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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 3.1923

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Tietze-Conrat, Erica: Das österreichische Barockmuseum in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.52317#0348

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DAS ÖSTERREICHISCHE
BAROCKMUSEUM IN WIEN
E. TIETZE-CONRAT
Der Barockstil hat für Österreich eine ganz besondere Bedeutung; er
ist die Kunst der Periode des nationalen Aufschwunges dieses Staates,
der damals aus siegreichen Kriegen gegen Ost und West als ein
politisch und kulturell einheitliches Ganzes hervorging. Wer nach Österreich
kommt, wird dieser Bedeutung des Barockstiles gewahr; in Wien und an
anderen Orten bestimmen die Paläste und Kirchen dieser Zeit den Eindruck
der Städte, und rings im Lande ragen stolze Klöster, die die monumentale
Kraft dieser einst vielverlästerten Epoche verkünden. Die architektonischen
Zeugnisse dieses nationalen Stiles, in dem die eigentümlichste Begabung
eines sinnenfrohen Volkes sich verkörpert, nehmen den Fremden von der
Grenze des Landes bis zu seiner Hauptstadt gefangen; die Leistungen auf
dem Gebiete der Malerei und Bildhauerei zu würdigen, war bisher unmöglich,
da sie, da und dort zerstreut, nirgends zu einer gemeinsamen Wirkung zu-
sammengefaßt waren.
Diese Stätte will das Barockmuseum bieten. Es will zeigen, daß die öster-
reichische Kunst des späten 17. und des 18. Jahrhunderts nicht eine lediglich
lokale Erscheinung ist, sondern daß sie, gerade weil sie die spezifisch öster-
reichische Kunstbegabung zur höchsten Reinheit und Kraft entwickelt, eben-
bürtig neben den Glanzzeiten anderer Nationen bestehen kann. Das Barock-
museum will also mehr sein als eine bloße Ansammlung mehr oder weniger
interessanter Objekte, die bisher in verschiedenen Museen nicht genügend zur
Geltung kamen, es will eine vergessene Kunst- und Kulturepoche wieder in ihre
Rechte einsetzen und durch dieses Zeigen einer glorreichen Vergangenheit
die Kraft zur Zukunft stärken. Sein letztes Ziel ist also kein ästhetisches,
aber die Mittel, es zu erreichen, sind es, denn das Museum stellt auch künstlerisch
einen neuen Typus dar; es ist nicht in erster Linie wissenschaftlich, wie die
meisten Museen des 19. Jahrhunderts, es ist nicht eine Wiederherstellung
alter Interieurs, wie es in manchem Schloßmuseum unternommen worden
ist, es ist ein Versuch, die höchsten Qualitäten einer vergangenen Kunst
durch künstlerische Darstellung zu neuer, lebendiger Wirkung zu bringen.
Der Besucher soll nicht das Gefühl haben, in einem Aluseum, aber auch
nicht in einem bestimmten Barockschloß zu sein; er soll dem Zauber einer
aufs Höchste gesteigerten künstlerischen Einheit unterliegen.
Den unvergleichlich günstigen Rahmen für einen solchen Versuch bot das
Untere Belvedereschloß, das Johann Lukas von Hildebrandt, mit Fischer
von Erlach der größte Architekt des österreichischen Barocks, 1715/16 für den

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