Va58uchfül*fM
Mstnette ^amilienreitung
27. kiest. 1914.
aopz'rjAlit. IS14 bx Union ventsods VerlogsgeseNsodnN, Stuttgart.
liei'l'eni'echl.
I^oman von stennette o. Meecheimb.
lrott,eftl>ngU .wachdru« o^volrn.)
lW^^Dräulein v. Ncdwitz faßte meine Worte viel
VmMD äu buchstäblich auf," entgegnete Jürgen
8v"" der Leyen unbehaglich auf den Ein-
8 wand seiner Mutter. „Der Sinn, den
i sie daraus entnahm, lag mir ganz fern.
Aber natürlich liegt es, allein in ihrer Hand, unsere
Beziehungen zueinander zu bestimmen."
„Närrisch bist und weiter nix!" schalt die alte
Frau. Sie gab ihrer Mullhaube einen energischen
Ruck. „Gebt euch lieber einen herzhaften Kuß, da-
mit ich seh', daß ihr richtig versprochen seid! Na, vor-
wärts! Wird's bald? — Wie ich so alt war wie Sie,
Lonerl, da hat man mir's net zweimal zu sagen
brauchen, daß ich meinem Schatz ein Busserl geben
dürst'."
Ilona stand stocksteif. Jürgen van der Leyen
runzelte die Stirn. Er fand seine Blutter unglaub-
lich taktlos.
Nach kurzem Zögern nahm er Ilonas Hand und
führte sie stumm an die Lippen.
„Bravo! Das hast fein gemacht, Bub!" spottete
die alte Dame. „Grad als ob das Lonerl deine Groß-
mutter wär'! Mein Gott, was seid ihr für närrische
Leut'!"
Mit einer ihm sonst fremden Befangenheit beugte
sich van der Leyen zu Ilona, um sie zu küssen.
Sie wandte den Kopf zur Seite, so daß seine
Lippen nur flüchtig ihre Wange streiften. Trotzdem
wurde sie dunkelrot, und ihr Herz schlug heftig.
Auch sein Atem ging rasch. „Verzeihen Sie,
aber meine Mutter gab ja keine Ruhe," sagte er leise.
„Ich selbst würde Ihnen niemals einen Liebes-
beweis abgezwungen haben, der Ihnen unange-
nehm ist."
„Das weiß ich." Ohne ihr: anzusehcn, trat sie
zu der alten Frau.
Jürgen versetzte, daß er nach seinem Kinde sehen
wolle, und ging schnell hinaus.
„Jetzt erklären S' mir aber ums Himmels willen,
was das alles bedeuten soll," drängte Frau van der
Leyen. „Warum wollt ihr denn eigentlich heiraten,
wenn ihr euch net küssen mögt?"
„Weshalb Ihr Herr Sohn mich heiraten will,
das sagte ich bereits," antwortete Ilona mit unten
drückter Bewegung. „Und was mich betrifft, nun,
ich heirate ihn, damit er mit seinem Geld meiner
Schwester hilft. Für dies Versprechen gab ich ihm
mein Wort."
„Und das ist Ihnen arg schwer geworden?"
„Ja."
„Mögen S' meinen Bub'n net leiden? Armes
XXVII. 1914.
Uns dem Lromenabedeck. Nach einem Semälde von kj. harrS. (8. S8Y)
Mstnette ^amilienreitung
27. kiest. 1914.
aopz'rjAlit. IS14 bx Union ventsods VerlogsgeseNsodnN, Stuttgart.
liei'l'eni'echl.
I^oman von stennette o. Meecheimb.
lrott,eftl>ngU .wachdru« o^volrn.)
lW^^Dräulein v. Ncdwitz faßte meine Worte viel
VmMD äu buchstäblich auf," entgegnete Jürgen
8v"" der Leyen unbehaglich auf den Ein-
8 wand seiner Mutter. „Der Sinn, den
i sie daraus entnahm, lag mir ganz fern.
Aber natürlich liegt es, allein in ihrer Hand, unsere
Beziehungen zueinander zu bestimmen."
„Närrisch bist und weiter nix!" schalt die alte
Frau. Sie gab ihrer Mullhaube einen energischen
Ruck. „Gebt euch lieber einen herzhaften Kuß, da-
mit ich seh', daß ihr richtig versprochen seid! Na, vor-
wärts! Wird's bald? — Wie ich so alt war wie Sie,
Lonerl, da hat man mir's net zweimal zu sagen
brauchen, daß ich meinem Schatz ein Busserl geben
dürst'."
Ilona stand stocksteif. Jürgen van der Leyen
runzelte die Stirn. Er fand seine Blutter unglaub-
lich taktlos.
Nach kurzem Zögern nahm er Ilonas Hand und
führte sie stumm an die Lippen.
„Bravo! Das hast fein gemacht, Bub!" spottete
die alte Dame. „Grad als ob das Lonerl deine Groß-
mutter wär'! Mein Gott, was seid ihr für närrische
Leut'!"
Mit einer ihm sonst fremden Befangenheit beugte
sich van der Leyen zu Ilona, um sie zu küssen.
Sie wandte den Kopf zur Seite, so daß seine
Lippen nur flüchtig ihre Wange streiften. Trotzdem
wurde sie dunkelrot, und ihr Herz schlug heftig.
Auch sein Atem ging rasch. „Verzeihen Sie,
aber meine Mutter gab ja keine Ruhe," sagte er leise.
„Ich selbst würde Ihnen niemals einen Liebes-
beweis abgezwungen haben, der Ihnen unange-
nehm ist."
„Das weiß ich." Ohne ihr: anzusehcn, trat sie
zu der alten Frau.
Jürgen versetzte, daß er nach seinem Kinde sehen
wolle, und ging schnell hinaus.
„Jetzt erklären S' mir aber ums Himmels willen,
was das alles bedeuten soll," drängte Frau van der
Leyen. „Warum wollt ihr denn eigentlich heiraten,
wenn ihr euch net küssen mögt?"
„Weshalb Ihr Herr Sohn mich heiraten will,
das sagte ich bereits," antwortete Ilona mit unten
drückter Bewegung. „Und was mich betrifft, nun,
ich heirate ihn, damit er mit seinem Geld meiner
Schwester hilft. Für dies Versprechen gab ich ihm
mein Wort."
„Und das ist Ihnen arg schwer geworden?"
„Ja."
„Mögen S' meinen Bub'n net leiden? Armes
XXVII. 1914.
Uns dem Lromenabedeck. Nach einem Semälde von kj. harrS. (8. S8Y)