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Zahrg. 1000.







Lieben und Schweigen.
noman von LT. Haidheim.

(Forffekung.)



N Gaͤchdruck verboten)
Vierzebrrtes Stapitel.
raf Ahrenkiel ſaß an ſeinem Arbeitstiſch
und las die Briefe, die für ihn wäh-
rend einer mehrtägigen Dienſtreiſe an-
gekommen waren. Cr ſah geärgert und
nicht geſund aus, ſeine Geſichtsfarbe
hatte einen entſchieden galligen Anflug,
und ſeine alten Reſſortchefs raunten ſich mit bedeut-
ſamen Blicken zu, der König habe Seiner Ereellenz
in unverblümter Weiſe ſein Erſtaunen ausgedrückt über
die Möglichkeit von politiſchen Indiskretionen gleich der,
welche die demokratiſchen Blätter in alle Welt hingus-
poſaunt hHätten. Noch mehr aber über das Unvermögen
der Juſtiz und Polizei, in ſolch unerhörtem Falle den







Thäter zur Beſtrafung bringen zu können.
Auch Gräfin
Klaͤriſſa hatte ihren
Oheim bei ſeiner
Rückkehr übel aus-
ſehend und gereizt
gefunden ; ſiewagte
gar nicht, ihm zu
eröffnen, daß Lia
v. SGellsberg ihr.
heute geſchrieben,
ſie werde, Die Zu-
ſimmung ihres
Vormunds - vor-
ausgeſetzt, bei der
Prinzeſſin bleiben.
Gegen : nichts
war der Graf ſo
enpfindlich - wie
gegen jeden Schat-
ten eines Tadels,
der ſein Haus tref-
fen fonnte; Lias
beinahe einer
Flucht . gleichende
Abreiſe und der
hHeute mitgeteilte
Entſchluß glichen
einem offenen Be-
kenntnis ihres Un-
behagens Darin.
Und wen traf dann
ſein Zorn? Natür-
lich ſie, die das
Maͤdchen vom er— —
ſten Augenblick an um ſeiner Jugend willen gehaßt.
- Das alles- haͤtte Grund genug ſein können, Klariſſa
von dem Betreten der Zimmer des Hausherrn zurück-
zuhalten. Dennoch rauͤſchte ſie jetzt aber nöch im
Naͤntel und Hut herein, glühend vor Aufregung, mit


funkelnden Augen, ein triumphierendes Lachen um den
Mund.

„Wiffen Sie, Onkel, was man ſich in der Stadt
exzählt?“ rief ſie, und ſelbſt ihre Stimme verriet den
Juͤbel ihrer Seele.

„Ich intereſſiere mich nicht für den Stadtklatſch,
Klarifja — Sie wiſſen es!“ wies er ſie äxgerlich ab.

„Dies iſt kein Klatſch. Die Baronin HegerSvorp,
die eben. aus Aegypten zurücklommt, hat Malve
Refen mit einem rothaaligen Engländer im Grand
SHotel in Kairo geſehen. Sie hat in ihrer Harmlofig-
feit Malve angeredet und erft an deren furchtbarer
gemerkt, welchen Mißgriff ſie begangen

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Selbſt einem Manne wie Ahrenkiel war unter
ſeinen ehrgeizigen Beſtrebungen das Herz dac nicht
{o ganz erjtarrt, daß er nicht wie in jähem Schrecken
gerufen hätte: „Das iſt nicht möglich, Klariſſa! Nicht

möglich !”
„Die Baronin iſt eine alte Dame von tadellofer
Zuverläſſigkeit. Malve iſt zweifellos mit dem Eng-

(änder durchgegangen. Ah! Darum ſagte man allo
wohl, fie habe ſich nach Nyland zurückgezogen? O,




diefer arme Narr, der Sigurd!“




hinzu: „Die Reſens haben neuerdings Unglück.“
Da er ſich ſchweigend ſeinen Briefen wieder zu-


nahme vermißte! Wie gern hätte fie dies Thema bis.
ins kleinſte hinein beſprochen mit ihm, der damals
Sigurds Heirat mit ihr in jeder Weiſe begünſtigt hatte.
Graf las inzwiſchen, maͤchte Bleiſtiftnotizen
auf den Rand der Briefe und hatte ſich bald wieder
in ſeine Arbeit vertieft. ; ;
Trotzdem murmelte er zwiſchen der einen und der
anderen zuweilen etwas, wie! „Diefe Weiber! Man
begreift jie nie!“ — oder ahnliches; offenbar be-
fchäftigte ihn die Neuigkeit doch.
Daͤs letzie der eingelaufenen Schreiben, dem Poſt-
ſtempel nach ein gleich nach ſeiner Abreiſe angekom-
mener Brief mit Fulſtenktone im Wappen, Jah er
überrafcht an, ohne es gleich zu öffnen. Dem Format
nach hatte er ihn auch für einen geſchäftlichen gehalten,
die Schrift war ihHın fremd, und was ihm etwa Freunde
und Bekannte ſchrieben, das fonnte er auch auf Dder
Chaiſelongue leſen. Sicher war es irgenD welches An-
liegen, Bitten um Protektion oder dergleichen.
Er fühlte ſich ſtark ermüdet, und Ruhe war ſein
drinhendſtes Verlangen. Er ſchellte ſeinem. Kammer-
diener und gab Befehl, ihn unter keinen Umſtänden
zu ſtoͤren.
Mit waͤhrem Behagen warf er ſich auf die Chaiſe-
longue; am lieb-
ſſten hätte er ſchon
den Brief, der ſich
dick anfühlte, wie
eine wortreiche
Epiſtel, jetzt gar
nicht gelefen, aber
der Gedanke, daß
das nur ein Hin-
ausſchieben einer
unvermeidlichen
Saͤche fei, trieb
ihn doch Dazu.
Erſtaunt ſah
er die Unterſchrift
zuerſt Prinz Tra-
chenfeld? Ah, es
handelte fich um
Lia? Der Ge:
danke verdroß ihn
ſchon, er argwöhnte
ſofort einen An-
waͤlt ſeines Mün-
dels in Seiner Ho-
heit, und ſeine Ge-
Letztheit! die eben
alüclich einge-
ſchlummert ſchien,
ermwachte wieder.
Indeſſen Dder
Prinz überhäufte
ihn vorderhandmit
Liebenswürdigkei-
ten, der ganze
Eingang des Briefes ſchien nur dem Zwecke zu gelten,

wie er mar — ein gutes Recht zu haben vermeinte.
Dann aber kam Seine Hoheit zu Ddem, was ſicher
 
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