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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 3.1923

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Kiesler, Franz: Zur Geschichte der gotischen Plastik in Österreich, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.52317#0323

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ZUR GESCHICHTE
DER GOTISCHEN PLASTIK
IN ÖSTERREICH

FRANZ KIESLINGER
Einleitung
Die Geschichte der gotischen Plastik beginnt in Österreich mit dem Grab-
mal Friedrichs, des letzten Manneserben aus dem einst glanzvollen
Hause Babenberg. Spärlich und spät blühen aus dem zertretenen Boden
unserer Lande die Blüten der neuen Kunst. Die Geschichte gab Friedrich den
Beinamen des Streitbaren, und kein anderer Name dünkt mich den Geist jener
unruhig heillos verworrenen Zeit besser zu kennzeichnen, der man zum Ge-
leite die Elegie dos zum Greise gewordenen Minnesängers voransetzen könnte:
Owe war sint verswunden alliu miniu jär? Die Stilgeschichte folgt in einem
Abstand, der, an den Durchschnittsleistungen des Rheins gemessen, oft mehr
als ein Mannesalter beträgt, dem lehrmeisterlichen Westen weit nachhinkend.
Man denke, Deutschlands größte bildnerische Tat, mit der es kühnlich
auch das beste Bildwerk des Mittelalters in die Schranken fordern darf, die
Bamberger-Figuren, stehen bereits seit einem Menschenalter, und die Propheten-
figuren des Dreikönigschreins haben sich schon fast ein halbes Jahrhundert
den staunenden Beschauern gezeigt. Die zweite, dritte und letzte Generation
des 13. Säkulums bieten in Österreich kaum etwas, das über die bescheidenen,
wenn auch hie und da liebenswürdigen Erzeugnisse lokaler Kunstübung
hinausreicht, trotzdem einer der bedeutendsten und eigenwilligsten deutschen
Künstler hart an der Grenze des Jahrhunderts seine wenigen Werke im nicht
allzufernen Regensburg und Prüfening schuf. Ins volle Licht der Geschichte
tritt die österreichische Plastik erst im 14. Jahrhundert, dem sie eine Fülle
Denkmale verdankt, wie sie erst wieder mit dem Ende der bilderreichen Spät-
gotik in gleicher Anzahl, doch nicht in gleicher Durchschnittsleistung er-
wächst. Die Zeit hat den einst reichen Wald plastisch bildlicher Kunst arg
gelichtet und der Chronist stellt mit Bedauern fest, daß in vielen Fällen das
Wichtigste vor kaum 200 Jahren noch bestand und erst dann mutwillig ver-
nichtet wurde. Wohin sind sie alle gekommen, die frühen gotischen Altäre,
von deren Bestehen uns Urkunden melden, wohin kamen jene im 18. Jahr-
hundert noch gänzlich erhaltenen Prunkgrabmale bei den Wiener Minoriten
und in Melk? Die vereinzelten Stücke der ersten Periode, das heißt bis zum
Jahre 1300, weigern oft hartnäckig die Auskunft nach ihrem Herkommen und
wir greifen oft zu recht vieldeutigen Mitteln, um darüber einige Vermutung
aufzubauen. Am Ende des 14. Jahrhunderts wendet sich das Blatt und wir
müssen der Vielzahl der besseren Stücke erst den Beweis ihres österreichi-

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