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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 49.1914

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VarLuchfüsfM
Illustrielle I'smil'ienreitung
7. kjest. 1914.
Oopxriskt ISIS bx.Union vsutseds VorlLZsseseUsokLkt. Stuttgart.

Der Werwolf.
stoman von fnednch jsacobsen.

lrottsepung.)

(Nachdruck oei-doicn.)


rank hatte eine schlaflose Nacht hinter sich,
trotzdem sein Bett in einem besonders
stillen, nach hinten gelegenen Raum stand.
Er hörte sogar das Ticken seiner Taschen-
uhr.

So etwa mußte es in einem Krankenzimmer sein,
nur daß da noch das Nachtlicht hinzukam, von dem
die geheimnisvollen Schatten ausgehen — und die
Gestalt der Pflegerin.
Ihrer Sorge und Pflichttreue ist das Leben eines
Menschen anvertraut, der vielleicht gelähmt und hilf-
los in den Kissen liegt, dessen Gedanken über die
Tiefe wandern und dessen Lippen Fieberphantasien
murmeln. Und es ist eine schreckliche Vorstellung,
daß die Pflegerin ihre Macht mißbrauchen könnte.
In einem Wahn oder aus falscher Barmherzigkeit.

Denn wer ist Herr über Leben und Tod, oder wer
wäre so allwissend, daß er den tiefsten Geheimnissen
der Natur nachgehen könnte?
Niemand — nicht einmal der Arzt!
Das waren die Gedanken, die wie flatternde
Nachtvögel um Franks Lager irrten, und als der
graue Wintermorgen heraufgekrochen kam, fand er
einen müden und zerschlagenen Menschen.
Frank Groote hatte mit einem befreundeten An-
walt ein Kartell abgeschlossen: sie wollten sich gegen-
seitig für ein paar Wochen vertreten, wenn einmal
plötzlich das Bedürfnis nach Ausspannung über einen
von ihnen herfallen sollte. Und das war jetzt so weit,
es war zu einem physischen Zwang geworden.
Das Telephon brachte die Sache rasch in Ord-
nung, der Kollege erklärte sich sofort bereit und fügte
noch hinzu: „Viel Glück auf die Reise!"
Ganz heimlich wollte Frank sich doch nicht weg-
schleichen, es kam ja auf einige Stunden früher oder
später nicht an. Gegen Mittag machte er sich auf
den Weg nach der Villa Sellentin — langsam und
mit schwerem Herzen.

Denn was sollte er dieser Frau sagen, die ihn
als ihr Eigentum betrachtete, die aber auch bereit
war, seinetwegen Brauch und Sitte für nichts zu
achten, die bereit war, dem Wink feiner Augen zu
folgen bis an das Ende der Welt?
Daß er nach England reisen wollte, um sich dort
möglicherweise zu verloben? Das sagt selbst der
Sohn feiner Mutter nicht, das verschweigt der Freund
dem Freunde, einem anderen Weibe aber wird es
nur auf Elfenbeinpapier oder durch die Zeitung kund-
getan. Denn in solchen Dingen ist die Männerwelt
diskret oder — feig.
Oder sollte er sie schmähen und eine Giftmischerin
schelten und im Zorne von ihr scheiden wie ein selbst-
gerechter Pharisäer?
Dessen schämte er sich, aber sehen mußte er sie
doch noch einmal — und dann nicht mehr!
Er traf eine heillose Verwirrung an. Die gnädige
Frau sei fort — verschwunden, vielleicht umgebracht
oder entführt. Heutzutage könne man ja an alles
glauben. Ihr Lager sei unberührt, die Sachen sämt-
lich vorhanden, denn nach Behauptung der Zofe,

Vie Enthüllung des Prlnrregent-Luilpold-Venkrnals in München, lisch elner Photographie von saeger 8 Soergen in München. (8 1SZ)


VII. 191t.
 
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