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Heft 13.



Das Bud für Alle.



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Uund an dem Tage, an dem die Leitung zum erftenmal funk-
tionierte, Kamı er in das Telegraphenburean. Der Beanmte,
der dort anı Morfe-Apparat jaß, wollte dem Herzog zeigen,
wie glatt ſich die neue Verbindung vollziehe, und telegraphierte
an den neuen Kollegen nach Breslau: „Seine königliche
Hoheit der Herzog befucht foeben das Telegraphenzimmer.“
Cr war unvorfichtig genug, dem Herzog mitzuteilen, was er
telegraphiert hatte. Iır nächften Kugeüblick begann ſich der
Streifen des Morfe-Apparates abzurollen und in Punkten und
Strichen erſchien die Autivort des Breslauer Kollegen.

Was ſagt ev?” fragte der Herzog

Der Beamite hegann zu lefen: „SIfit mir ganz —“ dann
ſtockte er. *

Weiter! befahl der Herzog, „lefen Sie, ich befehle e&!“

ſchnuppe!! lautete das letzte Wort


geantwortet, natürlich wohl nicht in der Abficht, daß dieſe
defpektierliche Neußerung dem Herzog mitgeteilt wurde

Die Erwähnung von Hughes und Morje-Apparat fet Ver-
Aanlaffung, auch etwas über die Leiſtungsfähigkeit dieſer beiden
Apparate und der Beamten zu fagen. Der Hughes-Apparat
iſt bei weitem Leiftungsfähiger, als der Morfe-Apparat. Man
nahın früher an, er leiſte zweimal ſo viel wie der Morfe-
Apparat. Das Wetttelegraphieren aber, das im Mai 1899
bei dem in Como in Ialien tagenden internationalen Tele-
graphiſtenkongreß ſtattfand, bewies, daß der Hughes-Ayparat
Togar 2%smal ſo niel Leiftet wie der Morfe-Apparat. Cin gut
Auf den Hughes-Apparat eingearbeiteter deutſcher Beamter giebt
mit dieſem Apparat in der Stunde 1500 bis 1600 Worte; zum
Veifpiel Zeitungstelegramme oder Parlamentsberichte, 100 eı
nicht abzuſetzen braucht, ſondern hintereinander forttele-
graphieren kann! Noch mehr kann der engliſche Telegraphiſt.
leiften, denn die engliſche Sprache hat fehr viel —
AuS zwei oder drei Buchftaben beſtehende Worte. Am läng:
ſten find die italienifchen Worte, und deshalb kann auch der
italienifche Telegraphift nicht ſo viel leiſten ats der Englander,
der Deutfche oder der Franzoſe! Bei dem Wetttelegraphieren
in Como wurden auf dem Hughes-Apparat in der Stunde
1920 Worte abtelegraphiert. D

Zas Bild des Tofen. — Der Verleger des berühniten
englifchen Nomanfchreibers Henry Fielding veranftaltete nach
deffen Tode (1754) eine Geſamtausgabe ſeiner Werke. Er
verſprach Sffentlich, den Werken das Bilduis Fieldings bei-
Zugeben, leider aber ſtellte es ſich bald heraus, daß ihm
dies unmöglich ſei Fielding hatte ſich nie malen laſſen
und obwohl der Verleger voͤn einem Maler zum anderen
eilte, alle berſicherten, daß fie ihn in dieſer Angelegenheit
hicht dienen könnten, weil fie den berühmten Autor im Leben
Nicht näher gekannt hHätten. Da erinnerte er ſich zuletzt des
Malers Hogarth, der mit Fielding viel Umgang gepflegt
hatte, aber auch Hogarth ging nicht auf den Hanvdel ein; er


büd%tniä herzuſtellen und fo feinen guten Huf aufs Spiel
zu ſetzen.

Da geſchah es eines Abends — Hogarth befand ſich in ſei-
nem Atelier — daß man ihm einen Herrn meldete, welcher
ihn in einer dringenden Angelegenheit zu ſprechen wünfde.

