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Im ewigen Schnee.
Roman von Paul Pskar Höcher.

(Forffekung.)

Nachdruck verboten.)

|ngmifcf)en hatte Stephan ſich mittels des

Seiles an ſeine Frau angeſchloſſen;
4—— ſchlang das andere Ende des
Stricks um ſeine Bruſt, ſo daß Marianne
ſich in der Mitte befand. Ihr Gatte
gab ihr dabei noch ein paar ſachliche
Anleitungen, empfahl ihr auch, darauf zu achten, daß
das Seil zwiſchen ihnen ſtets ſtraff geſpannt ſei.

Noch immer wußte Marianne aber nicht, wo der
Weg nach der Fee begann — ob man nicht zuerſt eine
größere Strecke wieder zurück müſſe.

Allein da trat ihr Gatte dicht an den vorderen
Rand des Felſens vor, ließ ſich dort nieder, ſchwang ſeine
Beine über den Abgrund — und gleich darauf ver-
ſchwand ſein Körper dicht vor Mariannes Füßen.

Nur mit Mühe unterdrückte ſie einen Entſetzten
Aufſchrei. „Vorwärts!“ ließ ſich zugleich Leonards
harte Stimme vernehmen.

Mit Grauen blickte Marianne in den furchtbaren
Abgrund hinein, der zu ihren Füßen ſich oͤffnete.
In gewaltigen Schroffen ſtürzte eine ungeheure Fels-
wand jäh zu Thal. Tief, tief da unten, wo das Weiß
und Gelbgrau der Felſen, Schneematten und Moränen
dem jungen. Grün des ſonnenbeglänzten Thales wich,
lachte fie ein See an, ein hellblauer Alpenſee, von
maleriſchen Felspartien umrahmt, leuchtend wie ein
rieſengroßer Wunderſaphir. :

Als das Seil, das ihre Bruſt dicht unter den Armen
umſpannte, nun mit einem leichten Ruck angezogen
ward, erblickte ſie auch ihren Gatten. Er lehnte dicht
zu ihren Füßen, mit einer Hand ſich am oberen Fels-
rand feſthaltend. Sein eiſenbeſchlagener Gebirgsſchuh
hatte den Halt auf einem kaum vier Hand breiten
Felsabſatz gefunden, dex einer Rinne gleich ſich ein
paar hundert Meter weit nach links hinzog, erſt hori-
zontal, dann in einem ſteilen Winkel anſteigend, immer
den oberen Rand der vielfach zerklüfteten Schneewand
begleitend.

Marianne ſchloß für eine Sekunde die Augen, als
ſie ſich nun ſelbſt am Felsrand niederſetzte und, dem
Beiſpiel ihres Gatten folgend, ſich langſam an der
Wand herabließ Erſt als ſie unter den Füßen Grund
fühlte, ſchlug ſie die Lider auf. Sie wagte aber nicht,
das Geſicht nach dem Abgrund zu wenden, um nicht
vom Schwindel erfaßt zu werden.

Da fühlte ſie Stephans Hand auf ihrer Rechten.
Er löſte ſie vorſichtig vom Felsrand und brachte ſie
ein Stück weiter an einen zwiſchen ihnen liegenden
Felsgriff. Dabei rückte ſie unwillkürlich mit einem
Fuße nach, fand aber, Da ſie zu weit nach rechts taſtete,
keinen Grund. Ein paar Sekunden lang ſchwebte fie
mit dem rechten Fuß in der Luft.

„Das heißt — Gott verſuchen!“ entfuhr es ihr.


















 
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