580 -. - -
fünfundzwanzig bis fünfzig Kronen an die Sou-
venierfabrikanten und Straußhändler ab.
Allerdings hat man das Konfervierungsverfahren
inzwischen so vervollkommnet, daß die Blume auch
im trockenen Zustand ihren vollen Glanz und schnee-
igen Schimmer behält. Man nimmt große, sieb-
artig durchlöcherte Bretter, durch jedes Loch wird
der Stengel gesteckt, der Stern wird flach auf dem
Holz ausgebreitet. Wie Schmetterlingsflügel wer-
den die einzelnen Strahlen mit Nadeln in ihrer Lage
befestigt, über die Pflänzchen wird eine Schicht
Watte gelegt, und die Watte wird mit einer Schicht
feinen, trockenen Sandes beschwert. Diese Darre
stellt man dann in die Sonne, und nach einer Woche
sind die Pflänzchen brauchbar für den Versand. Ich
las, daß eine Wiener Großfirma mit einem jähr-
lichen Umsatz von drei bis dreieinhalb Millionen Edel-
weißblumen arbeitet, wovon aber nur ein ganz ge-
ringer Teil am natürlichen Standort gesammelt ist.
Die Einträglichkeit des Geschäftes führte in-
zwischen im gesamten Alpengebiet dem Edelweißbau
eine Menge Anhänger zu, und allenthalben in Tirol,
Kram, Kärnten, Steiermark, Vorarlberg, im Wallis,
in Graubünden und Savoyen legten die Bauern
sich Edelweißgärten an, deren Erträge bis nach Ame-
rika wandern. Nicht einmal die Stammpflanzen
dieser Kulturen rühren mehr von den natürlichen
Edelweißstandorten im Hochland her, denn nach-
einander ist von den Regierungen der einzelnen
Schweizerkantone und den Landeshauptmann-
schaften der österreichischen Provinzen das Aus-
reißen der ganzen Pflanzen und Wurzelstöcke sowie
das Feilhalten bewurzelter Stauden mit schweren
Strafen belegt worden. Der Edelweißbauer muß
also von Samen ausgehen, den er sich aus den Bergen
oder von einem anderen Züchter verschafft.
Allerlei flinke Unternehmer haben schon vor
Jahren das Edelweiß auch fern von den Alpen, teils
in Franken und Oberbayern, teils in Schlesien und
Thüringen für den Handel zu züchten versucht und
dabei Resultate erzielt, die sich auf dem Markt immer-
hin noch verwerten ließen. Man zieht in solchen
Fällen das Edelweiß gleichfalls aus Samen; sie
gehen ja in jedem Klima und auf jedem Boden gut
aus. Ihre volle Bergschönheit erreichen die Tal-
pflanzen für gewöhnlich freilich nicht. Die Be-
stockung ist lockerer, und die Staude verliert ihre ge-
drungene Wuchsform, weil unter dem Einfluß des
Tieflandklimas die Stengel sich strecken, die Sterne
sich lockern und das kurze, filzige Laub linealisch wird.
Diese Veränderungen sind unerwünscht, sie drücken
aber die Verwertbarkeit der Pflanze in der Haus-
segenindustrie nicht wesentlich herab, wenn es nur
gelingt, den silberigen Glanz aller Teile möglichst
rein zu erhalten.
Lange Zeit schien dieses Ziel allerdings bei An-
pflanzung in der Ebene unerreichbar zu sein. Der
Glanz geht ja von einem wolligen Filz lusterfüllter
Pinselhaare aus, die alle Teile der Pflanze gleich-
mäßig dicht überziehen. Im Tiefland entwickeln
diese Haare sich spärlicher, die vorhandenen müssen
sich über eine größere Fläche verteilen, und es schim-
mert infolgedessen unter dem Haarkleid allenthalben
das Grün hervor. So bekommt die Pflanze ein
krautartiges, mehr graugrünes als silberseidiges
Aussehen.
Da entdeckte die Fachbotanik, daß die wolligen
Haarfilze Einrichtungen seien, womit das Edelweiß
gegen die gewaltige Strahlkraft der Hochgebirgs-
fonne, deren röntgenstrahlenartig wirkende violette
und ultraviolette Bestandteile hier oben fast ununter-
brochen zur Geltung kommen, sich zu schützen sucht.