Die Thür geht auf, der Maler erfchrickt, denn eS ift
Fielding leibhaftig, der ihn höflich begrüßt. Gogarth glaubte
nicht an Gefpenfter, er rieb ſich die Mugen, von neuen fah
e hin, es war aber in der That kein anderer als Fielding.
Der wiedererftandene Autor Hatte bereits vor ihm Plab ge-
vommen und fchien nur Darauf zu warten, daß Hogarth
jeinen SGriffel nehme, um fein Porträt zu zeichnen. Dazu
— fonnte der Maler. aber vor Erſtaunen und Angſt, weldhe ſich
Jeiner bemächtigt Hatten, zunächft gar nicht Fommen. :

Nun ſchien das Phantom ungeduldig zu werden und rief


Vieder in meinen dünklen Aufenthalt zurück! Erſchreckt
der Anblick des Todes dich fo, daß er dich verhindert, etwas
3u dem NRuhme deines alten Freundes beizutragen ?“

Der Künftler raffte ſich auf, nahın den Stift zur Hand
und ging mit Zittern und Zagen Ddaran, nach dem feltfaͤmen
Original das Bild Fieldings zu zeichnen. Als er geendet

daͤtte, näherte ſich das Phantom, prüfte die Zeichnung und
ſprach! „So iſt es recht! Nun einen Händedruck dem Schatten
deines Freundes, ehe er dir lebewohl ſagt!“

Mit dieſen Worten ergriff der Sprecher Hogarths Hand
und Drückte fie mit foldher Cnergie, daß dent Maler Hören
und Sehen verging. Als er die Augen wieder aufſchlug,
war die Geſtalt Fieldings verſchwunden und an deren Stelle
die Geftalt — Garrids getreten, jenes würdigen Darfteller8 der
Shakeſpeareſchen Stiüce, weldher eine ſolche Meiſterſchaft über



jeine Züge hatte, daß er nach Belieben in dieſelben jeden
nur denkbaren Seelenausdruck legen konnte.

Hogarth wußte vorerſt nicht, wie ihm gefdhah; bald aber
begriff ev die Situation und lachte aus voller Bruft. Garrick
ließ inzwiſchen auf ein Zeichen den ſchlauen Verleger ein-
treten, der ſeinerſeits überglücklich war, nun ein Bildnis
Fieldings zu beſitzen! Sr ließ die gut gelungene Skizze in
Kupfer ſtechen, deren Nachbildung ſich heute noch an der
Spitze von Fieldings Werken befindet. —

Auſſtſche Schwugglerſtückchen. Die Erfindungsgabe
der ruſſiſchen Schhmuggler, den Zollbeamten und Grenz-
ſoldaten, da wores geht, ein Schnippchen zu ſchlagen, il
ſehr groß.

Auf preußiſcher Seite ſteht ein Wirtshaus etwas hoͤch
gelegen, ſo daß man aus ſeinen Fenſtern einen Ausblick
hat auf das naͤhe Flüßchen, die Grenze zwiſchen Preußen und
Kußland und auf eine Windmühle, die ſich drüben auf ruf-


Lokale um die Branntweingläſex verfanınıelt. PLöglich kommt
Bewegung unter die Paſcher, die Windmühle bewegt langfam
ihre Flügel, ſie ſtehen ſtill und hewegen ſich wieder. Rafch
ergreifen die Schmuggler große Pakete, die in einem Neben:
vaum liegen, und eilen damit der ruſſiſchen Grenze zu. Sie
kriechen faſt am Boden, durchwaten das Flüßchen und ſind
glücklich drühen angelangt, ohne daß ſie die ruͤffiſchen Grenz-
wächter erwiſcht haben, trotzdem es heller Tag ift.

Einer dieſer Schmuggler war nämlich mit Pferd und
Wagen auf der Landſtraße dem eigentlichen Grenzubergang
entgegengefahren. Nahe diefent Punkte veranlaßte er, daß
ſein Pferd in rafendem SGalopp dahinflog und in entgegen:
zeſetzter Richtung von den preußifchen Wirtshaus über die
Grenze ftlirzte. Kaum ſahen das die Grenzbeanmten, als ſie
alle hinter dem Durchgänger herjagten, da fie auf dem
Wagen zollpflichtige Gegenſtände vermuteten. Auf diefen
Augenblick hatte der Windmüller gewartet, der mit den
Schmugalern im Einperſtändnis war; durch das Umdrehen
der Mühlenflügel gab er das verabredete Zeichen, daß die
Grenze an der betreffenden Stelle jetzt frei jei. So brachten
die Schmuggler ihre Seidenhallen glücklich über die Grenze.
Während dieſes Schmugglexſtückchen ſich abſpielte, brachten
die Grenzſoldaten das durchgehende Pferd zum Stehen und
ſie fanden, daß der Wagen nichts Zollpflichtiges enthielt.
dem Führer des Wagens, der ſich als ruſſiſcher Unterthan
legitimierte und angab, ſein Pferd ſei durchgegangen, fonnte
aan natürlich nichts anhaben.

