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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 3.1923

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Frohlich-Bume, Lili: Ein unbekanntes Bild von Primaticcio
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https://doi.org/10.11588/diglit.52317#0423

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EIN UNBEKANNTES BILD VON
PRIMATICCIO
L1LI FRÖHLICH-BUM
Der Anspruch auf Publikation eines einzelnen Bildes wird berechtigt,
wenn die Qualität eines Werkes so stark ist, daß das Bild schon um
ihretwillen Interesse erregt. Auch dem gut bekannten und gründlich
gesicherten Oeuvre eines Meisters fügt man gerne ein neues Stück hinzu,
ob es nun die feststehende Meinung über den Autor noch erweitern oder
sie nur neuerdings bestätigen kann. Findet sich aber ein Werk von guten
künstlerischen Eigenschaften, dessen Zugehörigkeit zu einer berühmten,
durch unglückliche Ereignisse in ihren Werken aber sehr dezimierten Schule
sich nachweisen läßt, so wird man um so lieber an die Veröffentlichung
herangehen. Diese beiden Bedingungen treffen für ein Bild aus Wiener Privat-
besitz zu, das hiemit vorgelegt wird. (Tafel 1. Holz, 0'99 X T25 m).
Venus, halbsitzend auf ein schwellendes, blumenbestreutes Ruhebett gelagert,
hält den kleinen Amor an ihre Brust gedrückt, vier Dienerinnen bringen
geschäftig große Prunkgefäße und eine flache Schale heran. Der Raum der
Szene ist kaum angedeutet, den Hintergrund bildet ein neutrales Schwarz,
nur am Rande rechts durch einen grünen, goldbordierten Vorhang etwas
belebt. Die Figuren in ihren überlangen Proportionen und vollen Körperformen,
mit auffallend kleinen Köpfen, mit schmalen Gelenken und zart gebildeten
Händen und Füßen atmen eine unendlich feine stilgewordene Grazie. — Die
Komposition des Bildes zeigt eine gewisse Flüchtigkeit. Die Dienerin rechts
erscheint in Kopf und Brüsten fast als Parallelfigur zur Venus, die mittlere
Gruppe von zwei Dienerinnen steht unklar im Raum, die Kopfhaltung der
dem schwarzen Hintergrund zugewandten Magd zur Linken ist im Motiv un-
verständlich. Die Figuren sind nicht kompositionell angeordnet, sie erscheinen
eher wie rhythmisch verteilte helle, auf den dunklen Grund projizierte Gebilde.
Von höchster künstlerischer Feinheit ist die Ausführung des Beiwerkes: die
mit Edelsteindiademen und Blumen kunstvoll coiffürten Locken, die Email-
gefäße in mehreren Farben mit Reliefdekor, das Kissen mit Perlstickerei
und die Blumen, die über das Tuch des Ruhebettes etwas preziös ausgestreut
sind. Die Erhaltung des Bildes ist im ganzen sehr gut; es wurde vor einigen
Jahren gereinigt und dabei einige unvermeidliche Retouchen angebracht. Das
helle Kolorit ist vornehm abgedämpft, die Farben glühen nicht, sind aber von
harmonischer Wärme. Die Gewänder sind hellbraun, mattgrün, ein kleines
Stück lebhaft hellrot (das Gewand der dritten Magd von links), das der letzten
rechts ist mattrot und gelb; das Kissen und die Decke licht blau-grau.

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