Die Praxis zog aus dieser Entdeckung alsbald ihren
Vorteil. Wenn man das Edelweiß, sagte man sich,
im Tiefland ausschließlich an sehr sonnige Stellen
pflanzt und die Strahlkraft des Lichtes dadurch er-
höht, daß man jedes einzelne Stäubchen möglichst
zwischen Helle Gesteine setzt, so kommt es unter ähn-
liche Bedingungen wie im Hochland. Man schichtete
also hellfarbige künstliche Felsen auf, schuf Ritzen
und Spalten, versenkte darin das Wurzelwerk, gab
den Stöcken mageren Humus, der aus Lauberde,
Ziegelstaub und Mörtelschutt hergestellt war, und
bedeckte das freiliegende Erdreich überall mit Hellem,
sich rasch erhitzendem Steingrus; dazu goß man
wenig, versäumte aber die gelegentliche Verab-
reichung von etwas Kalkmilch nicht, weil das Pflänz-
chen dieses Mineral zum Gedeihen verlangt.
Der Erfolg war verblüffend. Es ließ sich auf
diese Weise nicht nur der gedrungene Wuchs an-
nähernd erhalten, sondern es stellte sich auch der
silberige Glanz in schöner Form wieder her, und
man erhielt Pflanzen, die sich neben den Edelweißen
der höchsten Wildheuplanken wohl sehen lassen
können.
Ermutigend für diese Versuche wirkte auch die
Ermittlung, daß das Edelweiß seiner Herkunft nach
eigentlich gar keine Gebirgspflanze, sondern eine
7' ii v38 Such füi- Nile —i .
Steppenpflanze ist. Es stammt aus den felsigen
Hochsteppen Jnnerasiens, von dort sind seine Vor-
fahren im Tertiär, der voreiszeitlichen Erdepoche,
die ganz Europa bis weit nach Schweden und Grön-
land hinauf ein beinahe tropisches Klima geschenkt
hat, mit dem größten Teil aller unserer heutigen
Alpenpflanzen bei uns eingewandert und bis in die
Pyrenäen und ins aragonische Hochland gelangt.
Es kehrt auch aus diesem Grund wie in Spanien
so auf den von Grassteppen und Strauchheiden über-
zogenen zentralasiatischen und südsibirischen Hoch-
ebenen in seiner typischen alpinen Form wieder, es
sindet sich desgleichen in China, im Himalaja, in
Turkestan, Afganistan und Tibet. Entsprechend dem
heißeren Klima dieser Länder erscheint das Edel-
weiß hier allerdings erst jenseits der Dreitausend-
metergrenze und steigt bis fünftausendvierhundert
Meter auf, während es in unseren Zentralalpen bei
zweitausendachthundert Meter meist verschwindet.
Wie lange wird es noch dauern, und wir werden
auf der Axenstraße oder im Zillertal asiatisches Edel-
weiß von den Dörflern zum Kauf angeboten erhalten,
weil bei dem zunehmenden Bodenbedarf der rein
landwirtschaftlichen Erwerbszweige und dem Wunsch
der Älpler, jeden Erdfleck der Graswirtschaft und
damit der Milchproduktion zugänglich zu machen,
der Boden für Edelweißbeete zu kostspielig wird?
flugerlebMe in gi-ostes Höhe,
von fstiednch Otto.
_ tNschdmck osicholsn.)
gibt eine in Deutschland noch nicht ver-
öffentlichte Erzählung von Conan Doyle, die
die Erlebnisse eines Fliegers in großen Höhen
schildert. Dort oben, am „Rande" der Atmo-
sphäre, stieß der Flieger auf seltsame Tintenfische,
die zwar reichlich phantastische Tiergebilde waren,
aber Papageienschnäbel besaßen und den kühnen
Flieger schließlich töteten. Ganz so schlimm geht es
nun glücklicherweise in der Höhe ja nicht zu. Den-
noch aber umlauern den Flieger bei Höhenflügen
allerlei Gefahren.
Eine Reihe von Fliegern hat uns ihre Eindrücke,
die sie in der Höhe erfuhren, genau geschildert und
unser Wissen damit um ein interessantes Kapitel be-
reichert. So erzählte Legagneux über seinen Höhen-
flug von 5720 Metern, den er bei dem Flugplatz Jssy
machte: „Ich stand anfangs etwas unter dem Ein-
druck der Warnungen und Ratschläge meiner Freunde,
die mir dringend anempfahlen, künstlich Sauerstoff
zu atmen, mich besonders warm zu kleiden und vor
dem Aufstieg nichts zu essen. Man warnte mich vor
Schlaganfällen, Ohnmächten und so weiter. Jetzt,
nachdem der Höhenflug hinter mir liegt, habe ich
die Gewißheit, daß Flüge in großen Höhen bei vor-
sichtigem Handeln nicht gefährlicher sind als andere.
