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B 13





das Buͤch ür Alte.

307





„Sollit du auch nicht, Mamachen, du als Künfl- ,
lerii haft Goldſtaub auf den Flügeln. Aber w
ſie lachte wieder, „ich bin die Kleine und habe erd-
farbene Schwingen.“ |
; Aber deine große Freude, mein Herzchen,“ Dver-

ſuchie die Sängerin noch einmal, wenn auch merklich


Hatt' ich ja, Mamg.
dir eine zu bekommen.“
Mit flinken Fingern ging ſie daran, den Kartan wieder
zu umſchnüren.! Frau Hatera ſtand daneben, ihr ſelbſt-
loſes Töchterchen bewundernd und zärtlich betrachtend.
4 wir dich nicht hHätten, kleines Hausmütter-
chen!“

Und ein befreites Aufatmen war es, mit dem die
Sängerin ihre Tochter dann hinausbegleitete und ihr
einen Kuß mitgab auf ihren unangenehmen Weg.

Welcher Segen, dieſes Kind, das ſich mutig und
unverdroſſen mit ſeinen zarten Gliederchen Schritt für
Schritt über die unebenen Pfade einer Künſtlexlauf-
bahn mühte, anſtatt darüber hinzugaukeln mit leichtem
Flatterſinn, gleich den anderen!

Der Weg, den ſie jetzt, ihr teures Geſchenk am
Arme und einen Sorgenftein auf dem Hexzen, zurück-
legte, war auch einer der vielen. ungeebneten ihres
jungen Lebens. Es gab ſo allerlei auf ihm, über das
ſie hätte ſtolpern können. Ueber ein tiefes Schämen
zum Beiſpiel, das ihr flammend in die Wangen ftieg,
wenn ſie an Häufern, an Läden vorbeiging die ſie
teils héimlich, leils mit Wiſſen ihrer Eltern ſchon oft
zu ähnlichem Umtauſch oder gar zum Borgen, zum
Schuldenmachen betreten hatte. Es waxen nicht immer
Liebenzmürdigkeiten geweſen, die Anita auf ſolchen
Gängen eingeheimſt; manches harte Urteil, Das ihre
Familie heraͤbfezte, hatte fie hören müſſen. Aud jetzt,
al8 die tapfere Kleine der Kaſſiererin im Bazax ihr
Anliegen vorbrachte, mar die Antiwort keine allzu reſpekt-
volle. Man fönne einen Konfektionsgegenſtand nicht
gegen einen anderen aus dem Schuhwaͤrenlager um-
taufchen, daͤs gebe Verwirrung in den Geſchäftsbüchern,
„Wenn Sie die Boa-nicht wollen, ſo nehmen Sie doch
etwas8 Anderes: Spitzen, Schleifen oder Schleier.“

Ach nein,“ Anita ſchüttelte den Kopf, „ich

brauͤche gar nichts der Art.“ Sie ſchaute ſg beklom-
men darein, daß der Verkäuferin wohl ein Begreifen
kommen muͤßte, dem ſiè inſofern nachgab, als ſie zur
Rückſprache an den Geſchäftsführer hexantrat.

„Die kleine Hatera will eine Federboa für zwanzig
Mark gegen Schuͤhe umtauſchen. Iſt das zu machen?

Det Angeredete runzelte die Stirn und machte eine
geringſchätzende Bewezung. „Ewige Schererei mit.
dieſem Künſtlervolk!“ ;

Eine weiche Stimme miſchte ſich in das weitere
Hin und Her der beiden hinein, die unbekümmert um
etwaige Hörer, ziemlich laut, hinter einem Herrn und
einer Dame ſtehend, ſprachen.

Ich bitte jehr, geftatten Sie mir für dieſes eine
Mal den Umtaufch. Ich, wüßte wirklich nicht, was
ich für den Augenölick anderes gebrauchen fönnte, als
die Stiefel. Papa wolle mir eine Freude madhen,
aber er irrte fich, ich — die Boa ift mir vollkommen
überflüffig.“ .

