369
Hrst 23
DasBuchfürAlle
„Keine lange Einleitung. Hermw damit! Wozu bist du in
die Wohnung eines wildfremden Menschen gegangen? Wie
kann ein anständiges Mädchen einen unverheirateten Mann,
noch dazu einen Theaterhelden, aufsuchen! Das ist ein Skandal!
Verstanden? Mer du schämst dich ja nicht mal! Schaust mich
an, als ob dabei gar nichts wäre. Heraus damit!"
Hedwig batte die Fäuste geballt. Trotzig wollte sie erwidern,
aber sie fand die rechten Worte nicht. Zornestränen blinkten
in ihren Augen.
„Willst du nun gefälligst sprechen? ^eit wann bist du denn
auf den Mund gefallen?"
Mit dein Vater war nicht zu spähen. So ergrimmt und wild
Welt verhext? Das war ja der Unbekannte vom Postschalter,
der ihr dann nochmals begegnet war, als sie die Locke aufhob.
Sie bemerkte, daß der Fremde sie erstaunt ansah; jedenfalls
hatte er sie erkannt. Nun schritt er der Türe zum Büro zu. —
Was wollte der vom Vater?
(^>er Fremde trat bei Herrn Herson ein, nachdem er an die
^^Türe geklopft hatte. „Gilten Tag!" sagte er. „Ich bitte zu
entschuldigen, daß ich unangemeldet eindringe. Aber es war
kein Diener brausten, nur ein junges Fräulein, das mir sagte,
Sie seien zu sprechen."
„Das war meine Tochter. Und wer sind Sie?"
hatte sie ihn noch nie ge-
sehen. Was sollte sie ihm
nun sagen? Die Freundin
durfte sie doch nicht ver-
raten. Nein! Das wollte
sie nicht tun.
„Vater, ich kann dir's
nicht sagen. Ich darf nicht."
„Was? Du darfst es
nicht? Hat dich der Mensch
ganz und gar in seinen
Klauen? Na, dem werde
ich's aber gründlich klar-
machen ! Und zwar gleich."
Herson holte aus dem
Nebenraum einen Überrock
und den Hut. Als er sich
zum Gehen anschickte, trat
Hedwig schüchtern zu dem
erlegten Mann. „Vater!
Du sollst keinen falschen
Schritt tun. Der Mann
kann ja gar nichts dafür."
„Das wird ja immer
besser! So! Der Theater-
held kann nichts dafür.
Unglaublich! Schändlich!"
Immer näher war Herson
seiner Tochter gekommen;
jetzt fauchte er sie an:
„Dann bist du ihm nach-
gelaufen, Schamlose!"
„Vater, ich bitte dich,
sei ruhig und schmähe mich
nicht unnötig. Ich darf
und kann dir nichts sagen,
ich must schweigen. Oder
willst du, dast ich mein
Wort breche?"
„Ach was, larifari! Du
hast zu reden, wenn ich
befehle!"
Hedwig fand die Nutze
wieder; mit wild blitzenden
Wohl bekomm s! Nach einem Gemälde von Paul Wagner.
„Friedrich Mangold."
„So? Sie sind der
erwartete Sohn meines
lieben Jugendfreundes?"
Herson bot dem Besucher
die Hand.
„Das ist schön, daß Sie
nun hier in der Haupt-
stadt sind. Ich freue mich.
Haben Sie schon Unter-
kunft gefunden?"
„Ja. Es scheint, ich
habe es ganz gut getrof-
fen, ich fand ein hübsches
Zimmer bei einer netten
Wirtin."
Die Herren hatten Platz
genommen. Herson fragte:
„Wie ist's — wenn Sie das
Jahr an der Klinik hinter
sich haben, wollen Sie
dann hier bleiben? Ich
gab Ihrem Vater den Nat,
weil ich weist, dast sich ein
tüchtiger Spezialarzt hier
eine gute Praxis schaffen
könnte."
„Mein Vater teilt Ihre
Anschauung, und ich finde
sie auch richtig. Ich hoffe
auf Ihre Empfehlung,
Herr Herson, und bitte
Sie darum."
