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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 10
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Zu Vermeer van Delft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0209

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Nr. io.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

185

breites, klares Tageslicht. Und was den
Künstler augenscheinlich bei seinen Ar-
beiten am meisten gefesselt hat, war
wieder das Licht in seinen ungezählten
Stufen vom Hell zum Dunkel und von
reiner Farbigkeit bis zum tintigen
Schwarz. Auf diesem Gebiet weiß der
Mann Bescheid wie kein anderer. Die
Werke seiner reifen Zeit bekunden alle
eine vollkommene V ertrautheit mit allem,
was Spiegelung, Durchscheinen, Schatten-
Projektion und die verwandten Erschein
nungen betrifft. Es sind die Bilder in
der Wiener Galerie Czernin, im Städel-
sehen Institut zu Frankfurt am Main,
ein damit verwandtes, das 1898 aus der
Antwerpener Galerie Kums bei deren
Versteigerung an die Brüder Le Roy
nach Brüssel gelangt ist, ferner die Ge-
mälde in Berlin, Braunschweig, das Bild
mit dem lesenden Mädchen in Dresden,
die Dame in der Galerie Aremberg zu
Brüssel, die lesende Frau und die Lautem
Spielerin mit dem Brief in Amsterdam,
die Köchin mit dem Milchtopf bei Six
ebendort.’* **)') Das wären bekannte Er-
Zeugnisse des ausgereiften Künstlers.
Die meisten davon tragen die Signatur

]y[eer« mit dem I über dem M. Diese

Bilder dürften alle zwischen etwa 1660
und gegen 1675 entstanden sein. Gewiß
fallen sie nach 1656. Denn aus jenem
Jahre hat man ein datiertes Werk, das
beweist, wie der Künstler damals noch

*) Durch gute Abbildungen sind mir
noch andere bekannt, z. B. die Gemälde aus der
Sammlung Des Tombe im Haag und das neu
erworbene, übrigens nicht von allen Kunst'
freunden anerkannte Bild der Londoner Na-
tional Galery, auch das (biblische) Bild der
Coats-Collection in Skalmorlie Castle und das
bei James Simon in Berlin. — Vor Jahren
habe ich einen angeblichen A. Cuyp im Museum
zu Lille als Vermeer notiert (Junge Dame mit
Fächer), doch müßte ich die Angelegenheit neu-
erlich überprüfen, um das Bild in die Liste der
Werke einzureihen. Zur Datierung einiger später
Figurenbilder des Vermeer die Erörterungen
von Weizsäcker im Katalog der Frankfurter
Galerie.

nicht zur vollen freien Wiedergabe des
Sonnenlichtes und noch nicht zu voll-
kommener Technik durchgedrungen
war.'*') Es ist der Liebeshandel der
Dresdener Galerie mit der folgenden
Inschrift:



ß'lcer-

Nach der Form des Monogramms
zu schließen, wäre die berühmte Ansicht
von Delft'*"*') im Mauritshuis um dieselbe
Zeit 1656 entstanden. Das kleine v hat
dieselbe Stellung unter dem I und M
wie in der Signatur des Dresdener Bildes.

Das Straßenbild der Sammlung Six
trägt noch eine andere Signatur, deren
nachfolgende Wiedergabe freilich man-
ches zu wünschen übrig läßt.

Auch dieses Bild gehört gewiß nicht
in den letzten Stil des Vermeer, auch
wenn es sich einstweilen schwer sagen
ließe, welchem Jahre es zugewiesen
werden muß.

Mit einem gewissen Vorbehalt bilde
ich anbei ein Werk ab, das mutmaß-
lich eine frühe Arbeit des Vermeer
ist. Es befand sich vor einigen Monaten
im Wiener Kunsthandel und gehört
jetzt der Wiener Sammlung Mats-

*) Auf diesem Gemälde kommen inter-
essante Pentimente vor. Am Hals des
jungen Weibes gegen links war ursprünglich
eine andere Begrenzung des Leibchens oder
Hemdes gemalt. Man erkennt deutlich einen
breiten Pinselstrich, der durch die spätere Kleid-
begrenzung überschnitten wird. Auch rechts
an der Brust gibt es geänderte Begrenzungen.

**) Über diese vgl. auch Bd. I der Blätter
für Gemäldekunde, 21. Auch hier ein Pentiment.
 
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