Anita mar zu dem ſie mit indiskreter Neugier an-
ſtarrenden Geſchäftsführer herangetreten und verfuchte
ein Lächeln, das indes nur müde um die merklich zit-
ternden Lippen glitt. 2

„Nun, fo goͤben Sie die Boa doch einfach zurück
und Taſſen die zwanzig Mark von dem Konto Ihrer
Eltern abjchreiben,“ riet Da der Geſchäftsführer, in
dreiſter Vertraulichkeit ſich ihr zubeugend. _

Anitd fenkte den Koͤpf und ſchlang die Finger ge-
quält umeinander, bis ſie endlich in ſcheuer Ehrlichkeit
herausitieß: Ich brauche die Stiefel gerade ſo nötig.“
Tief aufatmend ſchwies ſie und heftete nux einen
ſprechenden Blid auf den Geſchäftgführer, Dder mit

_ einer Art widerwillig mitleidiger Freundlichkeit, der
Verkäuferin den Auftrag gab, den Umtauſch ausnahms-
weiſe zu veranlaſſen. ; .

} Nun erft wagte Anita wieder freier aufzuſchauen,
und da duͤrchzuckte ſie's plötzlich wie ein Schlag.

Sie hatte ein paar Augen auf ſich gerichtet erblidt,
ein paar blaue, leuchtende, Mare Augen mit den Aus-
Hruck, al8 (tünde eines Mienſchenherzens beſtes Teil in
ihnen. Und fie kannte dieſen Ausdruck, der ſo warm,
b ſehnſuchtsverträumt machen konnte, gerade wie ein

. Frühlingstag. Aber jetzt, jebt hätte ſie doch dieſe

Augen lieber nicht ſehen mögen. *
Batte Herr v. Oldenhofen gehört, waz ſie hier ver-
hHandelt? Cin heißes Schämen wollte in ihr auffteigen,
aber mutig Drücte fie es nieder. Es mwar fein Un-
recht, mas ſie gethan, und ſelbſt, wenn er alles ge-
hört, ſo war doch ihre Mutter nicht bloßgeftellt, und
er mußte glauben, ſie habe nur für ihre eigenen Be-
dürfniſſe gefprochen.

Und nun hob ſie das

Und nun iſt die Reihe an

Köpfchen wieder frank und
frei und ſah lächelnd zu Haſſo hinüber, der in der
Nähe feiner Braut ſtand, die für ihre. Ausſtattung
koſtbaren Vorhangſtoff auszuwählen im Begriffe war-






Welch überraſchendes Zuſammentreffen mein gnä-
diges Fräulein!“ Es war, als klinge ein Ton beſon-
deler Ehrerbietung aus den Worten, mit denen er
Anita die Hand zum Gruße entgegenſtreckte.

Sie anlwortele mit einer Frage nach Margaretes
Befinden, und er Inüpfte daran die Bemerkung, ſeine
Braut freue ſich gleich ihm auf die für morgen geplante
Waldpartie. ;

Hoffentlich bleibt das Wetter ſchön!“ *

Sie hatte es kaum geſagt, da lam ihr ſchon ein
Lachen über die ihr entſchlüpfte Allerweltsbemerkung,
und Oldenhofen laͤchte gleichfalls.

„Ja, höffentlich,“ meinte er ſchalkhaft wichtig, „da-
mit mir ſagen können: auf Wiederſehen.“

„Auf Wiederſehen!“ Ihm zunickend, huſchte ſie
hinüber zu Margarete, die jetzt erſt von ihrer Be-
ſchäftigung mit den ihr vorgelegten Stoffen läſſig auf-
ſchaute.

Anitas Begrüßung ward mit ſo geringer Redſelis-
feit erwidert, daß dieſe nach wenig Worten Abſchied
nahm und die Treppe hinaufeilte, die in eine andere
Geſchaͤftsableilung führte.

Oldenhofen ſah ihr nach, wie ſie graziös die Stufen
hinanflog und dann wandte er ſich mit leiſer Stimme
an ſeine Braut: Wenigſtens blieb ihr's erſpart, zu
merfen, daß wir es mit anhören mußten, wie ſie ſo
nötig ein paar Stiefel braucht, ſtatt einer Fedexboa,“

Es ſollte ein halbes Scherzen ſein, wie er ſprach,
aber brauchte ein Scherz ſo zärtlich zu klingen?

