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heft 2.




Lieben und Schweigen.
Roman von L. Haidhrim.

(Forffekung und Schluft.)

(Nachdruck verboten.)

ie lange hatte Lia v. Gellsberg nun
ſchon an Sigurd gedacht; immer ſein

Bild im Herzen getragen, erſt unbewußt,
ſpäter nach jenem Abenteuer mit vollem
Bewußtſein, aber auch mit vollſter
— 6 —

Sie hatte um ſeinetwillen nicht geheiratet, denn
wenn ſie ſich einem Manne hingeben ſollte Jo mußte es
in voller Liebe ſein, und kein anderes Bild durfte in
ihrem Herzen lehen.

Und nun ſagen Sie mir eines: Sind Sie ver-
lobt? begann er wieder.

„Warum fragen Sie nicht, ob ich verheiratet bin?“
lachte ſie.

Cr erſchrak. „Ich nannte Sie „gnädiges Fräulein!,
und Sie hörten darauf!! ſagte er dann langſam, ſie
immer anjehend. Plötzlich lachte er erleichtert: Ver-
heiratet nicht; aber ſagen Sie, antworten Sie mir:
verlobt?“ }

„Auch nicht, Baron Reſen, und feſt entſchloſſen,
nur den Mann zu heiraten, den ich liebe.“

Dabei wurde ſie aber nun doch wieder glühend
rot, denn er ſah ſie unendlich dankbar an, küßte
ſchweigend ihre Hand und ſchien ſehr glücklich

In ihrer Verlegenheit begann ſie von allem
möglichen zu plaudern! Sie erzählte ihm, was
ihr gerade einfiel. ,

Er hörte ſtill zu und ließ ihre Stimme, die
ihm wie Muſik klang, ſein Herz umſchmeicheln.
Mit großem Zartſinn vermied ſie alles, was auf
ſein Schickſal nur entfernt Bezug hatte.

Er ſelbſt fragte aber dann: „Und Gräfin Kla-
riſſa?!

Eie hat einen ruſſiſchen Fürſten geheiratet,
einen alten Hageftolz, der ganz bezaubert von ihr
ſein Joll,“ gaͤb ſie Auskunft.

Daß Ahrenkiel tot mwar, wußte er. Dafür
erzählte er ihr, daß Frederik wieder zurücgerufen
und in den unmittelbaren Dienſt des Königs ge-
ſtellt worden ſei. .

„Und Ihr zweiter Bruder?“

Er lebt mit Charlotte, die jetzt ſein Weib
, auf einer ſchönen Beſitzung, welche die junge

Frau kurz vor der Hochzeit erbte.“ —

— Zwei Stunden waren wie im Fluge ver-
gangen. Lia mußte nach Hauſe.

2 Sie werden meinen Verwandten gleich morgen
Ihren Beſuch machen?“ bat ſie beim Abſchied.

Ich hoffe, Seine Excellenz der General behält
mich dann zu Tifh,“ ſcherzte er. —

—DU Hauſe ward Lia von der eben dem Back-
fiſchaͤlter entwachſenen hübſchen Toͤchter ihres

ktters mit ſehr bedeutungsvollen und neugierigen

Mienen empfaͤngen.











„Es gehen große Dinge vor. Da drinnen bei


Warum ſtrahlſt du
aber ſo?“ ; .

Lia ſetzte ſich, vor Schrecken ganz matt werdend,
ſchwer auf den nächſten Stuhl. Der ſtrahlende Aus-
* verſchwand vor dem peinlicher Angſt und Ab-
wehr. : ; ;

„Bertha,“ bat ſie flüſternd und aufgeregt, „ver-
rate nicht, daß ich nach Hauſe gekommen bin. Ich
flüchte mich auf meine Stube.“

„Na, aber!“ proteſtierte das junge Ding. „Da
wirſt du bei Papa ſchön ankommen, der ahnte gleich
bei der Meldung etwas und flüſterte Mama zu: Das
gilt Lia! Der Oberſt kommt um ſie! Eine glänzende
Partie!“ — — i

Der Tag verging der armen Lia darüber recht
peinlich. Sobald der Oberſt fortgegangen war, wurde
ſie zu dem General und ſeiner Gaͤttin gerufen, und
die Gefühle der beiden waren keine angenehmen, als
Lia nicht nur die vermeintliche „mwmundervolle“ Ueber-
raſchung ſehr kühl aufnahm, ſondern auch noch flehent-
lich bat, dem Oberſt in der zarteſten Weiſe mitzuteilen,
daß — daß — ; ;

„Nun, Lia, du biſt nahe an vierundzwanzig! Eine
beſſere Wahl in jedem Sinne kannſt du niemals
treffen,“ mahnte die Cxcellenz.







