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Abb. Id. Mainz. Teil der Pfeilerreste der Römischen Wasserleitung.
Stadt vom Jahre 1906 ab die Aufgabe zugefallen, für eine Reihe neu zu erschließender Gebiete und einge-
meindeter Bezirke Bebauungspläne aufzustellen oder bestehende abzuändern, so den bereits im „Städtebau" ver-
öffentlichten Plan der Südwestfront, welcher dem Plane für die Nordwestfront nachgefolgt ist, die Bebauungs-
pläne für die Vororte Mombach, Kastel, Kostheim. Aber bei keinem dieser Pläne trat die Aufgabe der Berück-
sichtigung eines alten Baudenkmals derart in den Vordergrund, wie hier bei dem Gebiete der römischen Wasser-
leitung, oder im nachfolgenden kurz mit Römersteinen bezeichnet. Handelte es sich doch darum, den letzteren als
unverfälschten Zeugen römischer Glanzzeit am Rheine einen würdigen Platz im städtischen Baugebiete anzu-
weisen. Der schmale 650 m lange Geländestreifen, auf welchem sich die Römersteine erheben, gehört der Stadt
und wird an beiden Seiten begrenzt von städtischem und privatem Grundbesitz. Es lag nahe, das letztere Gebiet
aufzukaufen und die ganze Umgebung der Pfeiler in eine öffentliche Gartensläche zu verwandeln. Für den west-
lichen Teil des Geländes kann der geplante Park durchgeführt werden, im östlichen Teile mußte infolge der zu
erwartenden hohen Kosten davon Abstand genommen werden, und so entstand die Aufgabe, die Römersteine zu
den Bauquartieren in Beziehung zu bringen. An welcher Richtung und in welchen Grenzen konnte die brauchbare
Lösung gefunden werden?
Aristoteles hat für den Städtebau den Grundsatz aufgestellt, daß die zu erbauende Stadt die Menschen sicher
und glücklich machen soll. Das letztere zu erreichen, war dem hohen Kunstsinn der Griechen und Römer Vor-
behalten, die ihren öffentlichen Stadtplätzen Raummaße, architektonische Wandungen und bildlichen Schmuck von
vollendetem Geschmacke zu geben wußten. Zu obiger Forderung gehörte aber auch die praktische Seite des Städte-
baues. Es entstanden die einheitlich angelegten, mit breiten Straßen und Plätzen durchlüfteten Städte, wobei an
Alexandria, Priene, Peiraieus erinnert wird. Die gesundheitlichen Maßnahmen fanden nicht minder Beachtung.
Im ersten Buche Vitruv's finden sich städtebauliche Lehren über die Wahl gesunder, sumpffreier Ortslagen bei
Städtegründungen, Prüfung des Grundwasserstandes, der Quellwasser- und Vorslutverhältnisse, Orientierung
des Straßennetzes für günstige Sonnenbestrahlung und Fernhaltung schädlicher Winde. Besonders anschaulich näher
gerückt wird aber die antike Stadt durch die glückliche Anlage der öffentlichen Bauwerke und Plätze. Freilich hatten
die letzteren eine andere Bedeutung als bei uns. Die Agora der griechischen Städte war der Platz der unter freiem
Himmel tagenden Ratsversammlung, die Theater, Spiele, Opferschlachtungen wickelten sich unter freiem Himmel
ab, desgleichen die politischen Versammlungen, bei denen der Redner zu den Bürgern sprach. Die gleiche Bedeu-
tung hatte zu den Zeiten der Römer das Forum, wo sich ein großer Teil des öffentlichen Lebens abspielte und
glänzende Feste abgehalten wurden, denen die umlaufenden, säulengeschmückten Hallen, die Freitreppen, Marmor-
fassaden und seitlich aufgestellten Denkmäler einen festlichen Hintergrund gegeben haben, da sich Architektur, Plastik
und Malerei zu herrlicher Gesamtwirkung vereinigten. Die Betätigung des öffentlichen Lebens unter freiem Himmel
hing mit dem Götterkultus dieser Völker zusammen. Auch im Mittelalter und in der Renaissance liefern noch die
Plätze den Rahmen zur Entfaltung öffentlichen Volkslebens, aber in unserer Zeit hat nur der Marktplatz das über-
lieferte Recht, unter freiem Himmel seinem Zwecke zu dienen, die übrigen Stadtplätze sind zuSchönheits-
und Nützlichkeitselementen des Städtebaues geworden, und mitNücksicht auf das Vorausgesagte hätte
der Platz mit den Römersteinen beiden Bedingungen zu genügen.