Günstige Witterung stand mir zur Seite. Als ich
1000 Meter Höhe überstieg, kam ich in eine sehr
ruhige Atmosphäre. Ich hatte 50 Liter Sauerstoff
mitgeführt, aber als ich bei 4800 Meter Höhe meine
Nase in den Apparat steckte, zog ich sie sehr schnell
wieder zurück. Von Kälte empfand ich keine Spur.
Im Gegenteil, es war sehr warm, und ich zog mir
in jener Höhe die Handschuhe aus. Nur einmal, als
ich eine Wolke durchflog, spürte ich Kälte, aber die
Temperatur blieb erträglich. Die Höhenreise an
sich war ein wenig eintönig. Ich stieg in großen,
etwa zwanzig Kilometer weiten Schraubenlinien
empor und konnte unter mir das Schloß von Ver-
sailles liegen sehen."
Legagneux hatte die gewaltige Höhe von 5720 Me-
tern verhältnismäßig rasch erklommen. Der Abstieg
dauerte nur zehn Minuten. Legagneux war voll-
kommen frisch und zeigte keine Spur von Ermüdung
oder von überstandenen Anstrengungen.
Interessanter ist die Schilderung des berühmten
Fliegers Roland Garros. Er berichtet: „Ich war
bereit, von neuem einen Rekordangriff zu unter-
nehmen. Der Apparat, den Blsriot nach meinen
Angaben konstruiert hatte, war in allen Teilen sorg-
fältig geprüft; aber der Himmel hing voll schwarzer
Wolken. Endlich zeigen sich ein paar blaue Stellen.
Das Wetter scheint immer noch recht wenig günstig,
eisige Kälte, heftiger Wind und noch immer zu viel
Wolken. Aber machen wir den Versuch! Die Fahrt
beginnt mit Benzin für zwei Stunden, mit einem
Sauerstoffapparat und einem Kostüm, das eines
Polarforschers würdig wäre. Die Wolken erreiche
ich in etwa 1000 Meter Höhe nach vier Minuten, und
ich durchfliege sie durch ein blaues Loch. Alles wäre
gut, wenn nicht diese schrecklichen Wolken gewesen
wären, die mir das Meer verbergen. Ich kann nur
in Unterbrechungen links von mir Durchblicke er-
halten. Ein besonders hergerichtetes Barometer ist
vor meinen Augen angebracht, so daß ich die Regel-
ü.... -m heft 26
Mäßigkeit des Aufstieges genau beobachten kann.
Ich steige sehr schnell: noch fliege ich keine zehn Mi-
nuten und bin schon 2000 Meter hoch! Dann 3000!
Ich bemerke jetzt links von mir durch eine Wolken-
öffnung die Küste, aber ich habe den Eindruck, daß
ich, statt mich ihr zu nähern, mich von ihr langsam
entferne. Und doch legt meine Maschine 115 Kilo-
meter in der Stunde zurück! ... 4000 Meter! Kein
Zweifel mehr, ich werde von dem Winde entführt,
der also mehr als 115 Kilometer in der Stunde schnell
sein muß. Und doch könnte man glauben, in völliger
Windstille zu sein, so regelmäßig ist er. Unter mir
erblicke ich von Zeit zu Zeit wie durch eine Luke ein
Stück der normannischen Ebene dank den Löchern,
die ich in den Flügeln meiner Maschine habe an-
bringen lassen. Der Motor wird schwächer. Jetzt
kommen Versager! Ich suche eine neue Dosierung
des Benzins, die sie unterdrückt. Trotz der dicken
Kleidung packt mich die Kälte. Um.rnich aufrecht
zu halten, greife ich zu der Sauerstoffflasche neben
mir und atme nun beständig durch ein Kautschuk-
rohr. Dabei zähle ich die Touren des Motors, deren
Zahl normal bleibt. Der Ausstieg wird mühsam.
4600! Ich habe meinen früheren Rekord wieder.
