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Belvedere: Monatsschrift für Sammler und Kunstfreunde — 3.1923

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Suida, Wilhelm: Meisterwerke italienischer Malerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.52317#0166

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von Padua sehr ähnlich. Dort finden wir auch gleiche Tracht, gleiches Stirn-
diadem, gleiche Flügel, gleichen Nimbus, auch der schwarze Hintergrund an
Stelle des sonst im Trecento allgemein gebräuchlichen goldenen ist gemein-
same Eigentümlichkeit der Wiener Tafel und der in Padua befindlichen Serie1.
Runde Köpfe, große Augen mit weißen Augenwinkeln, gerade Nase, kleiner
Mund; weiche Faltenzüge, die mehr durch den fein empfundenen Reiz des
Spieles von Licht und Schatten oder größere Flächen teilende helle Linien
bedingt erscheinen, als durch das Bestreben, Körperstruktur und plastische
Form zu verdeutlichen. So fließen an dem verspotteten Christus (Eremitani)
die Faltenzüge des weiten Mantels unaufhaltsam, Strömen von Tränen ver-
gleichbar, herab; so ist das schleierartig dünne Lendentuch des Crucifixus
mit schrägen, lichten Faltenkämmen über die Oberschenkel gezogen.
Es besteht ein sehr deutlich fühlbarer Unterschied, fast könnte man sagen
Gegensatz, in der Grundauffassung einerseits in Giottos und der Florentiner
plastisch wuchtigen Werken, anderseits in Guarientos Bildern. Weder Giottos
noch der Byzantiner Werke bieten eine völlig überzeugende Vorstufe zu
Guariento. Es braucht gar nicht gesagt zu werden, daß Giottos nach Angabe
des Marc Anton Michiel 1303 gemalter Freskenzyklus im Langhause von
S. Maria dell’Arena als das persönlich gewaltigste Werk der Malerei des
14. Jahrhunderts in Padua auf jeden Jünger dieser Kunst den tiefsten Ein-
druck hervorbringen mußte. Werke eigentlicher Nachfolger Giottos in Padua
suchen wir aber vergebens. Dagegen steht in dem doch höchstwahrscheinlich
mit Giottos Fresken ungefähr gleichzeitigen Zyklus aus dem Marienleben im
Chor der Arenakapelle ein Werk vor aller Augen, dessen menschliche Be-
deutung zwar neben dem übermächtigen Giotto verblaßt, dessen Eigenart
und Selbständigkeit aber vielleicht um so mehr auffallen. Schon vor Jahren2
habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß noch Freskenreste in den Leibungs-
bögen zweier Kapellen des Santo auf denselben Künstler zurückgehen, und
G. Graf Vitzthum hat mit vollem Rechte den Zyklus des Marienlebens der
räumlich weit ausgedehnten, das weite Land vom Süden der Mark Ancona
bis in die venezianische Terraferma beherrschenden Schule der Romagna
zugeschrieben3. Wenn man im allgemeinen immer nur von der Schule Giottos
in der Romagna spricht, so halte ich dies für voreilig; denn es bleibt einer
gründlichen Untersuchung vorbehalten, festzustellen, ob überhaupt und in
welchem Grad ein solches Schulverhältnis der romagnolischen Künstler bei
Giotto angenommen werden darf.
Aus dem breiten Strome der untereinander eng verknüpften Werke der
Romagna-Schule, über deren führende Persönlichkeiten auch nach Brach4 und
1 Vergl. die bei J. Schlosser abgebildeten himmlischen Heerscharen.
2 „Repertorium für Kunstwissenschaft“ XXXI, S. 202.
3 Kunstgeschichtliche Gesellschaft, Berlin, Sitzungsbericht III, 1905.
4 Albert Brach, „Giottos Schule in der Romagna“, Straßburg 1902.

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