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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 46.1911

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Heft 8
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https://doi.org/10.11588/diglit.60742#0193
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des Königs betrat, kam ihm dieser mit finsterer
Miene entgegen.
„Herr Oberrichter," begann der jugendliche Herr-
scher, dessen Charakter aus den seltsamsten Wider-
sprüchen zusammengesetzt war, „in der letzten Nacht
ist in der Candilstraße ein Mord verübt worden.
Euch dürfte das bekannt fein — nicht wahr?"
„Ein Mord? Nein, ich weiß noch nichts davon."
„Da scheinen Eure Wächter ja bereits sehr in
ihrem Pflichteifer nachgelassen zu haben."
„Die Vorfälle der Nacht werden mir gemeldet
werden, sobald ich wieder daheim bin," erklärte Pas-
quale ohne jede Empfindlichkeit.
„Ich wünsche binnen drei Tagen Bericht von Euch
darüber, ob der Mörder entdeckt ist," sagte hierauf
Don Pedro kurz und entließ den Oberrichter.
Dieser war kaum zu Hause angelangt, als auch
schon mehrere Alguazils auf einer Bahre einen ver-
hüllten Leichnam in den Hof trugen. Der Führer
der Wächter berichtete, eine Patrouille fei vor etwa
zwei Stunden durch die Candilstraße gekommen und
dort auf die Leiche des Wächters Antonio Mendez
gestoßen. Der Körper des Toten weise eine tiese
Stichwunde mitten in der Brust auf. Von dem
Mörder habe man keine Spur gefunden, und auch
die Nachfragen in den umliegenden Häusern seien
ohne Erfolg geblieben. . Niemand habe in der Nacht
auffallenden Lärm oder sonst etwas Besonderes be-
merkt. x,
*
Als Juan Pasquale nach drei Tagen wieder vor
Don Pedro erschien, um ihm die befohlene Meldung
zu machen, empfing ihn der König mit einem nichts
Gutes verratenden Lächeln.
„Nun, Herr Oberrichter, wo habt Ihr den Mör-
der?" fragte er.
„Es ist mir noch nicht gelungen, ihn zu entdecken,"
war die offene Antwort.
„Und Ihr habt auch keine Spuren gefunden, die
Euch auf die Person des Täters hinführen könnten?"
„Bisher nicht."
„Nun, Herr Oberrichter, so gebe ich Euch noch
eine Woche Zeit," sagte der König. „Ist der Mord
bis dahin noch nicht aufgeklärt, so fällt Euer Kopf!
Ihr kennt ja die Bedingungen, unter denen Ihr
Euer Amt übernommen habt."
Damit war Juan Pasquale entlassen.
Sinnend schritt er durch die Straßen dahin. Er
ahnte, daß die Höflinge, denen er mit seiner Un-
bestechlichkeit und strengen Gerechtigkeitsliebe ein
Dorn im Auge war, Don Pedro gegen ihn aufgehetzt
hatten, und daß der wankelmütige Sinn des jungen
Herrschers längst vergessen hatte, welche Vorgeschichte
die Ernennung seines neuen Oberrichters gehabt.
Trotzdem war Pasquale keineswegs mutlos.
Wieder stand der Oberrichter vor seinem König.
„Nun," fragte dieser kalt, „wißt Ihr Neues über
den Fall Antonio Mendez?"
„Ich kenne den Mörder," entgegnete Juan
Pasquale.
Für einen Augenblick herrschte tiefe Stille in
dem Gemach. Dann fragte der König weiter: „Und
wer ist's?"
„Ihr selbst, Don Pedro, König von Kastilien!"
„Habt Ihr Beweise?" entgegnete der also Be-
schuldigte, der diese Antwort erwartet zu haben
schien, höhnisch.
„Ich habe," erwiderte der Oberrichter, „mir die
Frage vorgelegt, woher wohl Ihr selbst an jenem
Morgen, als Ihr mich rufen ließet und mir von dem
Verbrechen in der Candilstraße Nachricht gabt, schon
zu so ungewöhnlich früher Stunde etwas davon
erfahren haben könntet. Diese Frage erschien mir
bedeutungsvoll genug, ihr mit aller Vorsicht, um
Eure hohe Person nicht irgendwie bloßzustellen, auf
den Grund zu gehen. Ich forschte Eure Diener-
schaft in meiner Eigenschaft als Oberrichter aus und
erfuhr so, daß Ihr in jener Nacht Euren Palast ohne
Begleitung verlassen hättet. Weiter brachte ich her-
aus, daß Ihr in letzter Zeit häufig dem in der
Candilstraße wohnenden Don Estreso nächtliche Be-
suche abgestattet habt. Die Möglichkeit, Ihr selbst
könntet damals durch die betreffende Straße ge-
gangen und dabei mit Antonio Mendez in Streit
geraten sein, lag hiernach schon vor. Nun wurde
zudem, wie Euch bekannt sein dürfte, das Signal-
horn des ermordeten Wächters in einem mit einer
Mauer umfriedeten Hofe gefunden, der dicht bei
der Mordstelle liegt. An dem Haken dieses Hornes,
der die Schnur zum Umhängen hält, hatte ich be-
reits am Tage nach dem Verbrechen ein Stück feiner,
seidener Spitze entdeckt, das nur von dem Armel-
besatz eines vornehmen Herrn herrühren konnte, und
nach meiner Überzeugung dem Mörder beim Ringen
mit seinem Opfer abgerissen worden war. Und dieses