Die Maschine beginnt mit der Luft, die nicht mehr
trägt, zu treiben. Die Barometernadel läuft wag-
recht über das Papier: ich steige nicht mehr! Der
Kampf gegen die Versager des Motors wird schwie-
riger. Ich hoffe noch 500 oder 600 Meter höher zu
kommen, aber ich bemerke, daß mein Sauerstoff-
vorrat vorzeitig zu Ende geht. Nach kurzer Zeit sehe
ich die Barometernadel wieder steigen. Jetzt sind
es 4800 Meter, die Höhe des Montblanc. Ich habe
nur noch einen Schluck Sauerstoff, und mein Motor
setzt immerfort aus, so daß die Nadel auf einmal fällt.
Aber ich bin hypnotisiert von der Fünftausendmeter-
linie, die nur noch zwei Millimeter entfernt ist von der
registrierenden Feder. Nichts wird mich dazu bringen,
hinabzusteigen, ehe eine Panne eintritt oder das Ziel
erreicht ist. Ich suche einen günstigeren Luststrom
und nehme alle meine Hilfsmittel zusammen. End-
lich steigt die Linie wieder schwach an, und ich ge-
winne an Höhe. Die Atmung ist jetzt sehr mühsam.
Aber da sind die 5000 Meter! Ich habe sie! Ich will
sie überschreiten. Ein unheilkündender Stoß mit
einem lauten Geräusch! Mein Motor schüttelt buch-
stäblich die Maschine. Mit einer Bewegung, die
schneller ist als jeder Gedanke, habe ich die Zündung
abgestellt und gehe zum Gleitflug über. Jede
Schraubendrehung bringt eine heftige Erschütterung
der ganzen Maschine hervor. Ich versuche, den Ab-
stieg so langsam als möglich zu machen, um meine
dadurch schonsehr mitgenommenen Flügel zu schonen.
Augenscheinlich ist ein wichtiges Stück, wahrschein-
lich eine Kürbelstange, im Motor gebrochen. Aber
die Erschütterungen werden geringer, und endlich
steht die Schraube still. Ein mehr oder weniger
scharfes Pfeisen, je nach der Schnelligkeit des Ab-
stieges, begleitet den Flug. Noch trennen mich
4500 Meter von der Erde, aber ich habe die deutliche
Empfindung, daß ich der Gefahr entronnen bin. Bei
1500 Metern durchschneide ich die Wolken, und zu
meiner Freude liegen unter mir prächtige Weide-
plätze; ich hätte keinen schöneren Landungsplatz
finden können. Es wäre ein Kinderspiel ohne das
schreckliche Sausen, das ich seit füns Minuten in den
Ohren höre. Ich stehe gerade gegen den Wind und
komme fast auf der Stelle herab. Noch einige Se-
kunden der Spannung — dann lande ich sanft auf
einer prächtigen Wiese. Kaum eine Viertelstunde
war seit dem Unfall verflossen: der jähe Gleitflug
hatte mich ganz taub gemacht. Aber ich hatte meinen
Rekord."
Interessant ist es, daß man in Fliegerkreisen eine
Zeitlang davon überzeugt war, daß es keinem ge-
lingen werde, 3000 Meter Höhe zu erreichen. Der
bei seinem Alpenflug verunglückte Flieger Chavez,
der in Jssy-les-Moulinaux 2700 Meter hoch stieg,
schilderte damals ausführlich die Schrecken der Höhe
und warnte seine Kollegen ausdrücklich davor,
größere Höhen aufzusuchen.
Der Peruaner Bielovucic entwirft von seinem
Höhenflug über den Simplon folgendes lebens-
volle Bild: „Die letzten Tage meines Aufenthaltes
in Brig rechne ich nicht gerade zu den angenehmsten
Erinnerungen meines Lebens, denn die andauernd
schlechte Witterung und mein mißlungener Vor-
versuch hatteu mich ziemlich aufgeregt. Ich war
daher entschlossen, die erste beste Stunde zu benützen
und den Flug zu wagen. Endlich kam auch ein
schöner Tag, und da die Startbahn bereits vom
Schnee gereinigt war, kam ich glatt los und schoß
sofort in einigen Spiralen steil in die Höhe. Das
furchtbare Felsenmassiv vormir sank in sich zusammen,
und sobald ich hoffen konnte, hinüberwegzukommen,
steuerte ich auf die Berge zu. Noch ehe ich ihnen
näher kam, setzte plötzlich mein Motor aus, ein eisiges
Gefühl durchrieselte mich, ein Motorstillstand bei
fünfundzwanzig bis fünfzig Kronen an die Sou-
venierfabrikanten und Straußhändler ab.
