Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Oder bildet.

Oskar v. Rrdwitz.
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 7.)

aufgeführtes Wohnhaus, höchstens ehrwürdig durch sein
Alter, iu Reparaturen vernachlässigt, deshalb, von außen
gesehen, düster und wenig gefällig. Es hatte, bei sehr
starken Mauern, zwei Stockwerke und ein hohes Ziegeldach
mit Mansardenfenstern, von Ornamentur keine Spur;
einige alte Linden standen dicht umher; die Vorder-
front war dein Hofe zngewandt, den in weiter Ausdehnung
Wirthschaftsgebüude, Ställe und hölzerne Scheunen be-
grenzten und auf dem es ziemlich unordentlich aussah, an
die Rückseite schloß sich ein dürftiger Obst- und Gemüsegarten,
dann ein großer, nur stellenweise umzäunter Park mit Präch-
tigen alten Baumen und dichten Gebüschen, doch war er
fast in seiner Ursprünglichkeit geblieben oder, durch den letzten
Besitzer vernachlässigt, wieder in dieselbe zurückgcfallen;
über die schmalen Wege streckten sich große Baumwurzeln
! fort, und dazwischen wuchsen Gras und Moos.

Die Erbin.
Roman
von
Stanislaus Graf Grabowski.
1.
Den südwestlichen Theil von Russisch-Polen, des so-
genannten Königreichs, bildet das Gouvernement Radom,
umschlossen von der oberen Weichsel und ihren: Neben-
flüsse Piliea. Bis hierher erstrecken sich die nördlichen
Ausläufer des Karpathen-Gebirges, südlich von der Stadt
Radom, etwa auf dem halben Wege bis zur galizischen
Grenze, sich noch einmal bedeutender erhebend in der
Lysa-Gora genannten Berggruppe, welche gewissermaßen
die Wasserscheide zwischen Weichsel und
Am östlichen Abhange dieser thcil-
weise sehr wild zerklüfteten und dicht
bewaldeten Höhen, im Kreise Opatow,
fand man zu Anfang des Jahres
1862 einen großen Edelhof, um den
sich nach allen Richtungen hin fast
meilenweit die dazu gehörigen Landbc-
sihungen mit fruchtbaren, bestellten
Feldern, Wiesen, Waldungen und meh-
reren kleinen Dörfern ausbreiteten.
Schon der zehnte Theil dieses
Komplexes würde in Deutschland auf
den Namen eines sehr einträglichen
und ansehnlichen Rittergutes Anspruch
machen dürfen, in jener Gegend aber
gelten derartige große Besitzungen in
den Händen alter, vornehmer Adels-
fanrilien für nichts Außergewöhnliches
und liefern auch nicht einen so hohen
Ertrag, weil es bei der nicht sehr-
dichten Bevölkerung an Arbeitskräften
zu fehlen rind überhaupt nicht eine in-
telligente Oekonomie in Anwendung
gebracht zu werden Pflegt. Indessen
brauchte doch Niemand daran zu zwei-
feln, daß der Besitzer dieses Gutes,
Graf Gregor Olinski, ein sehr reicher
Mann sei, zumal er in anderen Gegen-
den des Königreichs noch weitere große
Besitzungen hatte.
Hier auf Opalin — wir geben
dem Gute absichtlich nicht dm richtigen
Namen, wie auch nicht der in dieser
Geschichte auftretenden Persönlichkeiten,
weil sie der Jetztzeit noch zu iahe liegt,
— residirte die gräflich Llinski'sche
Familie schon so lange, Wb sich die
ältesten Leute entsinnen koniten und
ihre Traditionen zurückreichtcn — man
nahm daher im Allgemeinen an, daß
es niemals anders gewesen sei und
anders werden könne.
Ein Schloß durfte man das Herren-
haus füglich nicht nennen, es war eben
nur ein großes, im einfachsten Style

Kurz, es sah hier Alles traurig und verkommen aus,
besonders auch noch das kleine ärmliche Dorf, das sich
in einer einzigen sehr breiten und sehr unsauberen Straße
von hüttenähnlichen Häusern dem Herrenhose anreihte,
und es schien, daß die Bewohner desselben zu nichts An-
derem da seien, als der Herrschaft Frohndienste zu leisten,
wobei sie selbst verkümmerten. Ein Deutscher würde ge-
sagt haben: „Die richtige Polnische Wirthschaft," — und
er hätte wahrlich nicht Unrecht gehabt.
Auf Opalin ging es auch immer sehr still zu; Keiner
mochte rechte Freude an: Leben gewinnen, nicht einmal
die Herrschaft, höchstens die Bauern, wenn sie Abends
in dein erbärmlichen Kruge, der ganz am Ende oder An-
fänge des Dorfes lag, Branntwein tranken, sich darin
beinahe bis zur Sinnlosigkeit berauschten oder zur Fiedel
tanzten und jubelten, die ein alter Jude zuweilen ab-
scheulich kratzte.
Davon konnte man glücklicherweise
im Edelhofe Nichts hören, sonst würde
man es sich Wohl verbeten haben.
Daß es im Herrenhause aber auch
nicht heiter znging, daß selbst die alt-
berühmte polnische Gastfreundschaft
daselbst kein Feld fand, lag in Grün-
den, die Jedermann in der Umgegend
nur zu bekannt waren.
Graf Gregor Olinski, in seincr
Jugend ein schöner, liebenswürdiger
und heiterer Lebemann, der gute gesell-
schaftliche und wissenschaftliche Bil-
dung genossen hatte, der einzige Sohn
seiner Eltern, daher Erbe eines Ver-
mögens, das außerordentlich bedeutend
genannt werden durfte, — er war
1808 geboren, — hatte als Jüngling
große Reisen gemacht; er war für
keinen anderen Beruf bestimmt gewesen,
als einmal sein Erbtheil zu übernehmen
und zu verwalten; zuweilen kehrte er
auf kurze Zeit nach Hause zurück,
bekümmerte sich aber nicht viel um
die Wirthschaft.
Der junge Graf zählte ungefähr
25 Jahre, als er auffällig verändert
wieder einmal heimkam; er war näm-
lich sehr ernst, fast ganz trübe gewor-
den, doch sah man leicht, daß dies
nicht in körperlichem Unwohlsein lag,
im Gegentheil stand seine Jugendkraft
in vollster Blüthe. Bald bemerkte
mau auch, daß er mit seinen Eltern
in Zwistigkeit gerathen sein mußte;
in sichtlicher Unruhe reiste er ab und
zu, und bald wußte man, daß er eine
ernstliche Liebe in seinem Herzen trage,
welcher Jene ihre Billigung versagten.
Dieses Verhältniß blieb im Ver-
laufe der Zeit kein Geheimniß; Graf
Gregor selbst sprach sich zu näheren
Bekannten darüber aus, und die letz-
teren waren nicht diskret genug. Er
 
Annotationen