Stückchen Spitzenbesatz gehört zu demselben Gewand,
das Ihr, Don Pedro, in jener Nacht nach der Aus-
sage Eurer Diener getragen habt. Weiter stellte ich
fest, daß keiner Eurer Bedienten und auch sonst nie-
mand, mit dem Ihr an dem Morgen nach jenem
Morde zusammengekommen wart, Euch etwas von
dem verabscheuungswürdigen Vergehen erzählt hatte,
auch nichts erzählt haben konnte, da nur meinen
Wächtern das Geschehene bekannt war, und die Tat
sonst keine Zeugen gehabt hatte. Woher also stammte
Eure Wissenschaft? — Die Antwort war hiernach
gegeben: Ihr selbst hattet mindestens mit eigenen
Augen gesehen, daß Antonio Mendez erstochen wurde,
hattet es gesehen und doch keine Anzeige erstattet, zu
der Ihr als König mehr denn jeder andere verpflichtet
gewesen wäret! Und nun frage ich Euch, Don Pedro,
auf Ehre und Gewissen: wenn Ihr selbst all dieses
Belastungsmaterial gegen einen Mann zusammen-
getragen hättet, würdet Ihr diesen so schwer Ver-
dächtigten nicht auch für den Täter halten?"
Don Pedro schaute finster zu Boden. Er schien
mit sich zu kämpfen. Dann aber sagte er fest: „Ja,
ich habe den Wächter getötet, aber nicht wie ein
feiger Meuchelmörder, sondern in gesetzlicher Selbst-
verteidigung."
„Es gibt keine gesetzliche Selbstverteidigung gegen
einen Diener der Gerechtigkeit, der in Ausübung
seiner Pflichten handelt!"
„Er trat mir in den Weg, weil ich eine Maske
trug. Das ist richtig."
„Also wußtet Ihr, daß Ihr Euch der Ausübung
eines Gesetzes entgegenstelltet, das Ihr selbst ge-
nehmigt habt. Euer "königlicher Rang, weit entfernt
in diesem Falle eine Entschuldigung zu sein, hätte
Euch belehren müssen, daß, je höher Ihr steht, um
so erhabener Euer Beispiel sein sollte."
Der König, getroffen von der Wahrheit dieser
Worte, verharrte in finsterem Schweigen.
„Ich fordere Euch hiernach aus, Don Pedro von
Kastilien," fuhr der Oberrichter würdevoll fort, „Euch
morgen mittag auf dem Platze der Giralda einzu-
finden, um dort das Urteil zu vernehmen, das die
Gerechtigkeit über Euch auszusprechen für gut finden
wird."
Die Hand Don Pedros zuckte nach dem Degen.
Aber unter den auf ihn gerichteten ehrlichen Augen
Juan Pasquales wandelte sich der Grimm bald in
Bewunderung. Das Bewußtsein, in diesem un-
erschrockenen Richter einen seltenen Charakter ent-
deckt zu haben, ward um so stärker in Don Pedro,
als er sich sonst nur von schmeichlerischen Höflingen
umgeben sah, die dieser einfache Mann in seiner
schlichten Größe weit an wahrem Wert überragte.
„Ich werde Eurer Vorladung Folge leisten, Herr
Oberrichter," sagte er. „Ihr habt Euren eigenen
König besiegt. Was Ihr mir vorwerft, ist berechtigt."
Die Nachricht von diesem sonderbaren Vorgang
hatte sich wie ein Lauffeuer in ganz Sevilla ver-
breitet. Die Vorladung des Königs vor das höchste
Gericht, deren Ergebnis niemand voraussehen konnte,
der Gehorsam Don Pedros gegen einen seiner Be-
amten, ganz besonders aber die Frage, in welcher
Weise Juan Pasquale von dem königlichen An-
geklagten Sühne verlangen würde — all das rief
die lebhafteste Spannung hervor.
Schon von Tagesanbruch an versammelte sich
eine ungeheure Menschenmasse auf dem Platze der
Giralda, wo auf einem erhöhten Gerüst hinter einem
schwarzverhangenen Tische der Gerichtshof Platz
nehmen sollte, während rechts davon eine Holzstatue
stand, die mit den Insignien des Königs bekleidet
war und deren Gesichtszüge eine deutliche Ähnlich-
keit mit denen Don Pedros zeigten.
Pünktlich zur Mittagstunde erschien zuerst der
Gerichtshof in voller Amtstracht, umgeben von der
Leibwache des Oberrichters, dahinter der Henker
mit seinen Gehilfen. Mit ehrfurchtsvollem Schwei-
gen empfing die Menge den Zug. Kaum hatten
die Richter auf der erhöhten Bühne Platz genommen,
als auch schon der König in Begleitung von zwei
unbewaffneten Höflingen den Platz betrat. Man
hatte allgemein erwartet, Don Pedro würde eine
große bewaffnete Macht mit sich führen. Wie er
nun so ohne alles Gepränge nahte, begrüßte ihn
sein Volk mit jubelndem Zuruf, wie ihn Don Pedro
noch nie so begeistert und anhaltend gehört hatte.
Aber ein dumpfer Trommelwirbel gebot Schwei-
gen, als der König die Stufen zu dem Gerüst
emporstieg.
Der Gerichtshof hatte sich von seinen Sitzen er-
hoben, als Don Pedro vor den schwarzverhangenen
Tisch hintrat.
„Ich danke Euch, daß Ihr gekommen seid, Don
Pedro von Kastilien," sprach Juan Pasquale mit
weithin vernehmbarer Stimme. „Und ebenso wer-
den Euch alle Eure Untertanen Dank wissen, weil

