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Winghart, Stefan [Editor]; Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege [Editor]; Institut für Denkmalpflege [Editor]; Kaspar, Fred [Oth.]; Gläntzer, Volker [Oth.]
Arbeitshefte zur Denkmalpflege in Niedersachsen: Güter, Pachthöfe und Sommersitze: Wohnen, Produktion und Freizeit zwischen Stadt und Land ; [... 23. Jahrestagung der nordwestdeutschen Hausforscher im März 2011 ...] — Hameln: Niemeyer, Heft 43.2014

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Landgüter von Bürgern und Beamten, Lebens- und Wirtschaftsformen
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Sandmann, Laurenz: Wohnen in der Feldmark: vom Familienleben eines Regimentskommandanten auf dem Land um 1780 : das Gut Tönneburg bei Warendorf (Kr. Warendorf)
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https://doi.org/10.11588/diglit.51273#0437
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Wohnen in der Feldmark-Vom Familienleben eines Regimentskommandanten auf dem Land um 1780
Das Gut Tönneburg bei Warendorf (Kr. Warendorf)

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kamen Besucher und stürmten die Kuchentafel, tran-
ken Kaffee oder spielten Schach und Karten. In der
Gästeliste finden sich alle Namen der gehobenen
Warendorfer Gesellschaft und benachbarter Ort-
schaften.14
Das Familienleben änderte sich mit den wachsenden
Erfolgen der französischen Freiheitskämpfer. Weil die
Fürstbischöfe in Münster ihre Positionen gefährdet
sahen, kam es zur Dämpfung des Aufruhrs auch zu
militärischen Handlungen: Am 21. Oktober 1789
wurde der Oberst über einen bevorstehenden Krieg in
Kenntnis gesetzt. Am 17. November marschierte Wil-
helm Xaver von Tönnemann mit seinem Regiment
nach Münster. Bis dahin hatte ihn seine Familie beglei-
tet und dann verabschiedet. Drei Tage später zogen
die beiden Regimenter aus Münster und Warendorf
gemeinsam mit 15 Kistwagen, 6 Munitionswagen
und 6 Kanonen Richtung Lüttich. Erst Ende August
1791 kam das Regiment nach Warendorf zurück.
In der Abwesenheit des Familienoberhauptes blieb
der Lehrer auf der Tönneburg und kümmerte sich um
die Bildung und die Erziehung der Kinder. Der Vater
verließ sich nicht auf die Post, sondern entsandte
Boten, die Nachrichten und Geschenke an die Familie
direkt weiterleiteten. Ab 1791 wurden die älteren
Kinder in die Stadt zum Studieren geschickt.15
Mit dem Ende der täglichen Notizen von Christoph
Tönnemann enden 1790 auch die Überlieferungen
mit den Einblicken in das Leben in der Familie Tönne-
mann.
Am Ende der fürstbischöflichen Zeit war das
Münstersche Heer weitgehend überaltert. Beim
Einmarsch der Preußen im August 1802 wurde kein

Widerstand geleistet. Nur geringe Teile des Offiziers-
corps und der Truppen sind später von den Preußen
übernommen worden. So auch Franz Xaver von
Tönnemann.
In der zwischenzeitlichen Franzosenzeit von 1807-
1813 war der Sohn und Tagebuchschreiber Christoph
Tönnenmann zum Bürgermeister der Stadt Warendorf
ernannt worden. Auch dessen Bruder Karl bekleidete
zu dieser Zeit ein städtisches Amt. Gemeinsam mit
einigen Mitgliedern der städtischen Oberschicht grün-
deten sie im Jahr 1810 die Bürgergesellschaft „Har-
monie". Der Herrenclub, der 1811 ein Clubhaus an
der Münsterstraße errichtete und 1846 einen stattli-
chen Saal hinzufügte, besteht noch heute.
Nach 1830/40 kam die Tönneburg in verschiedene
andere Hände, es wurde mit wenig Erfolg versucht,
hier eine Brennerei und eine Stärkefabrikation zu
betreiben. 1887 brannte das Haus ab, das Grundstück
wurde verkauft und von dem neuen Besitzer
Linnemann aus Ahlen neu bebaut. Der neue Hausherr
richtete dort eine Kaffeewirtschaft ein, in deren
Nachfolge man heute Pizza und Pasta genießen kann.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Major
Tönnemann zwar auf dem Land wohnte und durch
seine Angestellten eine Landwirtschaft betrieb, er
selbst mit seiner Frau und den Kindern aber weiter am
städtischen Leben teilnahm. Er ermöglichte seinem
Nachwuchs ein freies ungebundenes Leben mit Tieren
in der Natur. Er verband die Erziehung der Kinder mit
einem hohen Anspruch auf Bildung und pflegte mit
ihnen städtische Kontakte. Das gesellschaftliche Le-
ben in der Stadt holte er sich mit seiner Gastfreund-
schaft in das Landhaus.

4 Das barocke Landhaus „Tönneburg" brannte im Jahre 1887 ab. Das danach als Gasthaus neu errichtete Fachwerkhaus prä-
sentiert sich heute mit zahlreichen Anbauten (Sandmann 2010).
 
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