. Hierzu gehört innerhalb
des mehr oder weniger rechteckig umgräfteten
Hofplatzes als Zentrum das längs aufgeschlossene
Bauernhaus, das sich hier mit seinem Wirtschafts-
giebel und der Toreinfahrt nach Westen orientiert.
Dem diesem Giebel vorgelagerten Wirtschaftshof
steht quer die 1750 errichtete Scheune, bei deren
Errichtung der westliche Teil der Gräfte schon ver-
schüttet gewesen sein muss. Nördlich des Haupthau-
ses steht - wie üblich aus Brandschutzgründen abge-
setzt - das Backhaus, offensichtlich ebenfalls im Be-
reich der ehemals hier wohl vorhandenen Gräfte. Im
Nordwesten stand an der Zufahrt ein kleines, mit
einem Dach versehenen Gebäude, das als ein Torhaus
interpretiert werden kann. Glaubt man der Darstel-
lung auf der Zeichnung, stand dieses Bauwerk an der
Außenseite der zu rekonstruierenden Gräfte.
Zum anderen gibt es Bereiche, die nicht zu den cha-
rakteristischen Elementen eines bäuerlichen Gräften-
hofes gehören: Das Bauernhaus hatte am östlichen
Giebel einen schmaleren Anbau. Er scheint nachträg-
lich errichtet worden zu sein, da auch in diesem Be-
reich die alte Gräfte schon 1752 zugeschüttet gewe-
sen sein muss. Dass dieser Anbau den Verpächtern als
Sommerwohnung diente, ist zwar nicht explizit be-
legt, ist aber - wie auch bei vergleichbaren Bauten
nachzuweisen - zu erschließen, da die in dem Bauteil
1768 vorhandene Einrichtung nicht dem Pächter des
Bauernhauses zustand, sondern der Herrschaft gehör-
te. Durch die dort verzeichneten Möbel lässt sich eine
Nutzung als herrschaftlicher Wohn- und Schlafraum
erkennen.8 Einer gleichen und hier zudem durch Quel-
len belegbaren Nutzung diente auch das umgräftete,
die Borg genannte Gebäude, das damit spätestens
seit deren Neubau im Jahre 1748 eine zweite herr-
schaftliche sommerliche Wohnung auf der Hofstelle
bot.
Südöstlich der Gräfte schloss sich ein größeres, von
einer Hecke umgebenes Gartengelände an, das süd-
lich von einem kleinen Bachlauf umgrenzt wurde. Der
nördliche Teil dieses Gartengeländes ist von dem übri-
gen, zum Haushalt des Pächters gehörenden Garten
abgetrennt und wird schon 1751 als herrschaftlicher
Garten bezeichnet.
Die Hofanlage wies also schon vor der Mitte des 18.
Jahrhunderts Bereiche auf, die deutlich einen „herr-
schaftlichen" Charakter aufwiesen und die in den seit
der Mitte des 18. Jahrhunderts vorliegenden Pacht-
verträgen stets nicht dem Hofpächter überlassen wa-
ren, sondern den Verpächtern zu ihrer Nutzung Vor-
behalten blieben. Seit wann diese besonderen Be-
reiche bestanden, ist nicht bekannt, doch ist zu ver-
muten, dass der herrschaftliche Kammer-Anbau an
das Wohnhaus aus einer anderen Zeit als die 1748/50
erneuerte Borg in der Gräfte stammte. Naheliegend
ist, dass der Hof schon vor seiner Übertragung an die
Familienstiftung im Jahre 1734 Möglichkeiten gebo-
ten hatte, den jeweiligen in Münster lebenden
Besitzern Aufenthaltsmöglichkeiten für einen Som-
meraufenthalt zu bieten. So waren beispielsweise
schon 1687 die Pächter dazu verpflichtet, den Hof-
besitzern neben 20 Hühnern sowie Mist und die halbe
Obsternte des Hofes frei Haus nach Münster zu lie-
fern. Bei den verschiedenen Ausbauten des Hofes, die
insbesondere dazu dienten, einen Aufenthalt der
Herrschaft zu ermöglichen, scheint man vor der Mitte
des 18. Jahrhunderts damit begonnen zu haben, die
umgebende Gräfte zuzuschütten (etwa durch den
Anbau einer der Herrschaft dienenden Wohnung an
das Bauernhaus).
Seit Erweiterung der Familienstiftung im Jahre 1744
war der Hof insbesondere dafür bestimmt, eine Som-
merwohnung für einen aus der Familie stammenden
Priester bereitzuhalten. Zu dem damit einsetzenden
Ausbau gehörte neben dem 1748-1750 neu errichte-
ten und die Borg genannten Gräftenhaus auch der
nordöstlich daran anschließende rechteckige Herren-
garten, der als regelmäßige Barockanlage mit vier von
geschnittenen Hecken eingefassten Beeten gestaltet
war. Die verschiedenen Generationen der die Stiftung
verwaltenden Familienmitglieder haben sich zwar mit
sehr unterschiedlicher Sorgfalt für Pflege und Erhalt
der Gesamtanlage eingesetzt, sodass es immer wieder
auch zum Verfall kam und nicht zuletzt deswegen
später verschiedene Bauten innerhalb der Anlage er-
neuert werden mussten,9 doch blieben die spätestens
seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bestehenden
Strukturen der Hofanlage bis 1930 (als man nach
Brand ein neues Haupthaus in anderer Lage errichte-
te) weitgehend unverändert.
Die Borg
Südöstlich des durch den Pächter des Hofes genutz-
ten großen Bauernhauses befand sich schon vor 1744
ein umgräftetes Gebäude, das als Borg bezeichnet
wurde. Die Bezeichnung erhielt das Gebäude wohl,
weil es in seiner Form einem Gräftenspeicher ähnelte
(es ersetzte möglicherweise einem hier zuvor stehen-
den Gräftenspeicher des Hofes). Eine entsprechende
Nutzung von Bauten mit der Bezeichnung Borg ist seit
dem 15. Jahrhundert auch bei anderen vergleichbaren
Pachthöfen mit Sommerwohnungen im Umkreis von
Münster belegt.10
1744 wurde im Zusammenhang mit der Erweiterung
der Familienstiftung geregelt, dass dem Nutznießer
aus den Einkünften der Stiftung auch die Nutzung der
Borg auf dem Gut Hof Kurze Rumphorst und weitere