Ihr Euch ebenso der Gerechtigkeit beugen wollt,
wie der geringste Bettler es tun muß."
Wieder lief lautes Beifallsrufen durch die Massen
der Zuschauer wie das Branden einer starken See.
„Don Pedro von Kastilien," fuhr der Oberrichter
fort, „Ihr seid angeschuldigt und überwiesen, an der
Person des Scharwächters Antonio Mendez, wäh-
rend er sein Amt ausübte, einen Mord begangen
zu haben. Und dieses Verbrechen verdient nach dem
einmütigen Ausspruch des Gerichts — den Tod."
Lautlose Stille folgte. Aller Augen waren auf
den König gerichtet, der in zwanglöser Haltung,
aber bleichen Antlitzes dastand.
„Ich spreche folglich," fuhr Juan Pasquale nach
kurzer Pause fort, „über Euch das Todesurteil aus.
Da aber Eure Person geheiligt ist und niemand
außer Gott, der Euch die Krone aufs Haupt setzte,
Hand an dieses Haupt legen darf, so soll dieses
Urteil an Eurem Bilde vollzogen werden. — Henker,
tue deine Pflicht!"
Ein Schwertstreich — und der Kopf der mit den
königlichen Insignien geschmückten Holzstatue fiel
dumpf polternd auf das Gerüst herab.
„Jetzt," sprach Juan Pasquale weiter, „soll dieses
Haupt an der Straßenecke, wo Antonio Mendez
getötet wurde, während eines Monats aufgestellt
bleiben zur Erinnerung an einen König, der selbst
gegen seine eigene Person der Gerechtigkeit freien
Lauf ließ. — Ihr aber, Don Pedro, möget nunmehr
in Euren Palast zurückkehren. Die Gerichtsitzung
ist aufgehoben."
„Halt!" rief da der König, sich an das Volk wen-
dend. „Hört, ihr Bürger von Sevilla, was ich euch
noch zu sagen habe. — Juan Pasquale, würdiger
Oberrichter, tretet hier neben mich und reicht mir
die Hand. Ich habe eingesehen, daß ich die Leitung
meiner Rechtspflege in der Tat keinem Würdigeren
als Euch übertragen konnte. Ich bestätige Euch also
in dem Amt, daß Ihr bisher so treu und unparteiisch
verwaltet habt. Euer Spruch ist gerecht. Er werde
vollzogen, wie Ihr befahlt, nur soll an jener Straßen-
ecke mein in Stein ausgehauenes Haupt für alle
Zeiten ausgestellt werden, damit die Nachwelt stets
an den Gehorsam erinnert sei, den jeder, ob König
oder Knecht, dem Gesetze schuldig ist!"
Noch heute kann man an der Ecke der Straße
del Candilejo in Sevilla einen in einer Nische stehen-
den, aus Marmor gemeißelten Jünglingskopf sehen,
von dem das Volk versichert, daß es derselbe sei,
der im Jahre 1357 auf Geheiß König PedrVs von
Kastilien dort aufgestellt wurde.