In einem anderen intereſſanten Fall fand im Winter an
einem Grenzflüßchen das zugefroren war, ein großer Schnee-
ballenkampf ſtatt Hüben und drüben ſtanden die Werfer, die
ſich nach Herzensluſt bomhardierten, und die ruſſiſchen Grenz:
ſoldaten und Koſaken ſahen in einiger Entfernung Ddiefem
Iuftigen Treiben lachend zu. Sie ahıten nicht, daß bei dieſer
Schneehallenſchlacht für 12,000 Rubel Brüſfeler Spitzen nach


Die Schmuggler auf preußiſchem Voden packten nämlich
die in ganz kleine Blechdoſen gelegten Spitzen in Schnee:
hallen hinein und bewarfen damit die jenſeits des Flüßchens


gen konnten die Paſcher jedoch nicht wiederholen, weil einige
Tage darauf bei der ruſſiſchen Zollbehörde eine Denunziation
einlief, in welcher dieſer Coup verraten wurde.

AS in neuerer Zeit die ruffifjche RNegierung eine hohe
Prämie auf guten gereinigten Spiritus, der aus Rußland
ausgeführt würde, feſtſetzte um den rufſifchen Spirituserport
zu heben, zogen die Schmuggler auch daraus Nußben, Sie
ließen ſich große Tonnenwagen bauen, wie fie zur Spiritus-
ausfuhr benutzt wurden, füllten aber die Tonnen mit Waffer,
und nur oben am Spundloch war ein kleines Reſervoir mit
den beſten Spiritus vorhanden, das gegen den übrigen In-
halt der Tonne gut ahgeſchloſſen war, Beim Grenzitbergang
prüfte dann der ruſſiſche Zollbeamte den Spiritus, er fand
ihn ausgezeichnet, und den Schmugglern wurde die Crport-
entſchädigung im Verhältnis zur Groͤße des Faſſes anftands-
los ausgezahlt.

ein ruſſiſcher Schmuggler erhielt den Auftrag, für viele


land einzuflmuggeln. Dieſer Paſcher erfchien an der Grenze
und führte in dem Gepaͤckwagen des Zuges eine Leiche mit
jich, angeblich die Leiche ſeines verftorbenen Bruders der in
Rußland begraben werden ſollte Ein ſolcher Leichentransport,
der ja Sfters vorfommt, fiel nicht auf; die Leiche paſſierte
anſtandslos die Grenze, obwohl die Zollbeamten den Sarg
gehffnet und denſelben unterfucht hHatten. Aber die Haupt-
fache entdeckten ſie nicht, daß nämlich der Leiche die Ein-



geweide herausgenommen und in die ſo entſtandene Höhlung
die DYDiamanten und Spitzen gelegt waren.

&r0ß des immerhin beträchtlichen Gewinnes, den der ruſ-
ſiſche Schmuggler erlöft, ißt er döch ein bitteres Stück Brot,
denn er liegt ſtets in einem gefährlihen Kampfe mit den
Zollbeamten und Kofaken, und unaufhörlich bedrohen ihn Ver-
folgung, Strafe und Tod. OR

Die Baftilenffürmer. — Daß der reaktionäre öſterreichiſche
Staatsmann Fürft Metternich mehrere Jahrzehnte lang nicht
bloß das Staats{chiff Defterreichs, fondern die Gefchidfe von ganz
Curopa gelenft hat, ift allgemein bekfamnt. Weniger befannt ift
indes die Thatjacdhe, daß der Fürft als YJüngling einfimals
gu den Republikanern und Baftillenftürmern gehört hat, freis
lich nicht aus Neberzeugung, fondern in einem Augenblick
größter Gefahr. Allein, wie er dazu Kam, den Nepublikaner
zu fpielen, beweift, daß er fchon in der Yugend ſchwierigen
und gefährlichen politiſchen Lagen gegenüber Geiftesgegen-
wart zu zeigen wußte.

