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Heft 27.

— DBuUH in NMITeE

659



allein haben. Zu zweien geht ſich's ja auch viel beſſer.

Ich werde dich begleiten.“
Siewers iſt undankbar genug, ihnı gar nicht zu

antworten. Und ſie treten ſchweigend ihre Wanderung











Die Ballonhalle.

an. Brodkorb, der es zu anderen Zeiten liebt, wie eine
Schnecke dahinzuſchleichen, macht heute ſo lange Schritte,
daß der andere mit ſeinen kurzen Beinchen Mühe hat,
ſich an ſeiner Seite zu halten.' Und ein wiederholtes
ärgerliches Knurren des dicken Siewers, dem ſchon der
Schweiß in großen Tropfen auf der Stirne perlt, ſcheint
ihn nur zu immer größerer Eile anzuſpornen.

„Haͤtteſt du mir gleich gefagt, daß du einen ſolchen
Dauerlauf unternehmen wilit,“ feucht er, „ſo würde
ich auf das Vergnügen deiner Begleitung lieber ver-
zichtet haben. Am Ende bin ich ja auch über die Jahre
hinaus, in denen man eines Beſchützers oder eines
— Vormundes bedarf.“


Zweifel! mein Lieher Aber wenn du durchaus meiner
läſtigen Geſellſchaft entgehen wollteſt, hätteſt du eben
bei deinem Vorſatz bleiben und dich im zoologiſchen
Garten amüſieren ſollen.“

„Man wird mich dort kaum ſchmerzlicher vermißt
haben als dich bei dem Kommerzienrat Feibufch. Und






lang für leidlich vernünftig gehalten hat, ſich plötzlich
als ein ausgemachter Narr entpuppt.“
„Siewers!“
„Brodkorb!! ;
Ach, es ift ja lächerlich! Welche Veranlaſſung
habe ich denn, mit dir überhaupt davon zu reden?“
Und ſeine langen Beine greifen ſo mächtig aus,
daß der von Zorn und Anſtrengung ganz erſchöpfte
Siewers jetzt wirklich nicht mehr im ſtande iſt! mit
ihm Schritt zu halten und immer mehr zurückbleibt.
Brodkorb iſt weit



Und was nützte das denn jetzt noch? Wir wollen ihm
lieber eine Zulage geben, damit er heiraten kann.
Denn eigentlich ſind wir ihm doch Dank ſchuldig.
Wer weiß, ob nicht jetzt die Firma Siewers & Brod-
korb der Vergangenheit angehörte, wenn er nicht den
guten Gedanken gehabt haͤtte, ebenfalls den letzten
Zug zu verpaſſen.“

„FJa, das kann ſchon ſein,“ fagt Brodkorb. „Na,
dann laß uns hingehen, ihnen Gluͤck zu wünſchen.“



voraus, kein Zweifel,
daß er der unglücklichen
Buchhalterin zuerſt, als
rettender Engel erſchei-
nen und die ganze Fülle
ihrer Dankbarkeit für
ſich einheimſen wird. —



angewurzelt iſt ſeine lange

geblieben, und er legt die
Hand über die Augen
gleich jemand, der mit ge:
ſpannter Aufmerkſamkeit
ein intereſſantes Schau-
ſpiel beobachtet. Siewers
nimmt den letzten RHeft


um dieſen günſtigen Zufall zu ſeinem Vorteil guszunützen.
Und da der andere ſich auch während der nächſten Minuten
nicht vom Flecke rührt, holt er ihn wirklich wiedex ein,

„Was giebt’S denn da ſo Beſonderes zu ſehen?“
Aber er kommt nicht über
die erſten Worte hinaus, weil ev die Urſache von
Brodkorbs Verweilen nun ebenfalls erſpäht hat und
weil ihm die Sprache verſagt in ſeinem grenzenloſen
Erſtaunen.

