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Zahrg. 1900.





Gezeichnetl.

Roman von Bedmig Schmeckebier-Erlin.
(Forffekung.)

Nachdruck verboten.)

Zn m erſten Weihnachtstag waren Frau
v. Oldenhofen und ihr Sohn langjäh-
riger Gewohnheit gemäß bei den Ver-
wändten zu Gaſte. Auch im Hauſe des
Oberſten lachte die Chriſtſtimmung nicht
S fröhlich wie ſonſt, und Haſſos zurüd-
haltendes Geſtändnis von ſeinem Zerwürfnis mit Mar-
garete, das er nicht länger vor den Verwandten ge-
heim zu halten vermochte, war nicht dazu angethan,
erhöhte Heiterkeit zu ſchaffen,
; Frau v. Wallwitz ſchüttelte ſchweigend den Kopf,
und Käthe ſchaute den Vetter mit großen, durchdrin-
genden Augen an.
Der Oberſt aber knurrte grimmig: „Nette Geſchichte!
Hab's ſchon lang vorausgeſehen, daß das eines
Tags mit einem Krach enden wuͤrde! Mir an







ſeiner Mutter beim Frühſtück, als ein Brief ihm eip-
gehändigt wurde, Des Oberſten Schrift erkennend,
erbrach er ihn eilends, um nach einein Blick auf die
wenigen Zeilen aufzuſpringen: „Um Gott, Mutter!“

Frau b. Oldenhofen hatte bereits den Brief er-
griffen und ſchrie auf: „Die Käthe fort! — Laß an-
ſpannen, Haͤſfo, wir müſſen ſofort hin zu den Ver-
wandten.“

Kaum ein paar Minuten ſpäter ſtoben die Pferde
im Galopp von Oldenhofen hinab zur Stadt.

Aufgelöſt in Thränen flög Frau v. Wallwitz der
Schweſter entgegen. „Das Ünglück, die Schande —
der Schuft!“

„Wie kam es, was wißt ihr?“ fragte Haſſo in
das wilde Schluchzen hinein.

„Nichts. Heute morgen, als ſie nicht zum Thee
erſchien und das Mädchen ſie rufen wollte war ihr
Zimmer leer. Auf dem Tiſche lag dieſer Brief.“

Haſſo griff nach dem zerfnüllten Bogen, auf den
die zitternde Hand deutete. Seine Mutter drängte ſich


ſteiler, energiſcher Schrift geſchrieben ſtand:




Lebens Glück ſieht, ihr hättet keinen Grund gehabt,
mich des Ungehorſams und der Undagkbarkeit zu be-
ſchuldigen. Doch euch genügte der Name und der
Geldbeutel eines Bummlers, wie ich den Grafen Eichen-
feld nenne, für euer Kind zum künftigen Lebenshalte.
Da gehen nuͤn unſere Anſichten zu ſehr auseinander-
Ich will und werde nur den Mann heiraten, den ich
liebe, der mich liebt. Und ſo ſehr es mich betrübt,
euch Kummer zu bereiten, muß ich eben verſuchen,
ohne eure Zuſtimmung wein Glück zu finden. Ihr
habt mich ja bereits behandelt wie eine verlorene
Tochter, von ſolcher konntet ihr nichts anderes erwarten,
als daß ſie euch eines Tages davonläuft.

Auf dem Wege nach dem Süden

Eure Käthe.“

„Ein ſeltſamer Abſchiedsbrief,“ ſagte Haſſo kopf-
ſchültelnd, nachdem er ihn durchgeleſen. „Aber wo iſt
der Onkel?“

iſt — er hat ſich ſofort dienſtfrei gemacht. Er
wi —

Der faſſungsloſen Mutter ward weitere Auskunft
erſpart, denn ſtürmiſch ward die Thür aufgeriſſen, und
Oberſt v. Wallwitz ſtaͤpfte ins Zimmer,

Das Geſicht krebsröt, die Wetterfalte von



der Naſenwurzel bis zum Munde grabentief, die



deiner Stelle wär der Geduldsfaden ſchon
längſt geriſſen! Das Mädel war ja geradezu
unausftehlich geworden ſeit der leichkfertigen
Schießgeſchichte! und verſchönert hatte ſie ſich
mit ihr auch nicht.“

Haſſo ſprang empor, leichenblaß! „Ich er-
trag’S nicht länger, ich muß die Wahrheit be-
kennen, einmal wenigſtens! Nicht fie — ich
44 habe jenen verhängnisvollen Schuß ge-
than.“

Es blieb lange ſtill nach ſeinem herausge-
ſchrieenen Bekenntnis.

