Nr. 4.
BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
77
Von mehreren Veröffentlichungen, die
sich auf den älteren Peeter Brueghel be-
ziehen, ist diesmal Bericht zu erstatten. Zwei
Werke über Brueghel kommen in Lieferungen
heraus und haben erst zu erscheinen be-
gonnen; es sind Rene van Bastelaer und
Georges H. de Loo „Peter Bruegel Landen,
son oeuvre et son temps, etude historique,
suivie d’un catalogue raisonne de son oeuvre
dessine et grave et d’un catalogue raisonne
de son oeuvre peint“ (Brüssel, G. v. Oest & Cie.,
1905), und eine Brueghelpublikation, wohl ohne
Text, die bei H. Kleinmann & Cie. in Haarlem
zu erscheinen begonnen hat. Als abgeschlos-
senes Werk liegt Heft 3 des XXV. Bandes
„Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen
des allerhöchsten Kaiserhauses“ vor, ein um-
fangreiches „Heft“, in welchem „Pieter Brue-
ghel der ältere und sein Kunstschaffen“ von
Axel L. Romdahl behandelt wird. Abge-
schlossen ist diese Arbeit gewiß nicht in dem
Sinne, als ob damit eine abschließende Mono-
graphie geboten würde. Die neue Veröffent-
lichung entspricht mehr einer Reihe von Skiz-
zen und Studien, wie ehemals die gehaltvolle
Artikelserie von H. Heymans in der Gazette
des beaux arts (1890 ff.). Wie es nach dem
Titel scheinen will, vermeinte nun Romdahl
allerdings, eine Monographie zu schaffen, und
da wäre denn manches zu bemerken, wie
etwa eine gewisse Ungleichmäßigkeit in der
Behandlung und eine nicht ganz übersicht-
liche Anlage. Die Kapitel heißen der Reihe
nach: Lebenslauf, Entwicklungspfade, P. Brue-
ghel d. Ä. als Erzähler mit den Unterteilungen
„Bibelbilder“, „Didaktische Darstellungen“,
„Reine Genrebilder“. Dann folgt ein „Rück-
blick“. Das nächste Kapitel heißt: P. Brueghel
d. Ä. als Landschafter. Dann kommt noch eine
Übersicht über die Gemälde und graphischen
Arbeiten. Wie ich sogleich bemerken will,
wird ein Verzeichnis der nicht wenigen Zeich-
nungen vermißt*), und was die früher ange-
deuteten Mängel betrifft, findet man z. B.
sehr viele Genrebilder unter den Landschaften,
und bei den Genrebildern auch solche, die
man sonst historische Stücke oder Illustra-
tionen zu Klassikern genannt hat, wie die
Hochzeit des Mopsus und der Nisa. Ich würde
keinerlei Tadel aussprechen, hegte ich nicht
die Hoffnung, daß uns der Autor noch sehr
Dieser Mangel ist nicht ganz verständlich, da
doch Romdahl im Text eine weitgehende Kenntnis
der Zeichnungen an den Tag legt. Ein Blatt von 1560
in der Wiener Auktion Drexler-Iurie und ein un-
datiertes in der Wiener Versteigerung Artaria seien
dazu angemerkt. Eine Zeichnung aus der Sammlung
Beckerath ist abgebildet in „Zeitschrift für bildende
Kunst“, N. F. XII, 214. Die Zeichnungen, die in „Onze
Kunst“ I (1902), S. 77 ff- und 192 fr. Vorkommen, sind
durchaus nicht alle von Brueghels Hand.
viele Arbeiten liefern wird, von einer mehr
klaren Disposition, als sie diesmal festzu-
stellen ist.
Zu Einzelheiten fortschreitend, die ja
gewiß viele Forscher und Sammler mehr
interessieren als die Anlage des Werkes, stoßen
wir auf manches, das Widerspruch erregen
muß. Da ist z. B. der Ausspruch von den
„echt romanistischen Gestalten“, die auf der
Ernteszene Vorkommen sollen. Ich weiß nicht,
was noch mehr niederländisch sein könnte als
die erwähnte Szene, die Romdahl übrigens
wohl bis zu einem Gemälde in fürstlich
Liechtensteinschem Besitz (nicht mehr in der
Galerie; 1895 im Schloß Eisgrub) hätte zurück-
verfolgen können. Auch wird eine Ernte im
Pariser Besitz genannt. Mit dem „italienischen
Einflüsse“ und den „venezianischen Vor-
bildern“, die Romdahl aus Brueghels Werken
herauslesen will, wird sich wohl auch nicht
so leicht jemand einverstanden erklären. Der
alte Peeter Brueghel ist ja doch eigentlich das
gerade Widerspiel seiner romanistischen Zeit-
genossen. Recht wehe taten mir die Hinweise
auf J. B. S. Chardin! und auf Donatello!
