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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 49.1914

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va^Luch fuiMe
Illustrierte fgmilierireitung
25. kiest. 1914.
aop^riZdr Ii>14 b;' Union veutsoke Vorla^SASssIIsekakt, Stuttgart.

lierrenrecht.
vornan von Henriette o. Meerheimd.
(forlseliung.) (Nachdruck verboten.)
or einem Jahr konnte ich nicht wissen, wie
W !! W Regierung gegen uns vorgehen würde,
Lauenstein," antwortete Oblonsky finster.
„Das Enteignungsgesetz, mit dem man
^ME-2 uns Polen schon lange gedroht hat, soll
jetzt wirklich in Kraft treten, ja es ist bereits bei
zwei von meinen Freunden in Anwendung gebracht
worden. Jeden Tag kann auch ich also von Haus
und Hof verjagt werden. Die Entschädigungs-
summe ist gering. Wer kann einen überhaupt für
angestammten Besitz entschädigen, der seit Jahr-
hunderten in der Familie ist? Was wissen Sie
davon? Sie kauften sich Kaderzin erst vor ein paar
Jahren. Was kann's Ihnen ausmachen, ob Sie dort
oder anderswo leben?"
„Wenn Sie mich zum Bankrott treiben, Oblonsky,
kann ich überhaupt nirgends mehr leben. Wie soll
ich meine Frau und die drei kleinen Kinder erhalten?"
„Fragt Ihre Regierung danach, was aus uns
wird?" rief Oblonsky heftig. Seine ganze Wut
gegen die aufgezwungene Regierung kam in dieser
Stunde zum Vorschein. Bisher verbarg er seine

Gefühle Lauenstein gegenüber immer sorgfältig.
„Wenn ich also von Schenin weg muß, brauche ich
mein Geld. Ich werde das einem Deutschen nicht
länger borgen zum Dank dafür, daß seine Lands-
leute uns die Heimat nehmen."
„Was kann ich dafür? Ich habe das Enteignungs-
gesetz nicht erdacht. Übrigens sollen die alten Grund-
besitze der Polen unangetastet bleiben und nur das
kürzlich von Deutschen erworbene Gut von der
Regierung enteignet werden."
„Das ist kein Unterschied. Ursprünglich gehörte
uns alles. Stückweise nehmt ihr uns unseren Grund
und Boden." Oblonsky sprang auf. Wilder Haß
flammte in seinen Augen. „Verflucht soll ein jeder
sein, der teil daran hat oder auch nur zu der Rasse
unserer Unterdrücker gehört!"
Lauenstein erhob sich ebenfalls von seinem Sitz.
„Mit diesen Worten machen Sie es mir allerdings
unmöglich, noch länger in Ihrem Hause zu bleiben,
es jemals wieder zu betreten. Auch um eine längere
Frist wegen der Rückzahlung kann ich nicht mehr
bitten."
„Das würde auch nichts nützen. Bekomme ich
die Hypothekenzinsen nicht rechtzeitig, so muß ich
sie einklagen. Die Kündigung der Hypotheken geht
Ihnen am ersten April z-u. Die Zinsen und die verein-
barte Abzahlung der Schuldscheine sind bereits im
vorigen Monat fällig gewesen. Hoffentlich regeln

Sie das sehr bald, Herr v. Lauenstein. Es tut
mir leid, aber nicht ich, sondern Ihre Regierung ist
an allem schuld."
Lauenstein sah ihm fest ins Auge. „Gewarnt
wurde ich längst vor Ihnen, Herr v. Oblonsky. Daß
ich solch Narr war, trotzdem Ihren freundschaftlichen
Versicherungen zu glauben, das bereue ich heute
bitter."
„Zwischen Polen und Deutschen gibt's keine
Gemeinschaft mehr nach diesen Ausnahmegesetzen
gegen uns. Damit ist das Tischtuch zwischen uns
zerschnitten. Daß der einzelne schuldlos ist, ändert
nichts daran. Verlangen Sie vielleicht, daß ich
auch noch helfen soll, einen Deutschen auf der
Heimat, die ihr uns geraubt habt, seßhaft und
wurzelfest zu machen?"
„Sie trieben also ein wohlangelegtes Spiel mit
mir?"
„Nennen Sie's, wie Sie wollen, Herr v. Lauen-
stein. Zahlen Sie pünktlich — und ich kann Ihnen
nichts anhaben."
„Wie's um mich steht, wissen Sie selbst am besten,"
antwortete Lauenstein dumpf. Er fühlte, wie kalter
Schweiß auf seine Stirn trat. „Bitte, mein Pferd
bestellen zu wollen."
Oblonsky trat ans Fenster. „Das Schneetreiben
ist stärker geworden. Ich werde meinen Schlitten
anspannen lassen. Sie können unmöglich reiten."

Srsfin jna v. üaffewltz. (5. 545)
Nach eines Photographie von Vs. Heuschkel, Hosphotograph in Schwerin i. IN.


Vl-inr Oskar von Preußen. (5. 545)
Nach einer Photographie von e. Nieder, Hofphvtogrsph in Neriin.


Exv. 1SU.
 
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