Blätter für Gemäldekunde
ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.
VON
Dr. TH. V. FRIMMEL
- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.
II. Band.
WINTERHEFT 1905. Heft 7.
ADALBERT STIFTER ALS
MALER.
(Zur Jahrhundertfeier der
Malerpoeten.)
Geburt des
Von Alois Raimund Hein.
Was uns Adalbert Stifter als Dichter
bedeutet, das wurde in diesen Tagen an-
läßlich der Jahrhundertfeier seiner Geburt
in allen deutschen Landen hundertfach
mit Begeisterung ausgesprochen. Geradezu
überwältigend war die Zahl der literarischen
Kundgebungen, welche in dem Gefeierten
einen gleichsam neu entdeckten Klassiker
begrüßten und man konnte es angesichts
der allgemeinen Übereinstimmung mit
ruhigem Behagen sehen, wenn verständ-
nislose Querköpfe durch eine da und dort
vereinzelt erhobene, völlig wirkungslose
Einsprache für unfreiwillige Komik sorgten.
Ob schließlich beispielsweise ein vereinzelter
Ruf in den allerorts zum Ausdruck ge-
brachten Jubel mit einstimmen wollte, oder
sich hochtrabend zu erklären bemüßigt fand,
Stifter könne nur „unliterarischen Men-
schen“ gefallen, bleibt für das feststehende
Gesamturteil wahrhaftig belanglos. Der unvergängliche Ruhm des unerreichten
Waldschilderers ist jeder Modeströmung entrückt und die mauerumhegte, natur-
hungrige Kulturmenschheit schätzt ihn heute höher als je.
Dagegen ist Stifters Stellung als Maler, trotzdem er ursprünglich in der
Ausübung der bildenden Kunst seinen eigentlichen Beruf zu erkennen glaubte,
so lange schwankenden Urteilen ausgesetzt gewesen, als die meisten seiner vordem
in alle Winde zerstreuten Bilder schwer zugänglich und darum fast unbekannt
geblieben waren. Zwar wurde zu wiederholten Malen auch Stifters künstlerische
Tätigkeit der Besprechung unterzogen,'*) aber die Mehrzahl der darauf bezug-
Adalbert Stifter: Pfarrkirche bei Bad Hall in Ober-
österreich. Ölgemälde aus dem Jahre 1832. (Samm-
lung J. Funke. Bodenbach a. E.) Aus A. R. Hein:
..Adalbert Stifter, sein Leben und seine Werke.“
*) Fürst, Dr. Rudolf: „Adalbert Stifter und die bildende Kunst." Die Zeit, Wien, 7. Juni
1902. — Hein Alois Raimund: „Adalbert Stifters künstlerische Bedeutung." Linzer Tagespost,
ZU BEZIEHEN DURCH
DIE BUCHHANDLUNG
GEROLD & Co., WIEN,
I. STEPHANSPLATZ 8.
VON
Dr. TH. V. FRIMMEL
- ZUSCHRIFTEN AN -
DEN HERAUSGEBER ZU
RICHTEN NACH WIEN,
IV. SCHLÜSSELGASSE 3.
II. Band.
WINTERHEFT 1905. Heft 7.
ADALBERT STIFTER ALS
MALER.
(Zur Jahrhundertfeier der
Malerpoeten.)
Geburt des
Von Alois Raimund Hein.
Was uns Adalbert Stifter als Dichter
bedeutet, das wurde in diesen Tagen an-
läßlich der Jahrhundertfeier seiner Geburt
in allen deutschen Landen hundertfach
mit Begeisterung ausgesprochen. Geradezu
überwältigend war die Zahl der literarischen
Kundgebungen, welche in dem Gefeierten
einen gleichsam neu entdeckten Klassiker
begrüßten und man konnte es angesichts
der allgemeinen Übereinstimmung mit
ruhigem Behagen sehen, wenn verständ-
nislose Querköpfe durch eine da und dort
vereinzelt erhobene, völlig wirkungslose
Einsprache für unfreiwillige Komik sorgten.
Ob schließlich beispielsweise ein vereinzelter
Ruf in den allerorts zum Ausdruck ge-
brachten Jubel mit einstimmen wollte, oder
sich hochtrabend zu erklären bemüßigt fand,
Stifter könne nur „unliterarischen Men-
schen“ gefallen, bleibt für das feststehende
Gesamturteil wahrhaftig belanglos. Der unvergängliche Ruhm des unerreichten
Waldschilderers ist jeder Modeströmung entrückt und die mauerumhegte, natur-
hungrige Kulturmenschheit schätzt ihn heute höher als je.
Dagegen ist Stifters Stellung als Maler, trotzdem er ursprünglich in der
Ausübung der bildenden Kunst seinen eigentlichen Beruf zu erkennen glaubte,
so lange schwankenden Urteilen ausgesetzt gewesen, als die meisten seiner vordem
in alle Winde zerstreuten Bilder schwer zugänglich und darum fast unbekannt
geblieben waren. Zwar wurde zu wiederholten Malen auch Stifters künstlerische
Tätigkeit der Besprechung unterzogen,'*) aber die Mehrzahl der darauf bezug-
Adalbert Stifter: Pfarrkirche bei Bad Hall in Ober-
österreich. Ölgemälde aus dem Jahre 1832. (Samm-
lung J. Funke. Bodenbach a. E.) Aus A. R. Hein:
..Adalbert Stifter, sein Leben und seine Werke.“
*) Fürst, Dr. Rudolf: „Adalbert Stifter und die bildende Kunst." Die Zeit, Wien, 7. Juni
1902. — Hein Alois Raimund: „Adalbert Stifters künstlerische Bedeutung." Linzer Tagespost,