Rillige 5chmucksteine.

von ftda n. öei^dorff.

tNachdruck ori-vot-n.!

Kicht von bekannten echten Volledelsteinen
I möchte ich heute ein wenig plaudern. Da -
über ist schon erschöpfend viel gesagt, und
« unsere Frauenwelt weiß Bescheid mit allen

solchen Schmucksteinen, sogar auch über ihre Ent-
stehung, Fundstellen, Gewinnung und Verwertung.
Besonderes Interesse haben sie übrigens ja eigent-
lich nur für die — und das sind nicht viele unserer
Frauen —, die sich den Luxus echter Edelsteine auch
wirklich gestatten können. Weit, weit mehr können
das nicht und greifen daher oft zur Imitation, zum
falschen Steine, um sich zu schmücken.
Eine Toilette, schon ein einfaches Hauskleid ist
ja auch kaum ohne irgend ein Schmuckstück als Ab-
schluß zu denken. Eine Brosche, Schnalle oder Nadel
ist fast eine Notwendigkeit. Gar nicht zu gedenken
des tief, tief in allen Menschen, gewiß nicht allein
in den Frauen, ruhenden Sehnens nach Schmuck,
das heißt nach Schönheit in der eigenen Person.
In alten Zeiten taten es die Männer sogar den
Frauen darin fast zuvor. Man denke nur an die
edelsteinverzierten Arm- und Beinringe, die Stirn-
reifen, Helme und Schwertzierate der alten römischen
und germanischen Männer und ebenso der wilden
Völkerschaften.
Imitationen aller Art von echten Edelsteinen
werden heute zu billigsten Preisen und in oft ganz
vorzüglicher Ausführung auf den Markt gebracht,
damit auch Unbemittelte sich und anderen den stolzen
Besitz von funkelndem Steinschmuck vortäuschen
können. Aber es bleibt eben immer eine Täuschung,
die mancher, der doch nicht anders kann oder zu
können glaubt, oft recht peinlich empfindet.
Und dabei braucht er das gar nicht. Er kann sich
mit herrlichen und echten Steinen schmücken — aus-
genommen allein den Brillanten. Es gibt wunder-
volle Schmucksteine, die keineswegs imitiert sind,
sondern durchaus das Prädikat „echt" für sich be-
 
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