Kaum fünfzig Schritte vor ihnen tritt die Land-
ſtraße bis hart an den See heran. Und Dda, un-
mitielbar am ſchilfbewachſenen Ufer, ſteht ein jugend-
liches Menſchenpaar, roſig beleuchtet von den letzten
Strahlen der in purpurnen Gluten untergehenden
Sonne. Der Mann hat ſeinen Arm um die ſchlanke
Geſtalt des Mädchens gelegt, und ihr blondes Köpfchen
ruht an ſeiner Schulter. Die Situation iſt ſo un
zweideutig wie nur möglich. Selbſt ein Kind würde.
erraten, daß die beiden da drüben glückſelige, welt-
vergeſſene Liebesleute ſind Der Zauber des herr-
lichen Abends war gar ſo mächtig und der Weg

von Rehgarten nach Wil-





8—


wahrſcheinlich viel zuträglicher geweſen als dieſer an-
ſtrengende Ausflug.“ ;

„Sorge gefälligſt um deine eigene Gefundheit, mein
beſter Siewers! Ich fühle mich glücklicherweiſe jung
genug noch zu ganz anderen Dingen.“ .

„Vielleicht ſögar zum Heiraten — wie?“

„Warum nicht? — Ih wüßte nicht, mas ſo Ver-
wunderliches daran wüäre.“

„Na, erlaube mal! In deinem Alter! Die ganze
Welt würde ſich ja darüber luſtig machen.“

„So, meinſt du? Aber mit dir wäre es etwas
ganz anderes nicht wahr?“
Das ſollt ich denfen. Du könnteſt ja dem Aus-
ſehen nach beinahe für meinen Vater gelten.“ ?

„Sehr ſchmeichelhaft — in der That! Aber du
brauchſt nur den Hut abzunehmen, um dieſe ſchöne
Illuſion zu zerſtören Schade, daß du dir nicht eine
Perücke angeſchafft haſt, ehe mir Fräulein Giersberg
engagierten. “ ‘ }

Nichts in der Welt iſt für Siewers fo empfindlich
als eine Anſpielung auf ſeine Glaße.

„Du wirſt ausfallend,“ ſagte er ſcharf. „Das iſt
ein ſchlechter Dank für meine gute Abſicht, dich vor einer
ungeheuren Blamage zu bewahren.“

Welche Uneigennützigkeit! Von dieſer noblen Seite
lernte ich dich ja bisher gar nicht kennen.“

„Man erlebt eben immer noch Ueberraſchungen.
Zum Beiſpiel, wenn jemand, den man zwanzig Jaͤhre






Sie haben ſich gefunden,
ohne daß ſie ſagen
könnten, wie es geſchah.

Buchhalter endlich ein-
mal dafür entſchädigen,
daß er ſeit ſo vielen
Wochen immer nur den
Nücken und die Haar-
flechten ſeiner reizenden
jungen Kollegin hat ſehen
dürfen. Nun beneidet
er ſeine Prinzipale nicht
länger.
überhaupt niemand mehr,
denn auf dem ganzen wei-
ten Erdenrund giebt es ja

nach ſeiner Ueberzeugun
feinen glücklichern Menſchen * ſelbſt. * *
Die Fixma Siewers E Brodkorb aber ſtarrt lange in
dumpfem Schweigen auf das liebliche Bild. Es iſt ein
kritiſchex Augenblich Nur ein einziges, ſpöttiſch ſchaden-
frohes Wort, und ſie ſind auf immer gẽſchiedene Leute.
Aber der dicke Siewers iſt im Grunde ein ſeelenguter
Kerl. Und als er ſeinen erſten Aerger













Bei in Heft 22 brachten wir eine eingehende Schilde-
rung von dem rieſigen Luftſchiff des württembergiſchen