Margatetes Stirn furchte ſich, und achſelzuckend
warf ſie hin: „Und wenn ſie e& gemerkt hätte, es wäre
ihr vermutlich ſehr gleichgültig geweſen Ihr Aufreten
dem Verkäufer gegenüber zeugt von Uebung in derar-
tigen Erörterungen delikater Natur. Darunter ſtumpft
das Feinempfinden ab.“

Von Nebung?“ Oldenhofen wiederholte es lang-
ſam und eine tiefinnerliche Bewegung glitt über ſein
männlich feſtes Geſicht, die auch die Hand nicht weg-
wiſchte, die glättend über Stirn und Augen fuhr.

Von Uebung? Armes, kleines Ding! So alſo
ſieht dein blauer Himmel aus, an den du glaubſt mit
feiertäglicher Inbrunſt?
Fortſetzung folgt.)



Leutuant Julius v. Queis,
+ bei einem Ueberfall im hinterlande von Kamerun.

Siehe das Porträt auf Seite 301.)

Wů amtlich gemeldet wurde, iſt der Leutnant v. Queis
im Hinterlande des deutſchen Schutzgebietes Kamerun
von aufſtändiſchen Eingeborenen getötet worden. Julius
v. Queis (ſiehe das Porträt auf S. 301) wurde anı 28. No-
vember 1872 auf dem oſtpreußiſchen Rittergute Malſchöwen
geboren, das ſeinem Vater, dem deutſch konſergativen Reichs-
lagsabgeordneten und Oberſtleutnant a. D. v. Yueis, gehört.


{tein und Danzig befucht hHatte, in das oftpreußijche Dragoner-
regiment Nr. 10 3zu Allenſtein ein und wurde im November
1893 Leutnant. Im Herbite 1897 widmete er ſich der Land-
wirtſchaft und faßte dann im Sommer des folgenden Yahres


Er ſchiffte fih Anfangs September in Hamburg ein und be-
teiligte ſich nach ſeiner Ankunft im Schubgebiete an mehreren
Expeditionen unter v. Carnap, die den Zweck hHatten, Arbeiter
für die Plantagen anzuwerben. Nach einem halben Jahre
übertrug ihın der Gouverneur v. Puttkamer unter gleich-
zeitiger Nebernahme in den Reichsdienſt die Stellvertretung
des beurlaubten Stationsleiters in Rio vdel Rey Anfangs
Auguſt 1899 marſchierte v. Queis auf Befehl des Gouverneurs
mit acht Soldaten der Schutztruppe und 150 Trägern nach
dem Innern ab, um am Croßfluß unweit der Eroßſchnellen
eine neue Station anzulegen. Nach Mitteilungen des Kauf-
manns Lohmeyer von der Weſtafrikaniſchen Geſellſchaft, der
Herrn v. Queis bis zum 15. September begleitete, war die
Expedition bis Nſſapke am Croßfluß ohne ſonderliche Ge-
faͤhren verlaufen. Dort ſetzte ſich Herr v. Queis mit ſeinen
Leuten feſt, um die Station zu errichten, und Lohmeyer
traf aı 20.; wieder ın Rio del Rey ein. Seine letzte
Nachricht lautete, daß er wieder nach Rſſapke zu Herrn
v. Queis zurückgehen wolle. Dann kam die Kunde, daß, wie
ſchon vorher in Tibati und Kribi, auch untex den Eingeborenen
am Croßfluſſe ein Aufruhr ausgebrochen fjei. Ein aus eng-
liſcher Quelle ftammendes Gerücht über die Niedermetzelung
der ganzen Expedition des Leutnants v. Queis zu Anfang
des September iſt wohl darauf zurückzuführen, daß, wie
Lohmeher berichtet, während er und v. Queis ſchliefen, die
Polizeiſoldaten und einige zum Fouragieren ausgeſandte
Träger überfallen wurden, wobei zwei Soldaten vexwundet,
und ein Träger getötet wurde. Nach ſeinem Tagebuch war
der Expedition bis zum 15. September ein weiterer Unfall
nicht zuͤgeſtoßen, obſchon die Eingehorenen Schwierigkeiten
machten und Herr v. Queis einen Häuptling abgeſetzt haͤtte
und gefangen mit ſich fortführte, ferner ein Dorf durch Nie-
derbrennen ſtrafte u. f.w. Ein von dem Gouverneur dann
füdlich um das Kamerungebirge zur Erkundung nach der
Croßgegend vorgeſchickter Herr Conxau meldete am Ne-
vember den Tod des Leutnants v. Queis, doch ohne Angabe
der näheren Umftände. Bald darauf lief in der Kolonial-
abteilung des Berliner Auswürtigen Antes eine Depeſche des
Souverneurs . Puttkamer ein, nach der Leutnant v. YQueis
den aufſtändiſchen Singeborenen getötet
worden ift. © .



