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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 3.1923

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Suida, Wilhelm: Meisterwerke italienischer Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.52317#0165

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MEISTERWERKE
ITALIENISCHER MALEREI
WILHELM SUIDA

II. DER HEILIGE MICHAEL VON GUARIENTO

Unter den im Verhältnis zu Toskana spärlichen Künstlerpersönlichkeiten,
die wir aus dem Trecento in Oberitalien kennen, ist Guariento di
Arpo, als dessen Heimat die Tradition teils Padua, teils Verona an-
gibt, eine der am klarsten umschriebenen. Am 9. Juli 1338 lebte er als selb-
ständiger Meister in Padua, sein Vater war nicht mehr am Leben. Bis 1364
kommt sein Name mehrfach in den Dokumenten in Padua vor. Dann wurde
er nach Venedig berufen, wo er unter der Regierung des Dogen Marco Cor-
naro (1365 bis 1368) Wandmalereien in der Sala del maggior consiglio des
Dogenpalastes ausführte. Von ihnen blieb unter der schützenden Decke des
kolossalen Paradieses Tintorettos die Marienkrönung Guarientos in ihren
Hauptpartien erhalten, die 1903 wiederentdeckt und, auf Leinwand übertragen,
in einem Nebenraum aufgestellt worden ist. Zwischen 1368 und 22. September
1370 ist der Künstler gestorben und wurde in S. Bernardino zu Padua be-
graben. „Guarientus pinxit“ signiert, aber nicht datiert, ist das Kruzifix im
Museum zu Bassano. Für weitere Zuschreibungen ist Marc Antonio Michiel,
(der Anonymus des Morelli), die älteste Quelle: die teilweise bis zur Ent-
stellung übermalten Chorfresken in der Kirche der Eremitani zu Padua, der
ebenda verwahrte Freskenrest aus S. Agostino, die zahlreichen Tafeln der
zerstörten Kapelle des Palazzo del Capitanio im Museum zu Padua und in
Privatbesitz1.
Den genannten Werken reiht sich überzeugend ein Tafelbild des heiligen
Michael in Wiener Privatbesitz an2. In Tempera auf Pappelholz gemalt, Höhe
73 cm, Breite 48 cm, zeigt es den Erzengel in langem, weißem, die Füße
überdeckendem Gewand, über dem eine ebenfalls weiße, am Halsausschnitt,
seitlichem und unterem Rande mit breiten Goldborten benähte Tunika liegt.
In der linken Hand hält der Erzengel die Wage, auf deren beiden Schalen
sich kleine Seelen befinden. Die eine derselben sucht ein kleiner, schwarzer,
gehörnter Teufel herabzuzerren, den Michael mit der von der Rechten ge-
führten Lanze ab wehrt. Der Farbeneindruck, der durch das weiße Gewand,
die breiten Borten und den Nimbus von Gold, die roten Flügel und den
schwarzen Hintergrund bedingt wird, ist dem der Engelgruppen des Museums
1 Daten und ältere Literatur bei G. Fiocco in Thieme-Becker, „Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler“,
Bd. XV, 1922. Dazu vergleiche man J. Schlosser, Oberitalienische Trecentisten, Leipzig, Seemann 1922 (in
Tietzes „Bibliothek der Kunstgeschichte“, Bd. VI).
2 Die Zuschreibung ist von mehreren Fachgenossen, so von Conte Carlo Gamba und H. O. Giglioli, bestätigt
worden.

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