„Gewiß, das ſehe ich vollkommen ein, aber ich kann
ihn nicht nehmen, fo ſehr ich ihn hochachte und ſchätze.“
Ach, Kind, das ſind Nevdensarten; einen Maͤnn,
wie Oberſt Bornheid, nimmt ohne Beſinnen jedes
Mädchen.“

„Das weiß ich, das glaube ich gern.“

„Aber Kind, dein Herz iſt doch noch frei!“ ſagte
die Generalin überredend.

Aber plötzlich hielt ſie inne und maß Lia mit er-
ſchrockenem Blid. Sie hatte den Proteſt in ihren
Augen entdeckt.

„Alſo nicht mehr frei?“ fragte ſie. „Lia, du biſt
heimlich verlobt?“

Nein, o nein!“ Das arme Mädchen hatte Mühe,
nicht zu meinen.

„Alſo eine Liebe!! ſagten der Generalin Mienen
dem Gatten, der verftimmt dies Reſultat ſtatt eines
frohen „Ia“ vernahm. — — —

Als am anderen Morgen Sigurd ſeinen Beſuch
machte, Iag der Schatten des geſtrigen Meinungsaus-
tauſches noch ſehr ſchwer über dem kleinen Kreiſe.
Xia war blaß und verwacht, die Tante ärgerlich, weil
ihr Gatte verſtimmt war und ſie den Mißerfolg des
Obexſten entgelten ließ.

Lia hatte erſt beim Morgenkaffee gewagt, von dem
Zuſammentreffen mit einem däniſchen „Bekannten“ zu
zeden und ihre Anmeldung ſeines Beſuches erregte
eine Einladung zu

Mittag wurde gar nicht gedacht, und als fie in
tödlicher Verlegenheit darum bat, fragte die
Dame erſtaunt! „Glaubſt du ihm das ſchuldig
zu ſein, mein Herz?“

„Ich wäre euch ſo dankbar,? ſtammelte ſie in
ihrer Pein und jetzt ſchon in Angſt, daß Sigurd
fühlen möchte, wie wenig willkommen er waͤr.

Sie irrte ſich darin auch nicht. Die Generalin
war freilich Weltdame genug, es an den üblichen
höflichen Phraſen nicht fehlen zu laſſen, aber
Reſen eben auch zu ſehr Weltmann, um nicht ihr
und dem etwas ſpäter eintretenden General ſo-
fort ebenſo die innere Unfreiheit anzufühlen,
wie Lia. Infolgedeſſen bedauerte er alſö höflich,
ſchon verſagt zu ſein.

Lias tiefes Erröten und Erbleichen erſchreckte
ihn dann doch Er ſah ihre Augen mit dem

Ausdruck großer Beſtürzung auf ſich gerichtet,
und dann legte ſich auf ihr blaſſes Geſicht eine
ſolche Traurigkeit! daß er bitter bereute.

Indeſſen machten weder der Hausherr noch
die Dame irgend welche Anſtrengung, ihn zum
Bleiben zu bewegen. Und er konnte doch nicht
ſo von Lia ſcheiden!

Es ſtürmte ſchon in ihm, denn auch er war
ſeit geſtern nicht zur Ruhe gekommen vor dem
quälenden Gedanken: „Darf ein Mann mit dei-
nen Erlebniſſen die Hand ausſtrecken nach einer
Lia?! Und wiederum: „Wird ſie dich nehmen?
Täuſcheſt du dich nicht in dem Glauben, ſie ſei
dir gut?!

In Zweifel und Mutloſigkeit war er ge-
kommen, ſeinen Beſuch zu machen; was ſollte er
denken, was thun? Sie zu verlaſſen ohne ein
erklärendes Wort? Unmöglich!
 
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