Beim Ausbruch der erften Unruhen ſtudierte Metternich
auf der Univerfität Straßburg. Unbezähnıbare Neugier trich
in mit einem befreundeten Kommilitonen nach der Haupt-
ſtadt Frankreichs, um Augenzeuge der Vorgänge dort zu
werden. Die Diligence, welche die beiden jungen Leute und
einen dritten Bajfjagier, den Leutnant Nouget de V’ISsle —
der kurz Darauf Ddie Marfeillaije Dichtete und Ddadurch
Lrühmt wurde — beförderte, hatte kaum die Straßburger
Studenten im Palais Noyal abgefeßt, als der Sturmlauf -
gegen die Baftille erfcholl. Sofort ſchloſſen ſich die deutſchen
Fdelleute dem Strom der franzöfijhen Blıyenmänner an.
Ploͤtzlich fällt ihre elegante Kleidung auf. Cin paar Stimmen
vufen: „Verrat, Spione!” und „Nieder mit den Royaliſten!“
Netternichs Gefährte verliert den Kopf, entfärbt fich und
dies mehrt die Gefahr beider. Aber der nachherige Diplomat
ergreift den Monmnent, reißt einem ſeiner Nachbarn eine Piſtole
aus dem Sürtel, ſchwingt ſie hoch in die Luft und ruft
jauchzend: Vorwarts vorwärts, tapferes Volt! Näche deine
Schmach, ſtürze deine Tyrannen, brich die Kerker, worin deine
Beſten und Edelſten ſchmachten!“

Die wenigen begeiſterungsvoll tönenden Worte genügten,
die drohende Stimmung der Maſſe zu Metternichs! Gunften
zu wenden. Man ruft: „Es leben die Freunde des Volkes,
es lebe die Freiheit!“

Es lebe die Freiheit! fällt Metternich ein und preßt
die Hand des verzagten Kameraden, ihm raſch ins Ohr
raunend: „Schreie mit!“ .

Weiter wälzt ſich die wilde, blutdürftige Menfchenwoge.
Mit dem Kühnen ift das SGlück, mit dem Rfiffigen oft noch
mehr. Das Schickſal iſt ſo freundlich, den Studenten bei
ihrer Ankunft auf dem Baftillenplaß das furchtbare Staats-
gefängnis bexeits als Ruine darzubieten, ſo daß fie nicht genötigt
jfind, ihre Haut zu Marykte zu tiragen. Aber daß fie an
Ort und Stelle erſcheinen, reicht hin, ſie den Siegern und
Helden beizugählen. Man trägt fie auf den Schultern durch
die Straßen ins Palais Rohal zurüß, Damen warfen ihnen
gus den Fenſtern Blumen und Bänder zu, Mit Trophäen .
beladen erreichten ſie ihr Quartier, Hinter mehreren Flaſchen!
guten Weines feiern fie ihre Thaten, halten e& aber doch
für angemeſſener, ihren Nuhm nicht zu vergrößern, fondern
ſich ſo bald wie möglich aus dem Staube zu machen! Sie
ſetzten ſich auf die nächfte Diligence und kehrten nach Straß-
burg zurück. 8—

— Taubenpoft. — In Belgien, wo der Brieftaubenſport
bejonderS gepflegt wird, bringen die jungen Bürſchen vom
Lande, wenn fie fich zur Militärloſung ftellen, jeder eine
Brieftaube mit. Iſt die Lofung beendet, ſo fchreiben fie Die
gezogene Nummer auf ein Blättchen, befeftigen es unter dem
Flügel der Taube, und dieſe bringt damit den Eltern als-
dann ſchnell die Kunde, ob der Sohn frei ift oder ob er
dienen muß. —

Ztechtzettiger Hunger. — Anı Nachmittag des 5. Januar
1791 liefen auf dem Wallgraben der befeſtigten Stadt
Auronne an der Saone fünf Offiziere der Garnijon Schlitt-
ſchuh! Plötzlich erkläxte der eine: „Ic) gehe jebt nach Haufe;
mein Magen meldet ſich.“ ;

Bleib doch noch eine halbe Stunde! forderten ihn Die
Kameraden auf, „dann gehen wir zuſammen!“ *

Nein mich hungert zu ſehr! Mit dieſen Worten ſchnallte
er die Schlittſchühe ab und entfernte ſich.

Die anderen beluſtigten ſich auf dem Eiſe weiter als mit
einemmal die Decke brach! Keine Rettung war zur Hand,
die vier verfanfen und ertranfen. Der fünfte aber, den der
Hunger nach Hauſe getrieben, mar — Napoleon Bonaparte,
der ſpätere Kaiſer der Franzofen. E, 8.










Sn unſerem Verlage erſchien:








Ale die Erfindungen und Entdeckungen, die während



gemacht werden.



Zu baben in den weiſten Zuchbandtungen.





 
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