(



Ueberraſchte Wilderer.

Siehe das Bild auf Seite 304 und 305.) '

@E)g[eicf) das Hochgebirge nur eine geringe Anzahl von
VBolfstypen aufweift — Bauernburſchen und Mädchen,
Holzſchläger! Wildheuer, Wurzelgräber, Almer, Wilderer und
Häger werden etwa Die Liſte erfchöpfen — Liefert eS Doch
unjeren modernen Malern in Landfchaft und Sittenbild ſtets
wieder dankbare Motive. Denn die Großartigkeit der Alpen,
thre Abgeſchloſſenheit, die innigen Beziehungen, welche die
Bewohner infolge ihrer Lebensweiſe und Befchäftigung zU
dem Weben und Leben in der Natur unterhalten und die
von größkem Einfluß auf ihre phyſiſchen, geiſtigen und noras -
liſchen Eigenſchaften ſind, geben Menſchen und Dingen dort
einen ſcharf ausgeprägten Charakter, der uns ſtets aufs neue
intereſſant und romantiſch erfcheint. In der That, man
braucht nur ein paar von den oben genannten Figuren, und
man hat ſofort einen ganzen Roman, noch dazu einen aus
der Wirklichkeit, wie er ſich immer und immer wieder dort
oben in der Einſamkeit von Bergwald, Alpe und Felsſchroffen
abſpielt. Da droben hauſt der Holzknecht in ſeiner einfachen
Hütte wie ein Robinſon, und ein Halbwilder iſt der knochen-
ſtarke, ſehnige, abgehärtete und genügjame Burſche in der
Regel auch. Und die Sennerin auf der Alnı, die in Wirf-
lichkeit nicht ganz ſo ausfieht, wie auf der Bühne das Nandl!
im „VBerfprechen hinterm Herd“ dargeſtellt wird, hHält qute
Freündſchaft mit ihın. Der Hoͤloſchläger ift oft auch Wilde-
rer, nicht allein aus Freude am Wagnis und an der Gefahr,
fondern auch aus der mehr praͤktiſchen Erwägung, daß ein
Braten die Eintönigkeit des ewigen Schmarrens aus Mehl
und Butter angenehm unterbricht, und ein paar Gulden ein
nicht zu verachtender Verdienſt find. Drum hat er unter
einem Reifighaufen ſeinen alten roſtigen Kugelſtutzen ver-
borgen und verfteht ihn gut zu gebrauchen. Das weiß der
Jäger wohl, und ſo iſt zwifchen beiden ein ewiger Kampf der
Liſt und Gewandtheit, der leider nur zu oft aucdh in einen
ſolchen Mann gegen Mann mit der Waffe ausartet. Begreif-
licherweiſe find die Sennerinnen meiſt auf ſeiten der Wilde-
rer, und geben ihren Freunden Unterftand und Labung auf
der Alın, wenn’s not thut. Was ſich aus dieſen einfachen
Elementen für fpannende und aufregende Situationen ent-
wickeln, das haben uns Schriftfteller und Maler oft mit
Feder und Pinſel gefchildert, ohne daß ſich das Thema je
erfchöpfen ließe. Mit Intereffe werden unjere Leſer das
Bild auf S. 304 und 305 „Neberrafchte Wilderer betrachten,
in dem uns der Künſtlex, Oskar v. Piſtor in äußerft lebens-
voller und naturwahrer Weiſe ein beginnendes Drama droben
auf der Alın vor Augen führt. Ehen ftürzt der Geiphub in die
Sennhütte mit dem Schredensruf „Die Yaga Kummal“ und
wie das auf die Sennervin und Die drei bei ihr raſtenden
Wilderer wirkt, iſt mit meifterhafter Eharakteriſtik wieder-
gegeben. ;

Der neue üllſchmelzofen in Berlin.
Siehe das Bild auf Seite 312.)

