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Heft 15.


ZJahrg. 1900.





Grzeichnel.
Koman von Bedwig Schmeckebier-Erlin.

- (Forffegung.)

Nachdruck verboten.)

etzt ſtreckte Fräulein v. Wunderlich ſpähend
den Kopf vor und rief hinausdeutend:
„Fräulein v. Wallwitz!“ *
Ihre dünne Stimme bat förmlich
um Verzeihung für dieſe Meldung, mit



ttrauliche Beiſammenſein des Brautpaares ſtörend ein-
greifen mußte.

Wie ſchade!“ entfuhr es Margarete.

Auch Haſſo machte eine bedauernde Gebärde, dabei
aber hob ein ſeltſam tiefer Atemzug ſeine Bruſt, als

er die Hausthür gehen hörte und dann den reſoluten,
elaſtiſchen Schritt der Baſe vernahm.

Käthe entſchuldigte ſich nicht wegen ihres Einbruchs,
obwohl ſie an %tgareteß zuͤrückhaltendem Empfange
gewahrte, wie ig willkommen ihr Erſcheinen der
Braut war. Sie ſagte nur kurz angehunden,
„Ihr braucht keinen friſchen Kaffee für mich

kochen zu laſſen. Ich berſchwinde ſofort wieder.
Ich muß nur hier Feiveſen fein, daß ihr's wißt.
Lügen mag ich nicht.“

Damit ſetzte fie ſich, ohne abzulegen, auf
den nächſten Stuhl.

— „Was foll das heißen: du mußt hier geweſen
ſein?“fragte Haſſo ſcharf. Er ſowohl wie Mar-
garete wuͤßten aus Käthes eigenem Munde ,
von dem Kampfe, den dieſe um den jungen
Valer mit ihren Eltern führte. Wenn auch
Oldenhofen zunächft geneigt geweſen war, dieſe
Liebesgeſchichte für eine vorübergehende Schwär-
Merei zu halten, die eines Tages ganz von
ſeloſt in alle Winde verwehen werde, beun-
ruhigte ihn mehr und mehr eine eigene, ſtille
Feſtigkeit im Weſen des jungen Mädchens. Be-
Jorat, fie möchte einen Beſuͤch bei ſeiner Braut
benutzt haben um mit Tonio Hatera zuſammen-
zufreffen, wiederholte er, da ſie nicht ſofort
Antwort gab, nochmals feine Frage.

Ich muß hiẽr geweſen ſein entgegnete
e mit trotzigem Lippenzuden, „um meinen
usgang zu motivieren.“ —

Sie bog den Regenſchirm in ihrey Hän-
den, als wolle fie ihn zerbrechen. D b
wachen mich ja, als hätt' ich in meinem Leben
nichts weiter gethan, als geſchwindelt und ge-
Dgen. Ich halte auch ohne Beaufſichtigung
Mmein Wort, ihn nirgends treffen zu wollen,
aber Anita ebenfo zu meiden, haͤb' ich nicht ver-
prochen.“ ; 7

„Und nun triffjt du dich heute mit ihr?'
warf Margarete ein. Die beiden Mädchen
ſagten jeßt du zu einander, ſtanden überhaupt
auf vertraͤulicherem Fuße als früher.

„Ja, und ob ihr mich deswegen verklatſchen





wollt, mache ich von eurer Nobleſſe abhängig.! Nach
hundertfachen ſchriftlichen Bitten hab'ich Anita ſchließlich
dazu gekriegt, mich heimlich hier am Walde, hinter
eurem Hauſe zu treffen. Bisher begegneten wit uns
immer nur zufällig — das heißt, ich griff dieſen Zu-
fällen natürlich ein wenig unter die Arme.“

„Nun, und wie ſtellt ſich denn deine Freundin zu
alledem? Uebrigens wundere ich mich, daß ſie nicht
einmal zu mir kam in all der Zeit. Wenn ich auch
keine Stunden mehr bei ihrer Mutter nehme, waren
wir doch bekannt genug, daß ſie mir einen Beileids-
beſuch hätte machen können.“

Margarete warf einen forſchenden Blick auf ihren
Bräutigam; das Klirren der Taſſe in ſeiner Hand hatte
in ihre Worte hineingeklungen. Doch ſie vermöchte
nichts Beſonderes an ihm zu bemerken!