gelöſt zu haben glaubt. Der mit großer Spannung erwartete
erſte Aufſtieg des 128 Meter langen Luftſchiffes hal, nachdem
die Erwartungen der ſcharenweiſe herbeigeeilten Zuſchauer
wiederholt getäuſcht worden waren, endlich am 2. Juli, abends
um SUhr, von der Bodenſeebucht Manzell bei Friedrichshafen
aus ſtatkgefunden (ſiehe die beiſtehenden Bilder). Die in
der Bucht verankerte Ballonhalle iſt ein 142 Meter langer,
23,4 Meter breiter und 20,5 Meter hoher hölzerner Schuppen,
der auf Pontons ruht. In dieſer Halle lagert das Luftſchiff,
durch Seile feſtgehalten, auf einem beſonderen Pontonunterbau,
der mit dem Ballon aus der Halle herausgezogen und wieder
in dieſe eingeführt werden kann Nachdem die Füllung des
Ballons aus ſtaͤhlernen, mit komprimiertem Waſſerſtoffgas
gefüllten Behältern beendet war, und am Abend des 1. Juli
bereits ein Vorverſuch ſtattgefunden hatte, erteilte Graf Zep-
pelin am folgenden Abend bald nach 7 Uhr den Befehl, alles
zum Aufſtieg bereit zu machen. Zunächſt wurde das auf dem
von 12 Pontons gebildeten Floß durch Mannſchaften an
Stricken gehaltene Luftſchiff von dem kleinen Schlepper
Bichhorn aus der Halle gezogen. Draußen wurde es auf
die andere Seite der Halle gebracht und dann langſam eine
Strecke weit in den See hinausgeſchleppt, wo die letzten Vor-
bereitungen getroffen wurden! Nun beſtiegen die Teilnehmer
der erſten Faͤhrt die beiden mit dem Ballon durch Geſtänge


links am Ballon gelagerten vierflügeligen Luftſchrauben ent-
hHält. In der vorderen Gondel befanden ſich Graf Zeppelin,
Ingenieur Burr und der Luftſchiffer Freiherr v. Baſſus;
in der hinteren der Afrikareiſende € Wolff und Mechaniker
Groß Nachdem die Halteleinen auf Kommando losgelaſſen


von einem ſchwachen Winde geführt, zunächſt nach Südoſten
ab. Sobald aber die Motoren die Luftſchrauben in Bewegung
ſetzten, konnte das Fahrzeug unter gleichzeitiger Benutzung
des vorderen und hinteren Steuers eine Strecke weit ſeinen
eigenen Kurs in weſtlicher Richtung machen und eine Schleife
heſchreiben! Dann aber brach ein Drahttau der Steuervor-
richtung und deswegen wurde durch Auslaſſen von Waſſer-
ſtoffgas der Abſtieg um 8 Uhr 20 Minuten bei Immenſtaad
bewirkt, während eigentlich die Rückkehr nach der Bucht von
Manzell im Plane gelegen haͤtte. Die beiden Gondeln legten
ſich ganz ſanft auf das Wafſer, die Ballonhülle aber ſtreifte



einen Pfahl! Inzwiſchen waren die Pontons, von denen aus



hinuntergeſchluckt hat, findet er die
rechte Löſung für die aufs höchſte ge-
ſpannte Situation, indem er ſeinem
Freunde jovial auf die eckige Schulter
ſchlägt.

„Darum alſo haben wir dies
Wettrennen veranſtaltet, Alterchen!
Na, jetzt haben wir einander nichts
mehr vorzuwerfen. Denn wir ſind,
wie ich denke, beide gleich große Eſel
gemwelen. ;

Brodkorb zwinkert noch mit den
Augen, als ob er böſe werden wollte,













dann aber beſinnt er ſich eines Beſ-
ſeren und reicht dem alten Freunde
die Hand. . Z .
Zugegeben. Und Schwamm drüber! Aber er iſt doch
ein ganz gefährlicher Duckmäuſer, dieſer Holbach. Ich
hättẽ waͤhrhaftig große Luſt, ihm morgen zu kündigen.“
„Ach Unſinn! Einen ſo tüchtigen und zuper-
läſſigen Menſchen kriegen wir ſo leicht nicht wieder.

Der Ballon fährt nach Südoſten ab.

das Luftſchiff aufgeſtiegen war, herangeſchafft worden. Seine
Befeſtigung auf dem Unterbau erfolgte mit Leichtigkeit, und
der Schlepper brachte nun Floß und Luftſchiff zum Schuppen
zurück, worin die Bergung beider um 1 Uhr morgens be-
endet wurde. ;

*
 
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