(S. 93, 130 und 153.)
Romdahl ist noch sehr geneigt, Behaup-
tungen hinauszuschleudern, deren Beweise
ihm schwer fallen dürften. So steht es z. B.
um die Halbfigur des alten Hirten in der
Wiener Galerie, die Romdahl bloß des etwas
altertümlichen Ansehens wegen sofort dem
Brueghel abspricht. Wenn dieses Werk auch
nicht in di^ Reihe der datierten (späten)
Arbeiten Brueghels einzufügen ist, so bleibt
immer zu beachten, daß Brueghel gewiß nicht,
wie Romdahl anzunehmen scheint, erst in
seinen alten Tagen Maler geworden ist, sondern
ohne jeden Zweifel in seiner Jugend Bilder
gemacht hat, die neben den späten Werken
naturgemäß etwas altertümlich aussehen
müssen. Das Bild wird überdies als Brueghels
Werk verständlicher, wenn wir die Köpfe
würdigen auf jener Zeichnung des Dresdener
Kabinetts, die bei Woermann auf Taf. 12 Vor-
kommen. Was den inventarisch erwähnten
alten Hirten von Brueghel betrifft, so be-
hauptet Romdahl, gerade dieses Bild sei 1648
nach Stockholm gekommen. Ein Beweis da-
für wird nicht beigebracht.
Zur Anbetung durch die Magier in der
Sammlung Roth zu Wien wäre es nicht un-
wesentlich gewesen zu bemerken, daß die
Lesung der Jahreszahl keineswegs so unbe-
dingt feststeht, wie es nach Romdahls Er-
örterungen scheinen könnte. Die Inschrift
„BRVEGEL . M . D .. XIIII“ weist zwischen D
und X ein ergänztes L auf. Freilich hätte
dort nicht viel anderes Raum, als ein Buch-
stabe und es istnichtanzunehmen, daßBrueghel
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BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.
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Von mehreren Veröffentlichungen, die
sich auf den älteren Peeter Brueghel be-
ziehen, ist diesmal Bericht zu erstatten. Zwei
Werke über Brueghel kommen in Lieferungen
heraus und haben erst zu erscheinen be-
gonnen; es sind Rene van Bastelaer und
Georges H. de Loo „Peter Bruegel Landen,
son oeuvre et son temps, etude historique,
suivie d’un catalogue raisonne de son oeuvre
dessine et grave et d’un catalogue raisonne
de son oeuvre peint“ (Brüssel, G. v. Oest & Cie.,
1905), und eine Brueghelpublikation, wohl ohne
Text, die bei H. Kleinmann & Cie. in Haarlem
zu erscheinen begonnen hat. Als abgeschlos-
senes Werk liegt Heft 3 des XXV. Bandes
„Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen
des allerhöchsten Kaiserhauses“ vor, ein um-
fangreiches „Heft“, in welchem „Pieter Brue-
ghel der ältere und sein Kunstschaffen“ von
Axel L. Romdahl behandelt wird. Abge-
schlossen ist diese Arbeit gewiß nicht in dem
Sinne, als ob damit eine abschließende Mono-
graphie geboten würde. Die neue Veröffent-
lichung entspricht mehr einer Reihe von Skiz-
zen und Studien, wie ehemals die gehaltvolle
Artikelserie von H. Heymans in der Gazette
des beaux arts (1890 ff.). Wie es nach dem
Titel scheinen will, vermeinte nun Romdahl
allerdings, eine Monographie zu schaffen, und
da wäre denn manches zu bemerken, wie
etwa eine gewisse Ungleichmäßigkeit in der
Behandlung und eine nicht ganz übersicht-
liche Anlage. Die Kapitel heißen der Reihe
nach: Lebenslauf, Entwicklungspfade, P. Brue-
ghel d. Ä. als Erzähler mit den Unterteilungen
„Bibelbilder“, „Didaktische Darstellungen“,
„Reine Genrebilder“. Dann folgt ein „Rück-
blick“. Das nächste Kapitel heißt: P. Brueghel
d. Ä. als Landschafter. Dann kommt noch eine
Übersicht über die Gemälde und graphischen
Arbeiten. Wie ich sogleich bemerken will,
wird ein Verzeichnis der nicht wenigen Zeich-
nungen vermißt*), und was die früher ange-
deuteten Mängel betrifft, findet man z. B.
