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Im ewigen Schner.
Roman von Paul Pskar Höcherr.

Erſtes Kapitel.

Zie alte Frau Lugenz ſank wie vernichtet auf
den nächſten Stuhl, als ſie an die Stelle in
E dem Briefe ihres Sohnes gelangte, die ihr

Kunde von ſeiner Wiederverheiratung gab.

Trog ſie ihr Auge? War das ein Traum,
war das die Wirklichkeit?

Stephan — ihr einziger Sohn Stephan — ſollte ihr
das angethan haben, daß er heimlich, ohne ihren Segen
einzuholen, ja fogar, ohne vorher auch nur eine Silbe von
ſeinem Plan verlauten zu laſſen, fern im Norden einen
neuen Chebund einging? Er, der nach dem Tod der un-
glücklichen Lucie ſo verzweifelt, ſo gebrochen geweſen war,
daß man ernſtlich für ſein Wiedekaufkommen gefürchtet
hatte? Der zärtliche Vater der kleinen Frida, die das
Ebenbild ſeiner heißgeliebten, aber nach kaͤum einjähriger
Ehe von ſeiner Seile geriſſenen Frau war, brachte es
fertig, dieſem armen kleinen Weſen mit den großen, for-
ſchenden, ängſtlichen Augen eine Stiefmutter zu geben?

Was würden Lucies Verwandte dazu ſagen — vor
allem Hubert Leonard, ihr Bruder? Und Frida, die ihren
Papa ſo überaus zärtlich liebte, mit einer ſo leidenſchaft-
lichen, ja eiferſüchtigen Liebe, wie man ſie bei einem
Kind von noch nicht ſieben Jahren kaum vermutet hätte?!

Und was für verwunderte Augen die Patienten, die
Freunde, die Bekannten des jungen Herrn Doktor Lugenz
machen würden!

Wie oft hatte ſie ſelbſt mit angehört, daß der oder
jener ihren Sohn fragte, ob er denn nicht daran denke,
ſich wieder zu verheiraten; ſtets war dann ſeine Antwort
ein wehmütiges Kopfſchütteln geweſen. Die Liebe zu Lucie
hatte noch laͤnge über das Grab hinaus fortgedauert. Die
ganzen ſieben Fahre hindurch, die ſeitdem verfloſſen waren,
konnte die bloße Erwähnung ihres Namens ein ſchmerz-
liches Zuſammenzucken ſeiner Züge hervorrufen; ſtill und
in ſich gekehrt lebte er dahin jogar das äußere Zeichen
der Trauer, den Flor am Arm, hatte er noch nicht ab-
gelegt gehabt, als er vor einem Vierteljahr ſeine Reiſe
nach Deutſchland antrat. Und nun wollte er plötzlich ſtrah-
lend und glücklich an der Seite eines blonden jungen
Weibes in die Schweiz und in ſein Heim zurückkehren?

Da ſtand es klar und deutlich zu leſen: am Samstag
vor Oſtern war die Trauung geweſen, in Gegenwart der
Eltern ſeiner Braut. Heute hatte man Mittwoch, den
zweiten Tag nach dem Feſt. Alſo war er ſchon eine
halbe Woche lang junger Chemann!

Frau Lugenz las den Brief wieder und wieder Sie
grollte ihrem Sohn. Der rührende Ton, in dem er ſchrieb,
vermochte ihr Herz nicht zu bewegen. Sie fühlte ſich zu-
rückgeſetzt, gekränkt! Auch damals mar ſie ja nicht ſo
ohnẽ weiteres damit einverſtanden geweſen, als Stephan
ſich ſo blutjung — kurz naͤchdem er ſein Examen beſtan-
den — mit Lucie hatte verheiraten wollen. Aber das war
immerhin eine glänzende Partie geweſen. Lucie ſtammte
von allem franzöſiſchen Adel, der hier im Kanton Wallis

Nachdruck verboten.)



Aenovterungsverſuche.







 
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