584
Das Zud ür Alle
Heft 24.
Auch im Waſſer, an den Ufern des Meeres, giebt
es Pflanzen, welche ein eigentümliches Glänzen und
Leuchten zeigen. Namentlich gilt dies von mehreren
Algen und Tangen. Bei dieſen Gewächſen wird das
Leuchten aber in der Hauptſache durch die Fluo-
rescenz des Erythrophylls, eines den Blüten-
tangen eigentümlichen Farbſtoffes, hervorgerufen.
Auch die kleine einzellige Alge Protococecus at-
Janticus, die oft in ungeheurer Menge (40,000
auf ein Quadratmillimeter) die Oberfläche des
Meeres bedeckt und das ſogenannte Blühen des
Waſſers hervorruft, mag ihren Teil zu dem
Leuchten beitragen.
Eigentümlichen Lichterſcheinungen begegnet
man nicht ſelten in Bergwerken. Dort unten im
finſteren Stollen führen auf dem faulenden Holze
des Zimmerwerks eine nicht geringe Anzahl Ge-
wächfe ihr ſonderbares Leben auf welches ſchon
Alefander v. Humboldt in ſeiner „Unterirdiſchen
Flota? die Aufmerkſamkeit des größeren Publi-
kums lenkte. Ein kleiner Fadenpilz (Byssus
phosphorus) wuchert hier an den mürben
Pfoſten und ſeine weißlichen Fäden, Rhizomorpha
subterranea genannt, verbreiten im Dunklen
einen deutlichen phosphoriſchen Schein. Dies
magiſche Leuchten ſoll oft ſo lebhaft ſein, daß
man dabei leſen könnte. Das Licht geht vorzugs-
weiſe von den Spitzen der vielverzweigten, oft
bis 18 Fuß herabhängenden Fäden aus; doch
leuchten auch zuweilen die übrigen Teile, na-
mentlich die Oberfläche ganz juͤnger Pflanzen.
Ein naͤher Verwandter des obengenaͤnnten Pilzes
macht ſich durch ſeinen Lichtſchein zuweilen auch
an dem feuchten Holze in dumpfigen Brunnen
bemerkhar. ;
Bekannter und verbreiteter als die erwähnten
Pilze iſt der Hallimaſch (Agaricus melleus),
der ebenfalls das morſche Holz mit ſeinen feinen
Myeelfäden durchzieht und gemeinhin als die Ur-
ſache des Holzleuchtens aufgeführt wird. Wer
von unſeren Leſern hat nicht ſchon einmal Ge-
legenheit gehabt, das Leuchten morſchen Holzes
zu beobachten? Oftmals verbreitet ſolches Holz einen
Schein, daß man dabei die Schrift eines nahege-
haltenen Buches deutlich leſen kann. Die ganze Er-
ſcheinung, ſo impoſant ſie auch iſt, hat etwas Unheim-
liches und Geiſterhaftes, und man kann ſich denken,
wie oft ein leuchtender Holzblock ſchon Veranlaſſung zu
Geiſtergeſchichten und Wundermärchen gegeben haben
mag, wie oft abergläubiſche Leute in Furcht und Angſt
Auna Flunger,
die Maria des diesjährigen Oberammergauer Paſſionsſpiels. (S. 583)
Am ſchönſten beobachtet man es in der freien Natur
im Hochſommer und Herbſte nach mehrtägigem Regen-
wetter, wenn das von dem Myeelium durchwucherte
Holz von den atmoſphäriſchen Niederſchlägen befeuchtet
wurde. Doch darf die von dem Holze aufgenommene
Feuchtigkeit ein gewiſſes Maß nicht überſteigen. In
der freien Natur dauert das Leuchten je nach der
Witterung ſechs bis neun Tage, während es im
Zimmer ſchon nach vierundzwanzig Stunden aufhört.
Trocknet das Holz aus, ſo hört das Leuchten ganz auf,
kann aber durch mäßiges Befeuchten wieder hervor-
gebracht werden, doch nicht nach zu langer Zeit.
Säuren und ſiedendes Waſſer zerſtören ſofort die
Leuchtkraft. Dieſe Erſcheinung findet ſowohl
bei Tag als bei Nacht ſtatt, nur wird ſie am
hellen Tage nicht geſehen und kann am beſten
mit dem matten Leuchten des unter Waſſer ge-
haltenen Phosphors verglichen werden.
Außer dem Hallimaſch giebt e& noch andere
Blätterſchwämme, welche Lichterſcheinungen zeigen.