Mit einemmal ſtand Käthe vor ihrem Vetter.
Das hochgetragene Geſicht zeigte ſcharfe, ver-
tiefte Linien. — „Du —“ vaunte ſie ihm beben-
den Tones zu, „du thateſt das? Und trotzdem
— ahı, du bift. ja —— !

Käthe!!

Sein ernſter Ton ließ ſie nur die Fäuſte
ballen. „Haffo, du waͤrſt es ja - audh, Der
Anita —“ .

Nur er hörte den hingehauchten Namen.
Sie aber Jah, wie er unter ſeinem Klang ‚evz: .
und wandte ſich mit eiſiger Miene von
ihm.

Still, ernſt endete das weihnachtliche Fa-
milienbeiſammenſein.

Meine Schweſter klagte mir ihre Sorgen
um Käthe,“ ſaßte Frau v. Oldenhofen auf der
Heimfahrt zu Haſſo! „Sie ſei wie ausgewechſelt,
widerſpenſtig, tirobig, verſchloſſen. Auch mir
macht das Mädchen Sorge, gebe Gott, daß








buſchigen Augenbrauen hochgezogen, ſchrie er:

Er'ſei auf einer Studienreiſe, der Himmel-
huͤnd, der elende! Haha! Ich werd ihm was
aufſtizzieren! Die Polizei ſchick' ich ihnen ins
Haus, das ſagte ich ihr auch!“

„Wem ſaͤgleſt du daͤs, Onkel?“ fragte Olden-
hofen den Wütenden, der, jeßt erft die Ver-
wandten gewahrend, zornfunkelnden Blickes von
einem zum anderen ſchaute.

„Augenehm, ſo ’n Familienvater zu ſein,
was?!“

„Otto — ſo ſprich doch, wen trafſt du, was
hajt-du. —“ ;

Nichts hab' ich,“ brüllte der Oberſt ſeiner
Frau zu. „Leer faͤnd ich das Neſt! Bis auf
Die Tochter, die gute Freundin. Vor derv hab'
ich mir denn auch kein Blatt vors Maul ge-
nommen. Wo der Bandit ſteckte, ihr Bruder,
wollte ich zunächſt wiſſen. Seit ’n paax Tagen
auf Studienreife, ſie wiſſe nicht wohin. Fawohl,
Studienreiſe! hab“ ich ihr ins Geſicht geſchrieen.
Durchgegangen iſt er mit meiner Tochter, und
Sie haben die beiden zuſammengekuppelt.“

„Und ihre Antwort?“ Frau v. Oldenhofen
fragle es, den Blick beforgt auf ihren Sohn
geheftet, der regungslos vor ſich hinſtaxrte,

Autwort?“ knixſchte der Oberſt in hohn-
vollem Grimm. „Die Zigeuneraugen verdreht
hat fie und gethän, als ſterbe ſie quf, dem
Fieck — und Nichts herausgequetſcht hab. ich
au3 ihr, troßdem ich ihr mit dem Gendarm









nicht eines Tages noch verhängnisvollere Thor-
heit geſchieht.“

Käthe iſt ein Charakter, ſie wird
begehen im ſchlimmen Sinne,“ entgegnete Haſſo kurz.

Es har um eine Woche ſpäter; Oldenhofen ſaß mit


ein lüchtiger Künftler geworden, hättet ihr euch über-
haupt nur die Mühe genommen, einmal den auf ſeinen
Manneswert zu prüfen, in dem eure Tochter ihres

Drohte.“ ;
Oldenhofen zuckte auf, als habe ein Schlag

ihn getroffen, doch ſein Mund blieb ſtumg
Nach der Wanduhr deutend, ſtieß Fraunv. Wall-
witz einen Schreckensruf aus: „Otto, der ZUg — WeNN
u ihn verfäumteſt. Du mußt fort.“ Laut aufweinend

warf fie fih ihm an die Bruft. „Möchteft du ſie
 
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