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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

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Nr. 1
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Ebhardt, Bodo: Die Sprache deutscher Burgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0020

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Die Sprache deutscher Burgen.

Von Bodo Ebhardt.

on der Sprache deutscher Burgen möchte ich reden! Haben Bauwerke eine
Sprache? — Können Steine reden? — Kann das Werk unserer Vorsahren,
der ragende Turm, die trohige Mauer, der liebliche Erker uns noch heute nach
500, ja nach 1OO0 Iahren verraten, was einst an Kriegsstürmen dagegen am
gebraust, — was einst an sröhlichem Festesglanz darin gestrahlt, was an stillen
Seuszern aus tiesster Brust darin verklungen ist?

. Ia, die Steine reden. Den Sonntagskindern unter den Menschen sagen die
altersgrauen Mauern mancherlei, d. h. den Menschen, die mit ossenem Auge,
mit bewegtem Herzen davortreten, die mit Ehrfurcht dem Atem der Zeiten lauschen,
der im Blättermeer in wildumwachsenen Ruinen weht — jenen Menschen, die
ein Herz voll Andacht, voll Liebe zur Vergangenheit ihres Volkes mitbringen.

Ihnen werden die Steine
reden!-

Und wann wäre es nühlicher,
dieser Sprache zu lauschen, wie
jetzt, in einem Augenblicke, wo
die Welt erschüttert wird von
einemRiesenkriege gegen Deutsch-
land! —

Wann wäre es nützlicher,
die Lehren unserer Vergangen-
heit aus uns wirken zu lassen,
als heute, wo wieder einmal der
Neid der Nachbarn — der ab-
sterbenden Franzosen gegen unser

gesundes Volksleben-der

habgierigen Engländer gegen

unseren blühenden Handel-

der russischen Knechte und ihrer
Tyrannen gegen unsere Frei-
heit, gegen unseren Fleitz und
unser Können-mit Feuer und Schwert, mit Mord und mit Lüge zu Felde zieht. —

Suchen wir nun diejenigen steinernen Zeugen, die zur heutigen Kriegsstimmung am lautesten und
lehrreichsten sprechen. Wohl reden auch Kirchen und Schlösser, Bürger- und Bauernhäuser zu uns von
vergangenen Tagen, — aber nicht so wild brandet um sie der Sturm der Zeit, nicht so sehr stehen sie im
Mittelpunkt der Kriegsereignisse — also der Wendepunkte im Leben der Völker — wie die Burgen
und städtischen Wehrbauten mit ihren mächtig ausstrebenden, düsteren Mauern und stolzen
Türmen.

Ein düsterer Zauber umgibt die Mauern unserer Burgen, der sorgsältig erhaltenen Wohnsitze
edler Geschlechter sowohl, wie der Stadtburgen, der Kernvesten aller alten Städte, wie endlich
der einsam träumenden, weit in die Lande schauenden Nuinen.

Dreisach können sie uns, wie ich schon sagte, belehren, in kulturgeschichtlicher, in künstlerischer und
in vaterländischer Beziehung.

Zur Kulturgeschichte erkennen wir im Rahmen der altersgrauen Mauern ein Bild des ge-
samten wirtschastlichen, wohngeschichtlichen und kriegerischen Lebens, und wohlerhaltene Beispiele geben
 
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