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gestiegen ist. Dazu kommt noch als ernstliches soziales Bedenken, daß die
körperliche Widerstandsfähigkeit der Menschen, durch Nahrungsschwierig-
keiten herabgestimmt, gesundheitschädigenden Einflüssen durch unhygieni-
sches Wohnen leichter erliegen muß. Da sich die allgemein schwer empfun-
dene Wohnungsnot wegen der hohen Baukosten und dem Mangel an Roh-
stoffen in absehbarer Zeit nicht beheben läßt, müssen alle vorhandenen
Gebäude zu Wohnzwecken ausgenützt werden. Und es gibt ein Verfahren,
feuchte, modrige, und deshalb leerstehende Räume so in guten Stand zu
setzen, daß kein gesundheitschädigender Einfluß mehr zu befürchten ist.
Bei zahlreichen Bauten kommt das Untergeschoß — ja, häufig auch die
Räume im Erdgeschoß — zu Wohnungen gar nicht und für sonstige wirt-
schaftliche Zwecke nur bedingt in Frage. Werden solche Räume doch be-
zogen, dann stellt sich erst im Laufe der Zeit heraus, daß sie feucht sind.
Alle herkömmlichen Abhilfeversuche, und besonders die so gewichtig emp-
fohlenen „Geheimnüttel" wirken meist nicht nur deswegen geradezu schäd-
lich, weil durch Verkleben und Verkleiden die feuchten Mauern am „Atmen"
verhindert werden und damit die Feuchtigkeit nur noch schneller in die
Höhe steigt — sie müssen notwendig alle versagen, weil die Grundursache
der Erscheinung nicht erfaßt wird.
In den meisten Fällen steigt die in fast jedem Baugrund vorhandene
Bodenfeuchtigkeit infolge der Kapillarität allmählich unaufhaltsam im
Mauerkörper immer höher. Wie eine schleichende Krankheit ergreift sie
von Jahr zu Jahr neue Teile des Gebäudes, um es endlich seiner völligen
Entwertung und zuletzt dem Verfall entgegenzuführen.
Bei der Errichtung von Neubauten schützte man sich seit langer Zeit
gegen das gefährliche Aufsteigen der Feuchtigkeit des Bodens durch Ein-
fügen wagrechter Isolierungen. Anders lag der Fall, wenn es sich darum
handelte, bei feucht gewordenen Gebäuden das einzig sichere Abhilfenüttel,
das Einziehen einer zuverlässig wirkenden wagrechten Bleiisolierung, an-
zuwenden. Das schien nachträglich nicht mehr durchführbar.
In Bayern ist es vor Jahren gelungen, diese Ausgabe einfach und
durchaus befriedigend zu lösen. Bei zahlreichen großen Monumental-
bauten, Schlössern, Villen und Wohnhäusern ist das Verfahren mit bestem
Erfolg erprobt worden. In München zeigte sich die Heilige-Geist-Kirche
— ein schöner Barockbau —im Mauerwerk durch die bis zur Höhe von sieben
bis acht Meter aufgestiegene Bodenfeuchtigkeit so verseucht, daß eine
Sachverständigenkommission den völligen Abbruch befürwortete. Im
Jahre 1907 wurden die Grundmauern der Kirche und zweiundzwanzig
Säulen im Innern des Baues durchsügt und in Asphalt eingebettete Blei-
isolierungen eingesetzt. Das Bauwerk ist auf diese Weise vor dem Unter-
gang gerettet worden. Nach Ablauf des ersten Sommers sank der Wasser-
gehalt von 20 auf 7,7 Prozent, und nach einein weiteren Jahre war die
Kirche völlig trocken. Alljährlich steigt seitdem die Frühjahrsfeuchtigkeit
genau bis zum Jsolierungsschnitt und jeder weitere Schaden durch Boden-
feuchtigkeit ist für alle Zeit behoben. Zehn weitere Kirchen größeren und
geringeren Umfangs sind nach diesem Verfahren trockeugelegt worden,
aber auch zahlreiche staatliche, städtische und private Gebäude verdanken
der Anwendung dieser Methode ihre Wiederherstellung und dauernde
Erhaltung, unter anderem auch das Bismarcksche Schloß Friedrichsruh
und die bekannte Schackgalerie in München.
