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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

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Nr. 5
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Radinger, Karl von: Amras, ein Fürstensitz der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0105

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Nagelfluhe stühen, nn ersten Stocke der Bibliotheksaal mit schöner Zirbelholzdecke und einer sich gegen den
Hof öffnenden Holzgalerie, endlich im hohen Dachraum die Kornschütte. 2ln diesen Bau reihen sich gegen
Westen in einem rechten Winkel zusammenstoßend die langen Trakte der Kunstkammer und Rüstkammer,
das niedrige Antiquarium mit den römischen Meilensteinen und neben diesem die nach außen vorspringende
Basteh die mit schweren Geschützen armiert war. Sie ist wie das dahinter erscheinende Edelknabenlogement
heute gänzlich verändert. Die jüngste Baugruppe wird durch die links vom Eingang in das Hochschloß
gelegene Hosküche gebildet, über der sich der Speisesaal erhob. An seine Stelle ist 1867 eine Aussichtsterrasse
getreten. Von seinem Schmucke hat sich nur der mit Ölfarben auf Bretter gemalte Plafond erhalten, der
jetzt in einem der Säle des Rnterschlosses untergebracht ist. Er wurde in den Iahren 1583 und 1584 von
Giovanni Batt. Fontana ausgeführt und stellt im Hauptfelde vom Zodiakus umgeben die Sternbilder in
höchst originellen Gestalten dar; außen herum sind die sieben Hauptplaneten, in den Zwickeln die vier
Elemente gemalt. Überhaupt hat diese Partie durch moderne Nestaurierungen, auf die wir noch zurück-
kommen werden, am meisten gelitten. So wurde der gedeckte Treppenaufgang neben der Küche abgerissen
und die Bastei vor dem spanischen Saale demoliert, um eine bequeme Zufahrt zum Hochschloß zu gewinnen.

Das Bild des Amras der Ferdinandszeit wäre unvollständig, wollten wir nicht der Garten- und Park-
anlagen gedenken, die das Schloß rings umgaben. Für diese versagen die Abbildungen sast ganz, einzig
der hinter dem Ballhause gelegene Ziergarten erscheint auf dem INerianischen Stiche als eine regelmäßige
Anlage im Geschmacke der deutschen Renaissance dargestellt. Dafür treten die Berichte der Zeitgenossen
ein, welche in überschwenglichen Ausdrücken die Gartenwunder von Amras preisen, vor allen der gelehrte
Stefan Pighius, der 1574 als Hofmeister den Prinzen Karl von Cleve auf seiner Reise nach Italien be-
gleitete. Beim Anblicke der Feigen, Mandeln, Quitten und Pfirsichbäume mochte man sich nach dem Süden
versetzt glauben. Im Gebüsche versteckt standen überall große und kleine Statuen; Sommerhäuschen mit
Bänken luden zur Nast ein. Dann sah man wieder prächtige Ballustraden von Rosen, welche niederländische
Kunstgärtner angelegt hatten. Zahlreich waren die Teiche, auf denen Schwäne dahin schwammen, zierliche
Barken standen zur Belustigung der Gäste bereit. In drahtgeflochtenen Behältern wurden Hunderte von
Vögeln gehalten. Reich war der Wildstand des Tiergartens, und die Fasanerie bildete einen besonderen
Stolz des Erzherzogs. Wie in allen Nenaissancegärten sehlte es nicht an allerlei Spielereien, an Paradisen,
Labyrinthen, Grotten und reichlich mit Wasser versehenen Springbrunnen. Vor allen aber erregte das
Staunen der Besucher jene Rotunde, in deren Mitte ein runder Tisch samt den Gästen bald langsamer,
bald rascher herumgedreht werden konnte, so daß diese schwindlig wurden. Nicht weit davon befand sich
eine gewaltige finstere Höhle, zu der man über steinerne Stufen hinabstieg; es war das Heiligtum des
Bacchus. Sobald die Fremden die Höhle verlassen wollten, sühlten sie sich von Ketten sestgehalten und
fanden die Gitter verriegelt. Sie konnten sich nur dadurch lösen, dah sie einen Humpen, welcher an drei
Maß hielt, leerten. War das mit mehr oder weniger Mühe geschehen, so durften sie ihren Namen in eines der
Trinkbücher schreiben, die heute noch in Wien ausbewahrt werden. Auch sonst war das Leben auf dem
Schlosse sehr fröhlich; fast täglich gab es Gäste, so daß an der gewöhnlichen Tafel meist hundert Personen
speisten. Schießübungen mit Armbrust und Büchse wechselten mit Pferd- und Fußturnieren, welsche
Ballspieler zeigte ihre Künste, mit Eifer wurde dem edlen Weidwerke gehuldigt.

Mit dem Tode der edlen Welserin im Iahre 1580 wurde es in den Räumen des Schlosses stiller. Die
zweite Gemahlin Ferdinands, die fromme Anna Katharina von Mantua, hielt sich lieber in dem für sie
erbauten Palaste Nuhelust in Innsbruck auf. Damit beginnt eine neue Periode für das Schloß. Amras
wurde zum Museum.

Ferdinand hatte schon als Statthalter von Böhmen eifrig gesammelt, und diese Sammellust steigerte
sich im Laufe der Iahre zu einer wahren Leidenschaft. Vor allem war er bestrebt, Turnierrüstungen, Leib-
harnische und andere Waffen seiner Vorfahren und berühmter Zeitgenossen samt ihren Porträts zusammen-
zubringen, aber auch ältere geschichtlich bedeutsame oder exotische Stücke suchte er durch seine Agenten von
überallher zu erwerben. Dabei stand ihm sein Sekretär Iakob Schrenk von Notzing hilfreich zur Seite.
Schrenk hat dann auch den großen, reich illustrierten Katalog der Rüstkammer ausgearbeitet, der freilich
erst nach dem Tode des Fürsten im Iahre 1601 im Drucke erschienen ist.
 
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