sehr viele Genrebilder unter den Landschaften,
und bei den Genrebildern auch solche, die
man sonst historische Stücke oder Illustra-
tionen zu Klassikern genannt hat, wie die
Hochzeit des Mopsus und der Nisa. Ich würde
keinerlei Tadel aussprechen, hegte ich nicht
die Hoffnung, daß uns der Autor noch sehr
Dieser Mangel ist nicht ganz verständlich, da
doch Romdahl im Text eine weitgehende Kenntnis
der Zeichnungen an den Tag legt. Ein Blatt von 1560
in der Wiener Auktion Drexler-Iurie und ein un-
datiertes in der Wiener Versteigerung Artaria seien
dazu angemerkt. Eine Zeichnung aus der Sammlung
Beckerath ist abgebildet in „Zeitschrift für bildende
Kunst“, N. F. XII, 214. Die Zeichnungen, die in „Onze
Kunst“ I (1902), S. 77 ff- und 192 fr. Vorkommen, sind
durchaus nicht alle von Brueghels Hand.
viele Arbeiten liefern wird, von einer mehr
klaren Disposition, als sie diesmal festzu-
stellen ist.
Zu Einzelheiten fortschreitend, die ja
gewiß viele Forscher und Sammler mehr
interessieren als die Anlage des Werkes, stoßen
wir auf manches, das Widerspruch erregen
muß. Da ist z. B. der Ausspruch von den
„echt romanistischen Gestalten“, die auf der
Ernteszene Vorkommen sollen. Ich weiß nicht,
was noch mehr niederländisch sein könnte als
die erwähnte Szene, die Romdahl übrigens
wohl bis zu einem Gemälde in fürstlich
Liechtensteinschem Besitz (nicht mehr in der
Galerie; 1895 im Schloß Eisgrub) hätte zurück-
verfolgen können. Auch wird eine Ernte im
Pariser Besitz genannt. Mit dem „italienischen
Einflüsse“ und den „venezianischen Vor-
bildern“, die Romdahl aus Brueghels Werken
herauslesen will, wird sich wohl auch nicht
so leicht jemand einverstanden erklären. Der
alte Peeter Brueghel ist ja doch eigentlich das
gerade Widerspiel seiner romanistischen Zeit-
genossen. Recht wehe taten mir die Hinweise
auf J. B. S. Chardin! und auf Donatello!
(S. 93, 130 und 153.)
Romdahl ist noch sehr geneigt, Behaup-
tungen hinauszuschleudern, deren Beweise
ihm schwer fallen dürften. So steht es z. B.
um die Halbfigur des alten Hirten in der
Wiener Galerie, die Romdahl bloß des etwas
altertümlichen Ansehens wegen sofort dem
Brueghel abspricht. Wenn dieses Werk auch
nicht in di^ Reihe der datierten (späten)
Arbeiten Brueghels einzufügen ist, so bleibt
immer zu beachten, daß Brueghel gewiß nicht,
wie Romdahl anzunehmen scheint, erst in
seinen alten Tagen Maler geworden ist, sondern
ohne jeden Zweifel in seiner Jugend Bilder
gemacht hat, die neben den späten Werken
naturgemäß etwas altertümlich aussehen
müssen. Das Bild wird überdies als Brueghels
Werk verständlicher, wenn wir die Köpfe
würdigen auf jener Zeichnung des Dresdener
Kabinetts, die bei Woermann auf Taf. 12 Vor-
kommen. Was den inventarisch erwähnten
alten Hirten von Brueghel betrifft, so be-
hauptet Romdahl, gerade dieses Bild sei 1648
nach Stockholm gekommen. Ein Beweis da-
für wird nicht beigebracht.
Zur Anbetung durch die Magier in der
Sammlung Roth zu Wien wäre es nicht un-
wesentlich gewesen zu bemerken, daß die
Lesung der Jahreszahl keineswegs so unbe-
dingt feststeht, wie es nach Romdahls Er-
örterungen scheinen könnte. Die Inschrift
„BRVEGEL . M . D .. XIIII“ weist zwischen D
und X ein ergänztes L auf. Freilich hätte
dort nicht viel anderes Raum, als ein Buch-
stabe und es istnichtanzunehmen, daßBrueghel
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