„Was ich für Sie tun
kann, geschieht gern. Es
wird mir eine Freude
sein, dazu beizutragen, dast
Sie eine gute Existenz fin-
den." Herson reichte dem
jungen Manne abermals
die Nechte. Seine Augen
leuchteten. War es doch
der Sohn seines besten
Freundes aus der Stu-
Augen erwiderte sie: „Nein, Vater, das tu' ich nicht. Ich gebe
niemand preis, der sich mir anvertraut hat. Und jetzt schilt zu,
wenn du nicht anders kannst."
Verblüfft starrte Herson seine Tochter an. Was sollte er
tun? — Er hob die Hand und wies nach der Türe.
„Du wirst dich wohl noch besinnen. Jetzt will ich dich nicht
mehr sehen!"
Das Mädchen ging hinaus. Im Vorraum stand sie eine
Weile schweratmend still. Da klopfte jemand an die Türe und
trat ein. Ein junger Mann fragte, ob Herr Herson zu sprechen sei.
Mißgestimmt, daß sie in diesem erregten Zustand ein Fremder
sah, antwortete sie kurz: „Ja."
„Ich danke."
Unwillkürlich blickte Hedwig auf und erschrak. War denn die
dienzeit, dem er hiermit alles Gute wünschte.
„Nun wollen wir mal hinübergehen zu meiner Frau. Sie
bleiben ja doch gleich zum Mittagessen bei uns? Inzwischen
wollen wir von Ihrem Vater plaudern, von dem Sie mir gewiß
recht viel Gutes und Schönes erzählen können."
Hedwig, die bei ihrer Mutter saß, war aufs peinlichste über-
^«^rascht, als der junge Mann mit ihrem Vater ins Zimmer kam
und als Sohn von ihres Vaters bestem Freund eingeführt wurde.
Friedrich Mangold würde nun wohl so ein halbes Familienmit-
glied werden, bei den Mahlzeiten häufig da sein und auch sonst
viele Besuche machen. „Es ist gut, daß er nicht allzuviel freie
Zeit hat, weil er doch meist in der Klinik sein muß," dachte sie
zu ihrer Beruhigung.
Hrst 23
DasBuchfürAlle
„Keine lange Einleitung. Hermw damit! Wozu bist du in
die Wohnung eines wildfremden Menschen gegangen? Wie
kann ein anständiges Mädchen einen unverheirateten Mann,
noch dazu einen Theaterhelden, aufsuchen! Das ist ein Skandal!
Verstanden? Mer du schämst dich ja nicht mal! Schaust mich
an, als ob dabei gar nichts wäre. Heraus damit!"
Hedwig batte die Fäuste geballt. Trotzig wollte sie erwidern,
aber sie fand die rechten Worte nicht. Zornestränen blinkten
in ihren Augen.
„Willst du nun gefälligst sprechen? ^eit wann bist du denn
auf den Mund gefallen?"
Mit dein Vater war nicht zu spähen. So ergrimmt und wild
Welt verhext? Das war ja der Unbekannte vom Postschalter,
der ihr dann nochmals begegnet war, als sie die Locke aufhob.
Sie bemerkte, daß der Fremde sie erstaunt ansah; jedenfalls
hatte er sie erkannt. Nun schritt er der Türe zum Büro zu. —
Was wollte der vom Vater?
(^>er Fremde trat bei Herrn Herson ein, nachdem er an die
^^Türe geklopft hatte. „Gilten Tag!" sagte er. „Ich bitte zu
entschuldigen, daß ich unangemeldet eindringe. Aber es war
kein Diener brausten, nur ein junges Fräulein, das mir sagte,
Sie seien zu sprechen."
„Das war meine Tochter. Und wer sind Sie?"
hatte sie ihn noch nie ge-
sehen. Was sollte sie ihm
nun sagen? Die Freundin
durfte sie doch nicht ver-
raten. Nein! Das wollte
sie nicht tun.
„Vater, ich kann dir's
nicht sagen. Ich darf nicht."
„Was? Du darfst es
nicht? Hat dich der Mensch
ganz und gar in seinen
Klauen? Na, dem werde
ich's aber gründlich klar-
machen ! Und zwar gleich."