Allerdings hat man das Konfervierungsverfahren
inzwischen so vervollkommnet, daß die Blume auch
im trockenen Zustand ihren vollen Glanz und schnee-
igen Schimmer behält. Man nimmt große, sieb-
artig durchlöcherte Bretter, durch jedes Loch wird
der Stengel gesteckt, der Stern wird flach auf dem
Holz ausgebreitet. Wie Schmetterlingsflügel wer-
den die einzelnen Strahlen mit Nadeln in ihrer Lage
befestigt, über die Pflänzchen wird eine Schicht
Watte gelegt, und die Watte wird mit einer Schicht
feinen, trockenen Sandes beschwert. Diese Darre
stellt man dann in die Sonne, und nach einer Woche
sind die Pflänzchen brauchbar für den Versand. Ich
las, daß eine Wiener Großfirma mit einem jähr-
lichen Umsatz von drei bis dreieinhalb Millionen Edel-
weißblumen arbeitet, wovon aber nur ein ganz ge-
ringer Teil am natürlichen Standort gesammelt ist.
Die Einträglichkeit des Geschäftes führte in-
zwischen im gesamten Alpengebiet dem Edelweißbau
eine Menge Anhänger zu, und allenthalben in Tirol,
Kram, Kärnten, Steiermark, Vorarlberg, im Wallis,
in Graubünden und Savoyen legten die Bauern
sich Edelweißgärten an, deren Erträge bis nach Ame-
rika wandern. Nicht einmal die Stammpflanzen
dieser Kulturen rühren mehr von den natürlichen
Edelweißstandorten im Hochland her, denn nach-
einander ist von den Regierungen der einzelnen
Schweizerkantone und den Landeshauptmann-
schaften der österreichischen Provinzen das Aus-
reißen der ganzen Pflanzen und Wurzelstöcke sowie
das Feilhalten bewurzelter Stauden mit schweren
Strafen belegt worden. Der Edelweißbauer muß
also von Samen ausgehen, den er sich aus den Bergen
oder von einem anderen Züchter verschafft.
Allerlei flinke Unternehmer haben schon vor
Jahren das Edelweiß auch fern von den Alpen, teils
in Franken und Oberbayern, teils in Schlesien und
Thüringen für den Handel zu züchten versucht und
dabei Resultate erzielt, die sich auf dem Markt immer-
hin noch verwerten ließen. Man zieht in solchen
Fällen das Edelweiß gleichfalls aus Samen; sie
gehen ja in jedem Klima und auf jedem Boden gut
aus. Ihre volle Bergschönheit erreichen die Tal-
pflanzen für gewöhnlich freilich nicht. Die Be-
stockung ist lockerer, und die Staude verliert ihre ge-
drungene Wuchsform, weil unter dem Einfluß des
Tieflandklimas die Stengel sich strecken, die Sterne
sich lockern und das kurze, filzige Laub linealisch wird.
Diese Veränderungen sind unerwünscht, sie drücken
aber die Verwertbarkeit der Pflanze in der Haus-
segenindustrie nicht wesentlich herab, wenn es nur
gelingt, den silberigen Glanz aller Teile möglichst
rein zu erhalten.
Lange Zeit schien dieses Ziel allerdings bei An-
pflanzung in der Ebene unerreichbar zu sein. Der
Glanz geht ja von einem wolligen Filz lusterfüllter
Pinselhaare aus, die alle Teile der Pflanze gleich-
mäßig dicht überziehen. Im Tiefland entwickeln
diese Haare sich spärlicher, die vorhandenen müssen
sich über eine größere Fläche verteilen, und es schim-
mert infolgedessen unter dem Haarkleid allenthalben
das Grün hervor. So bekommt die Pflanze ein
krautartiges, mehr graugrünes als silberseidiges
Aussehen.
Da entdeckte die Fachbotanik, daß die wolligen
Haarfilze Einrichtungen seien, womit das Edelweiß
gegen die gewaltige Strahlkraft der Hochgebirgs-
fonne, deren röntgenstrahlenartig wirkende violette
und ultraviolette Bestandteile hier oben fast ununter-
brochen zur Geltung kommen, sich zu schützen sucht.