Beſonders iſt noch der in Südeuropa weitver-
breitete Agaricus olearius zu nennen. Dieſer
goldgelbe Schwamm wächſt im Oktober und
November in der ganzen Provence am Fuße
alter Oelbäume. Die Sporenträger am unteren
Teile ſeines Hutes verbreiten einen Schein,
welcher dem von Phosphor in Oel aufgelöſt
ähnelt. Das Leuchten findet nur am lebenden
Pilze ſtatt, ſolange er hinreichend Sauerſtoff
aus ſeiner Umgebung einatmen kann, hört da-
gegen bei zu tiefen und zu hohen Wärmegraden,
ſowie im fauerſtoffleeren Raume auf. Eine Er-
höhung der Temperatur iſt dabei nicht zu be-
merken. Zunden ſogenannten Glühpilzen gehört
ferner Agaricus igneus auf Amboina, Agaricus
noctilucens auf Manila und Agaricus Gard-
neri in Braſilien, die alle einen mehr oder min-
der ſtarken Lichtſchein von ihren Sporenträgern
ausſenden.
Was nun die Natur und Urſache des Leuch-
tens der Schwämme betrifft, ſo müſſen wir ge-
ſtehen, daß die Anſichten darüber auseinander
gehen, und die diesbezüglichen Unterſuchungen noch
nicht abgeſchloſſen ſind. Wahrſcheinlich hängt
dieſe Erſcheinung mit der Atmung und einer
Wärmeausſtrahlung, die auf die Oxydation der
Eiweißſtoffe zurückzuführen iſt, zuſammen. eber
den Vorteil, welchen das Leuchten für die Pflanze.
ſelbſt hat, äußert ſich Kerner wie folgt! „Am
wahrſcheinlichſten iſt es, daß den Pilzmücken
und Pilzkäfern, welche ihre Eier in die Myeelien und
Sporenträger der Hymenomyeeten (Hautpikze) legen, und
die mit der Verbreitung der Sporen im Zufammen-
hange ſtehen, in der dunklen Nacht der Weg gezeigt wird.
Viele dieſer Mücken und Käferchen fliegen nur bei Nacht
und wenden ſich, wie ſo viele geflügelte Nachttiere, bei
ihrem Fluge leuchtenden Gegenſtänden zu. Es wäre
nun immerhin möglich, daß das von den genannten
Das Zud ür Alle
Heft 24.
Auch im Waſſer, an den Ufern des Meeres, giebt
es Pflanzen, welche ein eigentümliches Glänzen und
Leuchten zeigen. Namentlich gilt dies von mehreren
Algen und Tangen. Bei dieſen Gewächſen wird das
Leuchten aber in der Hauptſache durch die Fluo-
rescenz des Erythrophylls, eines den Blüten-
tangen eigentümlichen Farbſtoffes, hervorgerufen.
Auch die kleine einzellige Alge Protococecus at-
Janticus, die oft in ungeheurer Menge (40,000
auf ein Quadratmillimeter) die Oberfläche des
Meeres bedeckt und das ſogenannte Blühen des
Waſſers hervorruft, mag ihren Teil zu dem
Leuchten beitragen.
Eigentümlichen Lichterſcheinungen begegnet
man nicht ſelten in Bergwerken. Dort unten im
finſteren Stollen führen auf dem faulenden Holze
des Zimmerwerks eine nicht geringe Anzahl Ge-
wächfe ihr ſonderbares Leben auf welches ſchon
Alefander v. Humboldt in ſeiner „Unterirdiſchen
Flota? die Aufmerkſamkeit des größeren Publi-
kums lenkte. Ein kleiner Fadenpilz (Byssus
phosphorus) wuchert hier an den mürben
Pfoſten und ſeine weißlichen Fäden, Rhizomorpha
subterranea genannt, verbreiten im Dunklen
einen deutlichen phosphoriſchen Schein. Dies
magiſche Leuchten ſoll oft ſo lebhaft ſein, daß
man dabei leſen könnte. Das Licht geht vorzugs-
weiſe von den Spitzen der vielverzweigten, oft
bis 18 Fuß herabhängenden Fäden aus; doch
leuchten auch zuweilen die übrigen Teile, na-
mentlich die Oberfläche ganz juͤnger Pflanzen.