Herson holte aus dem
Nebenraum einen Überrock
und den Hut. Als er sich
zum Gehen anschickte, trat
Hedwig schüchtern zu dem
erlegten Mann. „Vater!
Du sollst keinen falschen
Schritt tun. Der Mann
kann ja gar nichts dafür."
„Das wird ja immer
besser! So! Der Theater-
held kann nichts dafür.
Unglaublich! Schändlich!"
Immer näher war Herson
seiner Tochter gekommen;
jetzt fauchte er sie an:
„Dann bist du ihm nach-
gelaufen, Schamlose!"
„Vater, ich bitte dich,
sei ruhig und schmähe mich
nicht unnötig. Ich darf
und kann dir nichts sagen,
ich must schweigen. Oder
willst du, dast ich mein
Wort breche?"
„Ach was, larifari! Du
hast zu reden, wenn ich
befehle!"
Hedwig fand die Nutze
wieder; mit wild blitzenden
Wohl bekomm s! Nach einem Gemälde von Paul Wagner.
„Friedrich Mangold."
„So? Sie sind der
erwartete Sohn meines
lieben Jugendfreundes?"
Herson bot dem Besucher
die Hand.
„Das ist schön, daß Sie
nun hier in der Haupt-
stadt sind. Ich freue mich.
Haben Sie schon Unter-
kunft gefunden?"
„Ja. Es scheint, ich
habe es ganz gut getrof-
fen, ich fand ein hübsches
Zimmer bei einer netten
Wirtin."
Die Herren hatten Platz
genommen. Herson fragte:
„Wie ist's — wenn Sie das
Jahr an der Klinik hinter
sich haben, wollen Sie
dann hier bleiben? Ich
gab Ihrem Vater den Nat,
weil ich weist, dast sich ein
tüchtiger Spezialarzt hier
eine gute Praxis schaffen
könnte."
„Mein Vater teilt Ihre
Anschauung, und ich finde
sie auch richtig. Ich hoffe
auf Ihre Empfehlung,
Herr Herson, und bitte
Sie darum."
„Was ich für Sie tun
kann, geschieht gern. Es
wird mir eine Freude
sein, dazu beizutragen, dast
Sie eine gute Existenz fin-
den." Herson reichte dem
jungen Manne abermals
die Nechte. Seine Augen
leuchteten. War es doch
der Sohn seines besten
Freundes aus der Stu-
Augen erwiderte sie: „Nein, Vater, das tu' ich nicht. Ich gebe
niemand preis, der sich mir anvertraut hat. Und jetzt schilt zu,
wenn du nicht anders kannst."
Verblüfft starrte Herson seine Tochter an. Was sollte er
tun? — Er hob die Hand und wies nach der Türe.
„Du wirst dich wohl noch besinnen. Jetzt will ich dich nicht
mehr sehen!"
Das Mädchen ging hinaus. Im Vorraum stand sie eine
Weile schweratmend still. Da klopfte jemand an die Türe und
trat ein. Ein junger Mann fragte, ob Herr Herson zu sprechen sei.
Mißgestimmt, daß sie in diesem erregten Zustand ein Fremder
sah, antwortete sie kurz: „Ja."
„Ich danke."
Unwillkürlich blickte Hedwig auf und erschrak. War denn die
dienzeit, dem er hiermit alles Gute wünschte.
„Nun wollen wir mal hinübergehen zu meiner Frau. Sie
bleiben ja doch gleich zum Mittagessen bei uns? Inzwischen
wollen wir von Ihrem Vater plaudern, von dem Sie mir gewiß
recht viel Gutes und Schönes erzählen können."
Hedwig, die bei ihrer Mutter saß, war aufs peinlichste über-
^«^rascht, als der junge Mann mit ihrem Vater ins Zimmer kam
und als Sohn von ihres Vaters bestem Freund eingeführt wurde.
Friedrich Mangold würde nun wohl so ein halbes Familienmit-
glied werden, bei den Mahlzeiten häufig da sein und auch sonst
viele Besuche machen. „Es ist gut, daß er nicht allzuviel freie
Zeit hat, weil er doch meist in der Klinik sein muß," dachte sie
zu ihrer Beruhigung.