Die Praxis zog aus dieser Entdeckung alsbald ihren
Vorteil. Wenn man das Edelweiß, sagte man sich,
im Tiefland ausschließlich an sehr sonnige Stellen
pflanzt und die Strahlkraft des Lichtes dadurch er-
höht, daß man jedes einzelne Stäubchen möglichst
zwischen Helle Gesteine setzt, so kommt es unter ähn-
liche Bedingungen wie im Hochland. Man schichtete
also hellfarbige künstliche Felsen auf, schuf Ritzen
und Spalten, versenkte darin das Wurzelwerk, gab
den Stöcken mageren Humus, der aus Lauberde,
Ziegelstaub und Mörtelschutt hergestellt war, und
bedeckte das freiliegende Erdreich überall mit Hellem,
sich rasch erhitzendem Steingrus; dazu goß man
wenig, versäumte aber die gelegentliche Verab-
reichung von etwas Kalkmilch nicht, weil das Pflänz-
chen dieses Mineral zum Gedeihen verlangt.
Der Erfolg war verblüffend. Es ließ sich auf
diese Weise nicht nur der gedrungene Wuchs an-
nähernd erhalten, sondern es stellte sich auch der
silberige Glanz in schöner Form wieder her, und
man erhielt Pflanzen, die sich neben den Edelweißen
der höchsten Wildheuplanken wohl sehen lassen
können.
Ermutigend für diese Versuche wirkte auch die
Ermittlung, daß das Edelweiß seiner Herkunft nach
eigentlich gar keine Gebirgspflanze, sondern eine
7' ii v38 Such füi- Nile —i .
Steppenpflanze ist. Es stammt aus den felsigen
Hochsteppen Jnnerasiens, von dort sind seine Vor-
fahren im Tertiär, der voreiszeitlichen Erdepoche,
die ganz Europa bis weit nach Schweden und Grön-
land hinauf ein beinahe tropisches Klima geschenkt
hat, mit dem größten Teil aller unserer heutigen
Alpenpflanzen bei uns eingewandert und bis in die
Pyrenäen und ins aragonische Hochland gelangt.
Es kehrt auch aus diesem Grund wie in Spanien
so auf den von Grassteppen und Strauchheiden über-
zogenen zentralasiatischen und südsibirischen Hoch-
ebenen in seiner typischen alpinen Form wieder, es
sindet sich desgleichen in China, im Himalaja, in
Turkestan, Afganistan und Tibet. Entsprechend dem
heißeren Klima dieser Länder erscheint das Edel-
weiß hier allerdings erst jenseits der Dreitausend-
metergrenze und steigt bis fünftausendvierhundert
Meter auf, während es in unseren Zentralalpen bei
zweitausendachthundert Meter meist verschwindet.
Wie lange wird es noch dauern, und wir werden
auf der Axenstraße oder im Zillertal asiatisches Edel-
weiß von den Dörflern zum Kauf angeboten erhalten,
weil bei dem zunehmenden Bodenbedarf der rein
landwirtschaftlichen Erwerbszweige und dem Wunsch
der Älpler, jeden Erdfleck der Graswirtschaft und
damit der Milchproduktion zugänglich zu machen,
der Boden für Edelweißbeete zu kostspielig wird?
flugerlebMe in gi-ostes Höhe,
von fstiednch Otto.
_ tNschdmck osicholsn.)
gibt eine in Deutschland noch nicht ver-
öffentlichte Erzählung von Conan Doyle, die
die Erlebnisse eines Fliegers in großen Höhen
schildert. Dort oben, am „Rande" der Atmo-
sphäre, stieß der Flieger auf seltsame Tintenfische,
die zwar reichlich phantastische Tiergebilde waren,
aber Papageienschnäbel besaßen und den kühnen
Flieger schließlich töteten. Ganz so schlimm geht es
nun glücklicherweise in der Höhe ja nicht zu. Den-
noch aber umlauern den Flieger bei Höhenflügen
allerlei Gefahren.
Eine Reihe von Fliegern hat uns ihre Eindrücke,
die sie in der Höhe erfuhren, genau geschildert und
unser Wissen damit um ein interessantes Kapitel be-
reichert. So erzählte Legagneux über seinen Höhen-
flug von 5720 Metern, den er bei dem Flugplatz Jssy
machte: „Ich stand anfangs etwas unter dem Ein-
druck der Warnungen und Ratschläge meiner Freunde,
die mir dringend anempfahlen, künstlich Sauerstoff
zu atmen, mich besonders warm zu kleiden und vor
dem Aufstieg nichts zu essen. Man warnte mich vor
Schlaganfällen, Ohnmächten und so weiter. Jetzt,
nachdem der Höhenflug hinter mir liegt, habe ich
die Gewißheit, daß Flüge in großen Höhen bei vor-
sichtigem Handeln nicht gefährlicher sind als andere.
