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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 49.1914

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DazLuch MfM
Illustrierte Lsmilienreitung
23. Hest. 1914.
NoMriglU ISI4 bx Union vsntseks VkrI-tZsxsssIIsvtmtt, StuttAnrt.

Herrenrecht.
koman von Henriette o. Meerheimd.
(fvftsekung.) —. .. . . (Nachdruck oerdoten.)
ie glauben offenbar, daß alles käuflich ist,
Herr van der Leyen?" fragte Ilona scharf.
l „Das meiste — ja."
„Aber ich nicht." Ilona stand hochauf-
! gerichtet mit blitzenden Augen vor ihm.
„Beleidigt Sie mein Angebot?" "lenkte er ein.
„Dann bitte ich um Verzeihung. Ich weiß sehr
Wohl, daß das Geld Sie nicht verlocken wird. Aber
ich behandle gern alle geschäftlichen Dinge unpersön-
lich — rein'geschäftlich."
„Ich auch, Herr van der Leyen. Und darum
werden Sie es mir nicht verübeln, wenn ich Ihren
Vorschlag ablehne. Ich kann als Krankenpflegerin
Ihrer Kohlenarbeiter Gehalt von Ihnen nehmen,
in Ihrem persönlichen Dienst wäre mir das unmög-
lich. In meiner freien Zeit komme ich mit Freuden
zu Manfred, bin auch bis jetzt, da keine ansteckenden
Krankheiten im Dorf herrschen, sehr häufig bei ihm
gewesen. Das setze ich gern fort, weil ich das Kind
liebhabe. Aber ich komme freiwillig und nicht als
bezahlte Bonne oder als was Sie mich sonst zu
engagieren belieben."

Van der Lehen war so wenig gewöhnt, daß seine
Vorschläge nicht wie Befehle aufgefaßt und sofort
angenommen wurden, daß sich ein ungläubiges Er-
staunen in seinen Zügen ausdrückte. „Sie weisen
also mein Anerbieten zurück?" fragte er, als ob er
seinen Ohren nicht traue.
„Ja. Bitte, kommen Sie nicht wieder darauf
zurück."
„Nun, dann auf ein anderes," sagte er nach-
denklich. „Sie wissen, daß ich meinem Kinde jeden
Wunsch erfülle, den ich erfüllen kann."
„Sie können aber nicht jeden erfüllen. Auch
Ihre Macht hat Grenzen."
„Das scheint so," entgegnete er mit eigentüm-
lichem Lächeln. „Die Worte ,es geht nicht' stehen
eigentlich nicht in meinem Lexikon."
„Dann nehmen Sie sie jedenfalls in bezug auf
mich mit auf," antwortete sie mit seltsamer Ge-
reiztheit.
Er lachte. Das Lachen veränderte sein kaltes,
hochmütiges Gesicht vollständig. Es wurde auf ein-
mal liebenswürdig, fast knabenhaft fröhlich im Aus-
druck, als er ihr die Hand hinhielt. „Keine Feind-
schaft deshalb, Schwester Ilona, sondern gute
Kameradschaft — um Manfreds willen."
Sie legte zögernd ihre Hand in seine.
Er hielt sie eine Sekunde fest und ließ sie dann
nach leichtem Druck aus der seinen gleiten.

Als er hinausgegangen war, blieb Ilona wie
betäubt stehen. Ihre Finger preßte sie so krampf-
haft zusammen, daß die Knöchel ganz weiß wurden.
„Das Kind — nur an sein Kind kann er denken!"
sagte sie leise vor sich hin.
Liftes Kapitel - -
Erdfahl war der Himmel. Auf den Mauern der
Häuser lag eine grünlich-klebrige Feuchtigkeit. Die
Straßen waren mit einem dieser Kohlengegend
eigentümlichen Kot bedeckt — schwarz, dick und zäh
wie flüssiger Ruß. Die Schuhe blieben darin stecken.
In den kleinen Gärten des Grubendorfs hatte
die frühe Kälte alles wie mit Rost überzogen. Die
Kohlköpfe waren jeden Morgen mit Perlen des
weißen Reifs besät. Tie Ofen in den Häusern
kühlten nicht aus und erfüllten die Luft mit ihren
Kohlendünsten, vermischt mit dem Duft geschmorter
Zwiebeln, der so leicht ranzig riecht.
Ilona kannte diesen Geruch, der durch alle
Ziegelwände drang, bereits so genau wie das Innere
der kleinen Wohnungen. Sie kannte auch jede
einzelne Arbeiterfamilie. Die sorgenvollen Ge-
sichter hellten sich immer ein klein wenig auf, wenn
sie eintrat. Und doch, wie wenig war's, was sich tun
ließ, obwohl sie sogar von ihrem Gehalt hergab, so
viel sie entbehren konnte! Auch die alte Frau van
der Leyen schickte heimlich Geld und Lebensmittel,


Vie vusfahrt des kiesendampsers »Vaterland« aus dem Hamburger Hafen. Nach einer Photographie von Otto Keich in Hamburg. (5. 502)


XXIII. 1911.
 
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