Ein naͤher Verwandter des obengenaͤnnten Pilzes
macht ſich durch ſeinen Lichtſchein zuweilen auch
an dem feuchten Holze in dumpfigen Brunnen
bemerkhar. ;
Bekannter und verbreiteter als die erwähnten
Pilze iſt der Hallimaſch (Agaricus melleus),
der ebenfalls das morſche Holz mit ſeinen feinen
Myeelfäden durchzieht und gemeinhin als die Ur-
ſache des Holzleuchtens aufgeführt wird. Wer
von unſeren Leſern hat nicht ſchon einmal Ge-
legenheit gehabt, das Leuchten morſchen Holzes
zu beobachten? Oftmals verbreitet ſolches Holz einen
Schein, daß man dabei die Schrift eines nahege-
haltenen Buches deutlich leſen kann. Die ganze Er-
ſcheinung, ſo impoſant ſie auch iſt, hat etwas Unheim-
liches und Geiſterhaftes, und man kann ſich denken,
wie oft ein leuchtender Holzblock ſchon Veranlaſſung zu
Geiſtergeſchichten und Wundermärchen gegeben haben
mag, wie oft abergläubiſche Leute in Furcht und Angſt
Auna Flunger,
die Maria des diesjährigen Oberammergauer Paſſionsſpiels. (S. 583)
Am ſchönſten beobachtet man es in der freien Natur
im Hochſommer und Herbſte nach mehrtägigem Regen-
wetter, wenn das von dem Myeelium durchwucherte
Holz von den atmoſphäriſchen Niederſchlägen befeuchtet
wurde. Doch darf die von dem Holze aufgenommene
Feuchtigkeit ein gewiſſes Maß nicht überſteigen. In
der freien Natur dauert das Leuchten je nach der
Witterung ſechs bis neun Tage, während es im
Zimmer ſchon nach vierundzwanzig Stunden aufhört.
Trocknet das Holz aus, ſo hört das Leuchten ganz auf,
kann aber durch mäßiges Befeuchten wieder hervor-
gebracht werden, doch nicht nach zu langer Zeit.
Säuren und ſiedendes Waſſer zerſtören ſofort die
Leuchtkraft. Dieſe Erſcheinung findet ſowohl
bei Tag als bei Nacht ſtatt, nur wird ſie am
hellen Tage nicht geſehen und kann am beſten
mit dem matten Leuchten des unter Waſſer ge-
haltenen Phosphors verglichen werden.
Außer dem Hallimaſch giebt e& noch andere
Blätterſchwämme, welche Lichterſcheinungen zeigen.
Beſonders iſt noch der in Südeuropa weitver-
breitete Agaricus olearius zu nennen. Dieſer
goldgelbe Schwamm wächſt im Oktober und
November in der ganzen Provence am Fuße
alter Oelbäume. Die Sporenträger am unteren
Teile ſeines Hutes verbreiten einen Schein,
welcher dem von Phosphor in Oel aufgelöſt
ähnelt. Das Leuchten findet nur am lebenden
Pilze ſtatt, ſolange er hinreichend Sauerſtoff
aus ſeiner Umgebung einatmen kann, hört da-
gegen bei zu tiefen und zu hohen Wärmegraden,
ſowie im fauerſtoffleeren Raume auf. Eine Er-
höhung der Temperatur iſt dabei nicht zu be-
merken. Zunden ſogenannten Glühpilzen gehört
ferner Agaricus igneus auf Amboina, Agaricus
noctilucens auf Manila und Agaricus Gard-
neri in Braſilien, die alle einen mehr oder min-
der ſtarken Lichtſchein von ihren Sporenträgern
ausſenden.
Was nun die Natur und Urſache des Leuch-
tens der Schwämme betrifft, ſo müſſen wir ge-
ſtehen, daß die Anſichten darüber auseinander
gehen, und die diesbezüglichen Unterſuchungen noch
nicht abgeſchloſſen ſind. Wahrſcheinlich hängt
dieſe Erſcheinung mit der Atmung und einer
Wärmeausſtrahlung, die auf die Oxydation der
Eiweißſtoffe zurückzuführen iſt, zuſammen. eber
den Vorteil, welchen das Leuchten für die Pflanze.
ſelbſt hat, äußert ſich Kerner wie folgt! „Am
wahrſcheinlichſten iſt es, daß den Pilzmücken
und Pilzkäfern, welche ihre Eier in die Myeelien und
Sporenträger der Hymenomyeeten (Hautpikze) legen, und
die mit der Verbreitung der Sporen im Zufammen-
hange ſtehen, in der dunklen Nacht der Weg gezeigt wird.
Viele dieſer Mücken und Käferchen fliegen nur bei Nacht
und wenden ſich, wie ſo viele geflügelte Nachttiere, bei
ihrem Fluge leuchtenden Gegenſtänden zu. Es wäre
nun immerhin möglich, daß das von den genannten