Das Verfahren besteht im wesentlichen darin, daß die wagrechte Blei-
isolierung nachträglich und ohne jede Gefährdung eines Bauwerkes und
ohne Störung der Bewohner in das Mauerwerk eingefügt
wird. In der erforderlichen Ausmessung, bei Wohnbauten meist in der

Höhe des Kellerfußbodens, wird das Mauerwerk wagrecht mittels einer
eigens konstruierten, elektromotorisch angetriebenen Mauersäge völlig
durchschnitten. Dies erfolgt teilweise, in Abständen von jeweilig etwa
fünfzig Zentimeter. Die auf diese Weise entstandene, ein bis eineinhalb
Zentimeter starke Schnittfuge wird von Rückständen sorgfältig gereinigt
und die Jsolierplatte — eine Bleifolie, die beiderseitig mit Asphaltfilz
geschützt ist — eingeschoben.
Um das „Setzen" der Mauer während des Arbeitsvorganges zu ver-
hindern, wird diese durch Eisenkeile hochgekeilt. Der verbleibende Zwischen-
raum wird mit flüssigem Zeinent ausgegossen. Die entstandene Fuge
wird damit wieder völlig geschlossen. Nach diesem Verfahren wird Stück
für Stück des gesamten Mauerwerkes sicher isoliert, und ein weiteres Auf-
steigen der Bodenfeuchtigkeit ist nun unmöglich geworden. Kein Quadrat-
zentimeter des Mmwrwerkes darf mit dem Erdreich in unmittelbarer Be-
rührung stehen. Die folgerichtige Durchführung dieses Grundsatzes bietet
aber auch die alleinige Gewähr für bleibenden Erfolg.
Wenn die Jsolierungsarbeiten durchgeführt sind, vollzieht sich der Aus-
trocknungsvorgang wie bei einem Neubau: nach einem Jahre ist äußerlich
keine Feuchtigkeit mehr wahrnehmbar, und nach zwei Jahren ist auch das
Innere des Mauerwerkes völlig staubtrocken. Es versteht sich von selbst,
daß dieser natürliche Vorgang in dringlichen Fällen durch Ausheizen der
Mauern beschleunigt zu werden vermag. Feuchte Räume können demnach
bald nach erfolgter Isolierung bezogen werden.
Neuerdings hat Professor Or. Giesenhagen, München, eine Autorität
in Hausschwammfragen, Versuche an zahlreichen nach diesem Verfahren
trockengelegten Gebäude,: gemacht. Giesenhagen konnte bestätigen, daß
durch diese Art der Entfeuchtung des Mauerwerkes der H ausschw a m m
gründlich und endgültig beseitigt wird. Dies ist begreiflich; denn durch die
vollkommene Isolierung der Grundmauern wird dem
Hausschwamm die Feuchtigkeit entzöge n. Sobald die
letzten Reste der Feuchtigkeit in den Mauern ausgetrocknet sind, muß der
Hausschwamm a b st e r b e n.
Daß jeder Fall besonders behandelt werden muß, versteht sich von
selbst. Die Umgebung eines feucht gewordenen Hauses, sowie Luft- und
Lichtverhältnisse der einzelnen Räume müssen bei der Anwendung des
Verfahrens berücksichtigt werden. Sind alle Bedingungen erfüllt, dann
ist der Erfolg überraschend: sogar völlig unbrauchbar gewordene Sou-
terrainräumelassen sichln kurzer Zeit zu trockenen, warmen, sauberen und
hygienisch einwandfreien wohnlichen Zimmern umgestalten, die ohne
Bedenken selbst Kindern zu Schlafrüumen dienen können. Die verhält-
nismäßig geringen Kosten werden durch die Wertsteigerung und dauernde
Erhaltung des Hauses wie durch die Möglichkeit von Mieteinnahmen
mehr als ausgeglichen. In unserer durch Wohnungsnöte leidenden Zeit
sollte kein irgendwie verwendbarer Raum ungenützt bleiben. In dem
hier geschilderten Verfahren der Trockenlegung besitzen wir ein seit Jahren
hundertfältig erprobtes Hilfsmittel, bisher völlig unbrauchbare oder ge-
sundheitschädliche Räume der Allgemeinheit zur Bewohnung wieder zu-
gänglich zu machen. Leider ist das Verfahren, das allerdings keiner be-
sonderen Empfehlung bedurfte, bisher fast nur im Süden Deutschlands
mehr oder weniger bekannt gewesen und häufig zur Anwendung gelangt.
Der bekannte Architekt Professor Emanuel v. Seidl urteilte wiederholt
anerkennend über dieses Verfahren. Es verdient überall bekannt und
durchgeführt zu werden, wo die augenblickliche Not erfordert, daß man
mit allen verfügbaren Mitteln dem bestehenden Wohnungselend abhilft.
 
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