8 allen Großſtädten, beſonders aber in Berlin, wo man
hHauptfächlich mit Preßkohlen feuert, fanımelt ſich das
ſogenannte Müll, das heißt Hausunrat und Afche, in unge-
heuren Mengen an. Bisher wurde dasſelbe auf irgend einen
brachliegenden Ader der Vororte gefahren oder zur Auf-
jchüttung niederen, feuchten Geländes benußt, bis warnende
Stimmen darauf hinwiejen, daß dieſe Nüllhaufen unter Um-
ftänden eine Brutſtätte für die Verbreitung von gefährlichen
Epidemien feien. Iebt erhoben die Berliner Bororte dagegen
Einfpruch, all den Unrat der Reichshauptſtadt bei ſich auf-
zunehmen, und ſo war man genötigt, an ein anderes Ver-
fahren zu Ddenfen, um ſich desſelben zu entledigen. Nad
dein Vorbilde engliſcher Städte, in denen man mit der Ver-
nichtung des Mülls durch Feuer die beften Erfahrungen ge-
macht hatte, wurde ein nach einem Patente des Ingenieurs
Rarl Wegener konſtruierter Nullſchmelzofen auf den SGrund-
ſtiicke Gitfchinerftraße 14/15 ummnittelbar am Waffer erbaut
(fiehe das Bild auf S. 312). Er iYt aus Eiſen und feuer-
fefjtem Backſtein errichtet und drei Stockwerke hoch! Das Müll-
woͤlches ihnı in feſt geſchloſſenen eiſernen Käſten von ehva
1 Kubikmeter Inhalt teils auf dem Waſſerwege, teils auf
Laftwagen zugeführt wird, gelangt mittels elektriſch betriebenen
Aufzugs zunächft in den dritten Stock, wo eS durch trichter-
artige Deffnungen eingeſchüttet (ſiehe die Eckoignette oben
vechts) und in dem darunter liegenden zweiten Stockwerk
durch große votierende, in einer geneigten Cbhene liegende
Trommeln (welche die Eckvignette unten links darftellt) weiter-
bewegt wird. Der Ofen, in deſſen oberen Teil nunmehr das
MÜl Fällt, wird durch Kohlenſtaub geheizt, indem ihın ebenfalls
am oberen Ende, durch eine beſondere Vorrichtung Gatent
Wegener) ein mit Kohlenſtaub vermiſchter heißer Yuftftrom
zugeführt wird, in deſſen Flammengluten von 1500 Grad
Celfius das Müll vergaſt und ſchmilzt. Dieſes geſchmolzene
Mull bildet am Boden des Ofens eine flüſſige Glasſchlaͤcke,
welche in Waſſerbecken tropft und dadurch erhärtet. Sie
fann in der Induſtrie weitere Verwendung finden, und
jo mwird ein Teil der Betriebsfojten durch ihren Verkauf ge-
deckt. SIn gefundheitlicher, Hinſicht iſt eine beſſere Löſung
der Müllfrage wohl kaum möglich, und ſeit dem Frühling 1899
vernichtet der Berliner Muͤllſchmelzofen unter Aufſicht der
Stadt ungeheure Mengen Unrats, da er am Tage durch-
ſchnittlich 1000 bis 1200 Centner Mül verbrennt. &s iſt
zu hoffen, daß andere deutſche Großſtädte, in denen die Müll-
frage“ ebenfalls eine wichtige Rölle fpielt, dem Beiſpiel
Berlins bald foͤlgen und das hier geſchilderte Verfahren eben-
falls einführen werden.






 
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