Günstige Witterung stand mir zur Seite. Als ich
1000 Meter Höhe überstieg, kam ich in eine sehr
ruhige Atmosphäre. Ich hatte 50 Liter Sauerstoff
mitgeführt, aber als ich bei 4800 Meter Höhe meine
Nase in den Apparat steckte, zog ich sie sehr schnell
wieder zurück. Von Kälte empfand ich keine Spur.
Im Gegenteil, es war sehr warm, und ich zog mir
in jener Höhe die Handschuhe aus. Nur einmal, als
ich eine Wolke durchflog, spürte ich Kälte, aber die
Temperatur blieb erträglich. Die Höhenreise an
sich war ein wenig eintönig. Ich stieg in großen,
etwa zwanzig Kilometer weiten Schraubenlinien
empor und konnte unter mir das Schloß von Ver-
sailles liegen sehen."
Legagneux hatte die gewaltige Höhe von 5720 Me-
tern verhältnismäßig rasch erklommen. Der Abstieg
dauerte nur zehn Minuten. Legagneux war voll-
kommen frisch und zeigte keine Spur von Ermüdung
oder von überstandenen Anstrengungen.
Interessanter ist die Schilderung des berühmten
Fliegers Roland Garros. Er berichtet: „Ich war
bereit, von neuem einen Rekordangriff zu unter-
nehmen. Der Apparat, den Blsriot nach meinen
Angaben konstruiert hatte, war in allen Teilen sorg-
fältig geprüft; aber der Himmel hing voll schwarzer
Wolken. Endlich zeigen sich ein paar blaue Stellen.
Das Wetter scheint immer noch recht wenig günstig,
eisige Kälte, heftiger Wind und noch immer zu viel
Wolken. Aber machen wir den Versuch! Die Fahrt
beginnt mit Benzin für zwei Stunden, mit einem
Sauerstoffapparat und einem Kostüm, das eines
Polarforschers würdig wäre. Die Wolken erreiche
ich in etwa 1000 Meter Höhe nach vier Minuten, und
ich durchfliege sie durch ein blaues Loch. Alles wäre
gut, wenn nicht diese schrecklichen Wolken gewesen
wären, die mir das Meer verbergen. Ich kann nur
in Unterbrechungen links von mir Durchblicke er-
halten. Ein besonders hergerichtetes Barometer ist
vor meinen Augen angebracht, so daß ich die Regel-
ü.... -m heft 26
Mäßigkeit des Aufstieges genau beobachten kann.
Ich steige sehr schnell: noch fliege ich keine zehn Mi-
nuten und bin schon 2000 Meter hoch! Dann 3000!
Ich bemerke jetzt links von mir durch eine Wolken-
öffnung die Küste, aber ich habe den Eindruck, daß
ich, statt mich ihr zu nähern, mich von ihr langsam
entferne. Und doch legt meine Maschine 115 Kilo-
meter in der Stunde zurück! ... 4000 Meter! Kein
Zweifel mehr, ich werde von dem Winde entführt,
der also mehr als 115 Kilometer in der Stunde schnell
sein muß. Und doch könnte man glauben, in völliger
Windstille zu sein, so regelmäßig ist er. Unter mir
erblicke ich von Zeit zu Zeit wie durch eine Luke ein
Stück der normannischen Ebene dank den Löchern,
die ich in den Flügeln meiner Maschine habe an-
bringen lassen. Der Motor wird schwächer. Jetzt
kommen Versager! Ich suche eine neue Dosierung
des Benzins, die sie unterdrückt. Trotz der dicken
Kleidung packt mich die Kälte. Um.rnich aufrecht
zu halten, greife ich zu der Sauerstoffflasche neben
mir und atme nun beständig durch ein Kautschuk-
rohr. Dabei zähle ich die Touren des Motors, deren
Zahl normal bleibt. Der Ausstieg wird mühsam.
4600! Ich habe meinen früheren Rekord wieder.