Käthe, immer mit dem gleichen anklagenden Trotz
in ihrem hübſchen Knabengeſicht, antwortele ihr: „Das
arme Ding, wenn's weiter nichts mit ihr mwäre, als
daß ſie nicht unter Menſchen ginge —“

„Iſt Fräulein Hatera krank?“ erklang tonlos Haſſos
Stimme.

„Krank? Nein, aber Kaͤthe ſtarrte finſter vor
ſich hin und ſtieß dann leidenſchaftlich hervor: „Sie



ſchämt und grämt ſich elend. Meine Eltern haben ſie



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auz unſexem Hauſe vertriehen, auf die unwürdigſte
und gröbſte Weiſe. Ich erfuhr es nicht aus dem, was
ſie ſelbſt mir darüber ſagte, ſondern aus dem Tonfall
ihrer wenigen Worte. Sie ſoll ſchuld ſein, behauptet
Mama, daß — nun, ihr wißt, was ich meine. Sie
ſchuld! Sie unſer Finden gefördert haben — ſie be-
rechnend — bah!“ Käthe zuckte die Schultern, wie
über eine Lächerlichkeit. „Sie geht umher wie geaͤchtet;
ſie ſchämt ſich, ſchämt ſich zu Toöde.“ ;

Margarete lächelte ein wenig, nicht ſpottend, aber
ungläubig. „Doch wohl nicht darüber.“ -

„Ich kann's aber nicht anders nennen,“ rief Käthe
aufſpringend. „Und wenn's nicht darüber iſt, iſt's
über was anderes. Sie geht umbher, als wäre ſie
todkrank, die Augen am Boden, kaum daß ſie über-
haupt noch ſpricht! Ich würde ſagen, ſie hat eine un-
glückliche, eine ſehr, ſehr unglückliche Liebe, wenn ich
nicht wüßte —“

„Was weißt du?” Oldenhofen hHatte ſich vorgebeugt
und ſtarrte ſeine Baſe an, mit Auͤgen, in denen eine
heiße Angſt lauerte.

„Daß ſie keinen Mann irgendwie näher kennt, dich
etwa ausgenommen, und das bedeutet ſo viel wiẽ
keinen.“

Sein Antlitz wurde bleich, ſeine Hände ſanken ſchwer
auf ſeine Kniee, aber er blieb ſtumm.

Käthe ſtand und ſah ihn an erſt ſtaunend,
dann zuckte ein Licht in ihrem Blick! Es er-
ſtarrte drinnen und plötzlich loderte es auf zur
drohenden Flamme! Zedoch auch ſie blieb
ſtumm.

Margarete aber warf wieder mit dem alten,
geringſchätzenden Tone hin: „Ich glaube, du
biſt ein wenig verblendet in Deiner Freund-
ſchaft, liebe Käthe. Ein Fräulein Hatera kennt
durch ihre ganze Lebensweiſe gewiß Männer
in Menge und entfaltet ihren Chic und ihre
Grazie nicht nur für gute Freundinnen.“

Maxgarete!“ Wie vom Blitz getroffen war
Adenhofen emporgeſchnellt; fogar das alte
Damchen im Lehnſtuhl hatte erſchkeckt den Kopf
erhohen beim Tone ſeiner heftigen Stimme!

Langſam ſtand auch Margaͤrete auf, trat
von ihm zurück und ſagte nur: „Du biſt ſehr
ſeltſam.“ ;

Ihre Ruhe, ihr Zurückweichen, ihre ſich gegen
den hellen Hintergrund ſcharf abhebende Trauer-
kleidung ließen ihn die Herrfchaft über die
Sturzwelle zornigen Auflehnens wieder gewin-
nen. Ihre Hände ergreifend, bat er um Ver-
zeihung für ſeine Heftigkeit.

Käthe verabſchiedete ſich bald darauf, wort-
larg und heklommen in Gaͤng und Haltung aber
faſt noch tapferer, ſtraffer al8 fie zekommien.

Eine Volke ftand zwildhen den Zurück-
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a Drang Haſſo geradewegs duͤrch ihr

Dunkel. „Margavete, “ ßggann er %ur)ig und feſt,

. „Warum |prichit du ſtets In ſolch gering]chäßend

Wegwerfender Weiſe von Fräulein Hatera? Du

jeßeit fie herab, mo du nur fannft, und fie

£hat dir doch nicht das geringfte, Das folches
rechtfertigte.“
 
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