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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 3.1923

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Baldass, Ludwig: Zum Werke des Leonhard Kern
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https://doi.org/10.11588/diglit.52317#0026

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ZUM WERKE DES LEONHARD
KERN
LUDWIG BÄLDASS
ber Leonhard Kern als Kleinplastiker sind wir dank einer Anzahl si-
gnierter Werke und dank der Forschungen Christian Scherers1 besser
unterrichtet als über irgendeinen anderen deutschen Bildhauer der
ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wir besitzen von seiner Hand neben
monumentalen Werken vor allem Statuetten sowohl aus Holz wie aus Elfen-
bein, die mit seinem Monogramm versehen sind. Entwicklungsgeschichtlich
ist er als Meister des Überganges vom Manierismus zum Barock wichtig.
Wer die deutsche Kleinplastik und Goldschmiedekunst der ersten Jahrzehnte
des 17. Jahrhunderts einigermaßen kennt, weiß, wieviel länger hier wie
in Italien und den Niederlanden der internationale Stil des Manierismus, der
gegen Ende des 16. Jahrhunderts in ähnlicher Weise nationale Unterschiede
der Kunstauffassung nivelliert hat, wie zwei Jahrhunderte vorher der Ein-
fluß der sienesischen Malerei und zwei Jahrhunderte später der Klassizismus,
Geltung behielt. So zeigen die 1617 von Kern gearbeiteten Portalfiguren des
Nürnberger Rathauses noch vollkommen die Tendenzen des Manierismus,
und es ist bezeichnend, daß der berühmte Goldschmied Christoph Jannitzer,
der ein reiner Manierist war, ihm diesen Auftrag verschafft hat. In den Klein-
plastiken des Künstlers aber macht sich zuerst schwächer, aber dann immer
stärker ein Zug geltend, der dem Stilempfinden des absterbenden Manieris-
mus entgegengesetzt ist und vielmehr deutlich den Geist des 17. Jahrhunderts
atmet, das ist der starke Naturalismus in der Behandlung der Form, der auch vor
Häßlichkeiten nicht zurückschreckt. Wenn wir in einigen Figuren Kerns, z. B. den
Elfenbeinstatuetten von Adam und Eva in Berlin, noch ein Nachklingen der
gedrechselten Bewegung der Gianbologna-Schule beobachten können, zeigen
andere eine wuchtige Geschlossenheit der Form, die ganz dem Barock an-
gehört. Eine frühe Reise des Künstlers nach Italien, als dem Lande der Sehn-
sucht jener Kunstanschauung, der er entsprossen ist, ist beglaubigt2. Seine
reifen Werke aber finden vor allem in den Niederlanden Parallelen. Mit Recht
hat Scherer auf „seine nahe Berührung mit der niederländischen und insbe-
sondere mit der Rubensschen Kunst“ hingewiesen. Scherer hat diese Berüh-
rung, wie sie vor allem in der größeren Eva in Braunschweig (Tafel 6, a) klar
zutage tritt, mit dem Berliner Aufenthalt Kerns, der aber erst für das Jahr 1648
für den damals sechzigjährigen Künstler beglaubigt ist, in Zusammenhang
gebracht. Damit müßten jene Werke Kerns, die deutlich einen niederländi-
schen Einschlag zeigen, also außer der Braunschweiger Figur vor allem der
1 „Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen“ XXXVII, 1916, S. 302 ff.
2 Vgl. Klemm, „Würtembergische Baumeister und Bildhauer bis zum Jahre 1750“.

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