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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 2
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Die Überbleibsel eines Marienbildes von Albrecht Dürer
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0062

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38

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 2.

von der vorzüglichsten Arbeit verhelfen,
die Dürer je aus den Händen gegeben
haben dürfte.*)

Eine Ruine ist es wieder, die ich
diesmal meinen Lesern vorführe. Ja,
es war einmal eine gewiß sehr wert'
volle und künstlerisch wirksame Ma^
donna. Sie ist aber in böse Hände ge-
raten, fürchterlich gereinigt, wiederholt
übermalt und wieder gereinigt worden,
und nun zeigt es sich, daß sie an vielen
belangreichen Stellen glücklich bis aufs
Brett hinweg „gereinigt“ worden ist.
Das hatte man verdecken wollen durch
neue Farbe, die nur das Monogramm
und die Jahreszahl freiließ. In diesem
Zustande kam das kleine Gemälde in
die Hände des Wiener Kunsthändlers
agnaz Pick, der aus Neugierde zu putzen
Infing und dabei unter mehrfachen
neueren Farbenschichten das böse ver-
riebene alte Bild vorfand. Der Maler
Carl Anton Reichel erkannte übri-
gens auch in den Resten die hohe
künstlerische Bedeutung und erwarb
die Ruine für seine im Entstehen be-
griffene Sammlung. Der Freundlichkeit
Reichels verdanke ich es, daß ich das
merkwürdige Täfelchen fast unmittelbar
nach dem Ankauf im Spätsommer 1904
zu sehen bekam.

Das wenige, was noch von alter
Farbe da war, nahm mich sofort ge-
fangen und ebenso die ersten, wie
weitere Untersuchungen des ruinierten
Werkes ließen mich auf Albrecht
Dürer als Urheber schließen. Zwischen-
durch erregte es mein Bedenken, daß
sich kein weißer Grund nachweisen
läßt. Sollte das Bildchen nicht etwa
doch falsch sein bei aller Dürerschen
Linienführung und Formengebung?

*) Zum Rosenkranzbild ist in erster Linie
zu vergleichen Jos. Neuwirth, Albrecht Dürers
Rosenkranzbild (1885). Die Prager Inventare,
auf die ich anspielte, sind veröffentlicht im
„Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen
d. A. H. Kaiserhauses“, Bd.X, S.CXC u.CXXXVI.
Vgl. auch Handbuch der Gemäldekunde S. 61 ff.

Doch schloß ich dann so: hätte man
in durchtriebenerWeise fälschen wollen,
so wäre das Herstellen eines weißen
Grundes wohl das leichteste an der
Sache gewesen. Zudem ist es gerade
bei einem Künstlergeist wie Dürer
nicht unerhört, wenn er einmal in der
Eile, man weiß es, daß er auch sehr
rasch zu schaffen vermochte,*) ein An-
dachtsbildchen nicht weiß grundierte,
sondern sogleich aufs sauber geglättete
Holz zeichnete und malte. Halten wir
uns überdies gegenwärtig, daß unser
Bildchen nicht nach irgendwelchen be-
kannten Vorbildern Dürers gemacht ist.
Da läßt sich kein Holzschnitt, kein
Stich, kein Gemälde finden, das als
Vorlage gedient haben könnte. Und
dabei doch überall enge Beziehungen
zum ganzen Dürer und engste Ver-
wandtschaft mit den Werken, die un-
gefähr zwischen von 1505 und 1515
entstanden sind. Der Typus der Maria
ist nahezu derselbe, wie er auf dem
Rosenkranzbilde vorkommt. Dem neu
aufgefundenen Gemälde, nennen wir
es Madonna Reichel, stehen ferner
nahe die Kupferstichmadonnen von
1511 und 1513 (Bartsch, Nr. 41 und 35),
das sind die Madonna mit der Birne
und die Madonna am Brunnen. Auch
passen noch in den Zusammenhang
die Maria an der Stadtmauer (B. 40),
die Maria auf dem Halbmond, beide
von 1514 (B. 33), und die Maria mit
der Sternenkrone von 1516 (B. 32),

wogegen die später fallenden Madonnen
von 1518 und 1519 schon merklich
andere Züge aufweisen.

*) Am 26. August 1509 schrieb er in
einem Briefe an Jacob Heller zunächst von
der vielen Arbeit, die er an den Altar für
Heller gewendet hatte und dann als Gegen-
satz dazu sagt er: „ . . . gmeine Gmäl will
ich ein Jahr ein Haufen machen, dass Niemand
glaubte, dass möglich wäre, dass ein Mann
tun möchte.“ — Das Dürersche Bild „Christus
unter den Schriftgelehrten“ ist innerhalb
weniger Tage gemalt.
 
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