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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 3
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Dürer und die Ephebenfigur vom Helenenberge
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0079

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Nr. 3.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

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leicht vorgeneigte Haltung ist genau
dieselbe auf der Zeichnung und auf
dem gegensinnigen Holzschnitte, und
die Wendung beider Köpfe betrifft
wenigstens dieselbe Seite, auch wenn
der Kopf in der Zeichnung sich mehr
dem Viertelprofil nähert, wogegen die
Haltung des Gesichtes im Holzschnitt
als Halbprofil bezeichnet werden kann.
Die Art der Behaarung ist dieselbe.
Der Hauptunterschied zwischen beiden
Abbildungen liegt darin, daß man die
ganze Zeichnung zierlich nennen muß,
neben der Plumpheit des wenig feinen
Holzschnittes, für den gelegentlich ohne
nähere Begründung Ostendorfer ver-
antwortlich gemacht wird. *) Mit der
bekannten Figur des Apoll vom Bel-
vedere verglichen, läßt sich dagegen in
diesem Falle kaum eine andere Analogie
finden, als der Umstand, daß ein Bein
feststeht und das andere, nur leicht den
Boden berührend, nachgezogen wird.
Aber sogar dieses Motiv ist nicht genau
dem Apoll vom Belvedere entnommen,
bei welchem Standbein und Spielbein
in viel größerem Abstand gehalten sind,
als auf unserer Zeichnung. Bei Dürers
Zeichnung zum Adam von 1504 ist der
Abstand beider Füße doch merklich
größer als hier und damit eine Am
lehnung an den Apoll vom Belvedere
viel eher möglich, als bei der Zeichnung
mit dem nackten Krieger.

Prüfen wir nun die Chronologie
der Angelegenheit. Die abgebildete
Zeichnung mit dem nackten Krieger ist
nicht datiert. Vergleichungen mit da-
tierten Blättern lehren aber, daß man
den nackten Krieger weder in die frühe
Zeit Dürers schieben dürfte, noch in
die letzte Periode. Justi mag Recht be-
halten, wenn er dieses Blatt in die Zeit

*) Hierzu Naumanns Archiv für die
zeichnenden Künste, II, 206 ff., Naglers Mono-
grammisten und J. C. Brunet „Manuel du
libraire et de Tamateur de livres“ (I, 1860,
Artikel Apianus).

gegen 1507 versetzt. Um diese Zeit ist
sie gewiß entstanden. Die Statue vom
Helenenberge*) (anbei eine Abbildung
nach der Bronzefigur, die jetzt im
Wiener Hofmuseum aufgestellt ist)
ist 1502 ausgegraben worden, eine Zeit'
angabe, an der bisher niemand gerüttelt
hat. Zunächst sei also festgestellt, daß
die Statue einige Jahre früher aufge-
funden worden, ehe die Zeichnung ent-
standen ist.

Es spricht aber noch manches
andere für einen Zusammenhang der
Zeichnung mit der Ephebenstatue. Der
Fund des sogenannten Hermes, später
Antinous und noch anders benannt,
der jetzt als ein Sieger im Fünfkampf
gedeutet wird**), geschah nördlich der
Alpen in deutschen Landen und das in
Kärnten nahe bei Maria Saal nicht
allzuweit von Klagenfurt auf dem He-
lenenberge. Die neu aufgefundene, im
ganzen ziemlich wohl erhaltene antike
Figur muß zur Zeit des aufblühenden
Humanismus starkes Aufsehen erregt
haben, um so mehr als sie auch eine
Inschrift trug, somit ebenso für Alter-
tumsforscher wie für Kunstfreunde in-
teressant war. Die Umstände, überdies
die Größe der Figur und ihr für Laien
und Sachverständige leicht faßlicher
Wert dürfte bald Zeichnungen danach

*) Hierzu in erster Linie Robert von
Schneider: „Die Erzstatue vom Helenenberge,
Festschrift zur Begrüßung der XLII. Ver-
Sammlung deutscher Philologen und Schul-
männer zu Wien“ (Wien, 1893) und derselbe
neuerlich im „Album auserlesener Gegen-
stände der Antikensammlung des Allerhöchsten
Kaiserhauses“ (Wien 1895), wo überall die
ältere Literatur genannt ist. Zu dieser auch:
Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger
Landeskunde, XII (1872), S. 352, ferner Pöllnitz
Memoiren (auf 1730 bezüglich), 2. Aufl., S. 91,
Ph. W, Gercken: Reisen II (1784), S. 9, Elise
van der Recke: Tagebuch I, S. 35 f. — Siehe
auch Frimmel. Vom Sehen in der Kunst-
wissenschaft, S. 18.

**) Dieselbe Deutung wird man auch der
Ephebenfigur zu geben haben, die 1900 in
Pompeji gefunden worden ist.
 
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