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Jahrg. 1900.







Gezeichnek.

Roman von Hedwig Schmechebier-Erlin.

(ForffeBung.)

Nachdruck verboten.)

autlos glitt Anita vor Margarete zurück
bis zur Wand, dort blieb ſie ſtehen und
preßte ſich dagegen mit Kopf und Armen.

Nun läutelen keine Glocken mehr,
es war totenſtill im Herzen.

— Das — hat — Oldenhofen gethan?“
rang ſich's endlich flüſternd von ihren Lippen „Und wa-
runi? Was that ich ihm? Und warum quälen Sie mich nun
beide? Und Sie — Sie müſſen doch edel, müſſen gut ſein.








lieben, da Sie der Hand nicht zürnen, die Ihnen das
Antlitz zerſtörte, da Sie ſeine Schuld auf ſich genommen
haben. Sie müſſen großmütigen Herzens
lein, und darum flehe ich Sie an, mir zu
ſagen, was ich denn thun ſoll, mich ſelber
von der Schmach zu reinigen, die ein jedex
mir anzuthuͤn daͤs Recht zu haben glaubt,“

Margarete fühlte plötzlich ihre Hände
von heißen, zitternden Fingern umklam-
mert, und unwillkürlich wandte ſie ihr
Antlitz zur Seite, als habe ſie Furcht,
wenn ſie in das junge, verzweifelte, kraft-
(oje Gefichtchen Anitas blickte, möchte &8
ihr ſchwer werden, die harte Rückſichtsloſig-
feit ihres weiteren Vorgehens vor ſich
ſelbſt zu rechtfertigen. ;

Ihre Hände freimachend, ſprach ſie kalt:
Sch ſagte, was ich Ihnen fagen mußte,
Fräulein Hatera, um Sie vor ferneren

egegnungen mit meinem Verlobten zu
warnen! Die ganze Angelegenheit verdient
meinerſeits wohl faum allzu kragiſch ge-
nommen zu werden. Immerhin, wenn
Sie ſie als Schmach für Ihre Perſon be-
zeichnen, kann ich nicht widerſprechen. Ein
Mann von impulſiver Natur ift leider nicht
immer Herr ſeiner Sinne, aber ſo etwas
geht vorüber, ſobald der Gegenſtand ſeiner
Lugenblicksbewunderung ihin. entrückt iſt.
Sehen Sie für eine Zeillang fort von hier,
Fraͤulein, das wird für alle Teile das er-
ſprießlichſte fein!“

Ein wehes, bitteres Zucken im Antlitz,
wiederholte Anita: „Ia, fort von hier,
aher wohin denn? Ich habe niemand,
niemand, zu dem ich reiſen fönnte.“

Wegwerfend bewegte Margarete die
Schultern und waͤndie ſich zur Thür.
Natürlich weigern Sie ſich. Ebenſowenig
wie Ihr Bruder Fräulein v. Wallwitz zu
meiden ſucht, werden Sie —

„Qnicht, nicht doch. Ich will ja alles,
* * nur wollen, aber wie kann ich
enn?“



Fenſterbank niedergeſunken, von Scham und Jammer
geſchüttelt.

Da trat Margarete entſchloſſen auf ſie zu und ſich
zu ihr niederbeugend, ſagte ſie haſtig! „Ich würde
Ihnen helfen. Sie brauchten Ihren Eltern nichts da-
don zu ſagen. Später, wenn Sie irgendwo unter-
gebracht ſind, könnten Sie ihnen den Grund Ihres
heimlichen Weggehens ſchreiben.“

Heimlich fort? MNein!“ rief die Kleine entrüſtet.

Margaxete nickte verächtlich. „Ich begreife voll-
fommen, daß Sie es vorziehen zu bleiben. Indeſſen
ſpricht Ihr Gewiſſen Ihnen vielleicht doch noch einmal
von Ehre und Pflicht, und dann wiſſen Sie, Fräulein

auf mich rechnen dürften.“

Ohne Gruß wandte ſich Margarete abermals der
Thür zu. Anita raffte ſich auf, ſtürzte ihr nach, wollte
rufen, ſprechen, doch kein Laut kam aus ihrer Kehle.
Stumm, verſtört blieb ſie inmitten des Zimmers ſtehen,
die Hände in das Haar gedrückt. So verharrte ſie,









bis die Thür ſich hinter Margarete geſchloſſen hatte.
Dann brach ſie zuſammen-
Fort, fort, ja, ſie wollte, mußte fort; ſo oder ſo!

Dreizehnfies Kapitel.

Sie mußte fort, um jeden Preis und ſobald wie
möglich. —

Ein anderer Gedanke beſchäftigte Margarete nicht
mehr, ſeit ſie Anita geſprochen und von dieſer einen
Zauber hatte ausgehen ſpüren, der ſelbſt ſie für einen
Augenblick faſt umgarnt hHatte. Zum erſtenmal war
ihr die gefährliche Schönheit der Kleinen zum Bewußt-
ſein gekömmen; gefährlich, weil ſie nicht einzig in
äußeren Reizen beſtand, die Margaretes ſchwaches Auge
kaum zu ſchauen vermocht, und dennoch hatte in ihr
fortwährend das peinigende Erkennen geklungen: ſie iſt.
ſchön. War's der Wohllaut ihrer fremdartig weichen
Stimme, der ſo zärtlich umſtrickte, waren's die Worte
ſelber, die ſie fprach? Oder lag in der zarten Schwäche
ihrer ganzen Geſtalt die Macht, Starke zu ſich herab-




 
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