Die Maschine beginnt mit der Luft, die nicht mehr
trägt, zu treiben. Die Barometernadel läuft wag-
recht über das Papier: ich steige nicht mehr! Der
Kampf gegen die Versager des Motors wird schwie-
riger. Ich hoffe noch 500 oder 600 Meter höher zu
kommen, aber ich bemerke, daß mein Sauerstoff-
vorrat vorzeitig zu Ende geht. Nach kurzer Zeit sehe
ich die Barometernadel wieder steigen. Jetzt sind
es 4800 Meter, die Höhe des Montblanc. Ich habe
nur noch einen Schluck Sauerstoff, und mein Motor
setzt immerfort aus, so daß die Nadel auf einmal fällt.
Aber ich bin hypnotisiert von der Fünftausendmeter-
linie, die nur noch zwei Millimeter entfernt ist von der
registrierenden Feder. Nichts wird mich dazu bringen,
hinabzusteigen, ehe eine Panne eintritt oder das Ziel
erreicht ist. Ich suche einen günstigeren Luststrom
und nehme alle meine Hilfsmittel zusammen. End-
lich steigt die Linie wieder schwach an, und ich ge-
winne an Höhe. Die Atmung ist jetzt sehr mühsam.
Aber da sind die 5000 Meter! Ich habe sie! Ich will
sie überschreiten. Ein unheilkündender Stoß mit
einem lauten Geräusch! Mein Motor schüttelt buch-
stäblich die Maschine. Mit einer Bewegung, die
schneller ist als jeder Gedanke, habe ich die Zündung
abgestellt und gehe zum Gleitflug über. Jede
Schraubendrehung bringt eine heftige Erschütterung
der ganzen Maschine hervor. Ich versuche, den Ab-
stieg so langsam als möglich zu machen, um meine
dadurch schonsehr mitgenommenen Flügel zu schonen.
Augenscheinlich ist ein wichtiges Stück, wahrschein-
lich eine Kürbelstange, im Motor gebrochen. Aber
die Erschütterungen werden geringer, und endlich
steht die Schraube still. Ein mehr oder weniger
scharfes Pfeisen, je nach der Schnelligkeit des Ab-
stieges, begleitet den Flug. Noch trennen mich
4500 Meter von der Erde, aber ich habe die deutliche
Empfindung, daß ich der Gefahr entronnen bin. Bei
1500 Metern durchschneide ich die Wolken, und zu
meiner Freude liegen unter mir prächtige Weide-
plätze; ich hätte keinen schöneren Landungsplatz
finden können. Es wäre ein Kinderspiel ohne das
schreckliche Sausen, das ich seit füns Minuten in den
Ohren höre. Ich stehe gerade gegen den Wind und
komme fast auf der Stelle herab. Noch einige Se-
kunden der Spannung — dann lande ich sanft auf
einer prächtigen Wiese. Kaum eine Viertelstunde
war seit dem Unfall verflossen: der jähe Gleitflug
hatte mich ganz taub gemacht. Aber ich hatte meinen
Rekord."
Interessant ist es, daß man in Fliegerkreisen eine
Zeitlang davon überzeugt war, daß es keinem ge-
lingen werde, 3000 Meter Höhe zu erreichen. Der
bei seinem Alpenflug verunglückte Flieger Chavez,
der in Jssy-les-Moulinaux 2700 Meter hoch stieg,
schilderte damals ausführlich die Schrecken der Höhe
und warnte seine Kollegen ausdrücklich davor,
größere Höhen aufzusuchen.
Der Peruaner Bielovucic entwirft von seinem
Höhenflug über den Simplon folgendes lebens-
volle Bild: „Die letzten Tage meines Aufenthaltes
in Brig rechne ich nicht gerade zu den angenehmsten
Erinnerungen meines Lebens, denn die andauernd
schlechte Witterung und mein mißlungener Vor-
versuch hatteu mich ziemlich aufgeregt. Ich war
daher entschlossen, die erste beste Stunde zu benützen
und den Flug zu wagen. Endlich kam auch ein
schöner Tag, und da die Startbahn bereits vom
Schnee gereinigt war, kam ich glatt los und schoß
sofort in einigen Spiralen steil in die Höhe. Das
furchtbare Felsenmassiv vormir sank in sich zusammen,
und sobald ich hoffen konnte, hinüberwegzukommen,
steuerte ich auf die Berge zu. Noch ehe ich ihnen
näher kam, setzte plötzlich mein Motor aus, ein eisiges
Gefühl durchrieselte mich, ein Motorstillstand bei