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Der Sieg des Marmors

haben, die sich zu der Formel «König
Kroisos hat gestiftet» ergänzen lassen
(Abb. 48). Diese sind ein schöner Beleg
für den Bericht bei Herodot (I 92 - vgl.
S. 79), daß die meisten der Säulen des
Artemisions von Kroisos gestiftet wur-
den. Andere Inschriftenreste geben eben-
diese Weihinschrift auch in lydischen
Buchstaben wieder (Abb. 49).

Marmor verwendete man aber nur für
den Aufbau der Gebäude bzw. ihre sicht-
baren Teile, nicht dagegen für die Funda-
mente, mit der Ausnahme, daß man Teile
des Marmoraufbaues eines Gebäudes
nach seiner Zerstörung in die Funda-
mente anderer Bauten verlegt. So finden
sich z.B. Marmordachziegel (Abb. 46)
des Hekatompedos (?) in den Fundamen-
ten des archaischen Tempels; unfertige
Säulentrommeln des Kroisostempels ge-
langten in die Fundamentierung des Altar-
hofpflasters. Die verschiedensten archai-
schen Marmorspolien kamen in die Fun-
damente des spätklassischen Tempels
(Abb. 97); viele weitere archaische Spo-
lien, insbesondere Plastik, fanden sich in
den Pfeilern der frühchristlichen Kirche

49

6. Jhs. v. Chr., kann man aber wirklich
von einem Sieg des Geistes über die
Materie sprechen. Außer dem Tempel des
6. Jhs. v. Chr. sind folgende Gebäude aus
Marmor errichtet: der Tempel des 4. Jhs.
v. Chr., der Hofaltar in allen seinen Bau-
phasen, die späthellenistisch-frührömi-
schen Bauten an der Nordseite des

Artemisionareals. Der Altar wird unten
(S. 65 ff.) besprochen.

Um 560 v. Chr. wird mit dem Bau
eines Marmortempels begonnen, der in
der Literatur meist «Kroisostempel» ge-
nannt wird, weil sich Inschriftenreste in
griechischen Buchstaben auf den Profil-
wülsten (Tori) der Säulenbasen erhalten

(Abb. 50).

Der Bau des archaischen Dipteros ist
ein Markstein für die griechische Archi-
tekturgeschichte. Für die Gewinnung von
großen Kalkstein- und Marmorquadern
waren nicht nur viele Handwerker, son-
dern auch Geräte für den Steintransport
notwendig. Das für den Bau des archai-
schen Tempels verwendete Material
stammt vorwiegend aus dem Steinbruch
von Belevi, der in Richtung Izmir im
Landesinneren liegt. Derartig große
Steinblöcke hatte man nie zuvor trans-
portiert, und so erzielten die technischen
Neuerungen, die hier zum Einsatz
kamen, große Bewunderung (Abb. 54).

Kurz zuvor hatte man zwar auch mit
dem Bau des Apollontempels von
Didyma begonnen, der ephesische Tem-
pel sollte aber - nach den Vorstellungen
seiner Erbauer - noch größer werden.
Auch auf Samos hatte man einige Jahre
zuvor mit dem Bau eines riesigen Tem-
pels, des sog. Rhoikostempels, angefan-
gen; dieser war aber nicht aus Marmor
errichtet. Alle drei Tempel waren Dipte-
roi, wiesen also eine doppelte Ringhalle
auf. In der antiken Literatur ist der ephe-
sische Tempel der berühmteste und am
häufigsten diskutierte.

Seine Grundrißmaße betragen 60 X
103 m. Leider ist so wenig von ihm erhal-
ten geblieben, daß es schwerfällt, die
überragende architektonische Bedeutung
dieses Bauwerkes richtig zu würdigen.
Nur ein Besuch des hellenistischen Apol-
lontempels von Didyma oder des Artemis-
 
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