Wie schon früher angedeutet, war für die Römersteine von grundsätzlicher Bedeutung die Frage ihrer Ein-
ordnung in die Umgebung. Die vielen Beispiele aus dem klassischen Altertums und dem Mittelalter lehren, daß
Abb. Id. Mainz. Teil der Pfeilerreste der Römischen Wasserleitung.
Stadt vom Jahre 1906 ab die Aufgabe zugefallen, für eine Reihe neu zu erschließender Gebiete und einge-
meindeter Bezirke Bebauungspläne aufzustellen oder bestehende abzuändern, so den bereits im „Städtebau" ver-
öffentlichten Plan der Südwestfront, welcher dem Plane für die Nordwestfront nachgefolgt ist, die Bebauungs-
pläne für die Vororte Mombach, Kastel, Kostheim. Aber bei keinem dieser Pläne trat die Aufgabe der Berück-
sichtigung eines alten Baudenkmals derart in den Vordergrund, wie hier bei dem Gebiete der römischen Wasser-
leitung, oder im nachfolgenden kurz mit Römersteinen bezeichnet. Handelte es sich doch darum, den letzteren als
unverfälschten Zeugen römischer Glanzzeit am Rheine einen würdigen Platz im städtischen Baugebiete anzu-
weisen. Der schmale 650 m lange Geländestreifen, auf welchem sich die Römersteine erheben, gehört der Stadt
und wird an beiden Seiten begrenzt von städtischem und privatem Grundbesitz. Es lag nahe, das letztere Gebiet
aufzukaufen und die ganze Umgebung der Pfeiler in eine öffentliche Gartensläche zu verwandeln. Für den west-
lichen Teil des Geländes kann der geplante Park durchgeführt werden, im östlichen Teile mußte infolge der zu
erwartenden hohen Kosten davon Abstand genommen werden, und so entstand die Aufgabe, die Römersteine zu
den Bauquartieren in Beziehung zu bringen. An welcher Richtung und in welchen Grenzen konnte die brauchbare
Lösung gefunden werden?
Aristoteles hat für den Städtebau den Grundsatz aufgestellt, daß die zu erbauende Stadt die Menschen sicher
und glücklich machen soll. Das letztere zu erreichen, war dem hohen Kunstsinn der Griechen und Römer Vor-
behalten, die ihren öffentlichen Stadtplätzen Raummaße, architektonische Wandungen und bildlichen Schmuck von
vollendetem Geschmacke zu geben wußten. Zu obiger Forderung gehörte aber auch die praktische Seite des Städte-
baues. Es entstanden die einheitlich angelegten, mit breiten Straßen und Plätzen durchlüfteten Städte, wobei an
Alexandria, Priene, Peiraieus erinnert wird. Die gesundheitlichen Maßnahmen fanden nicht minder Beachtung.
Im ersten Buche Vitruv's finden sich städtebauliche Lehren über die Wahl gesunder, sumpffreier Ortslagen bei
Städtegründungen, Prüfung des Grundwasserstandes, der Quellwasser- und Vorslutverhältnisse, Orientierung
des Straßennetzes für günstige Sonnenbestrahlung und Fernhaltung schädlicher Winde. Besonders anschaulich näher
gerückt wird aber die antike Stadt durch die glückliche Anlage der öffentlichen Bauwerke und Plätze. Freilich hatten
die letzteren eine andere Bedeutung als bei uns. Die Agora der griechischen Städte war der Platz der unter freiem
Himmel tagenden Ratsversammlung, die Theater, Spiele, Opferschlachtungen wickelten sich unter freiem Himmel
ab, desgleichen die politischen Versammlungen, bei denen der Redner zu den Bürgern sprach. Die gleiche Bedeu-
tung hatte zu den Zeiten der Römer das Forum, wo sich ein großer Teil des öffentlichen Lebens abspielte und
glänzende Feste abgehalten wurden, denen die umlaufenden, säulengeschmückten Hallen, die Freitreppen, Marmor-
fassaden und seitlich aufgestellten Denkmäler einen festlichen Hintergrund gegeben haben, da sich Architektur, Plastik
und Malerei zu herrlicher Gesamtwirkung vereinigten. Die Betätigung des öffentlichen Lebens unter freiem Himmel
hing mit dem Götterkultus dieser Völker zusammen. Auch im Mittelalter und in der Renaissance liefern noch die
Plätze den Rahmen zur Entfaltung öffentlichen Volkslebens, aber in unserer Zeit hat nur der Marktplatz das über-
lieferte Recht, unter freiem Himmel seinem Zwecke zu dienen, die übrigen Stadtplätze sind zuSchönheits-
und Nützlichkeitselementen des Städtebaues geworden, und mitNücksicht auf das Vorausgesagte hätte
der Platz mit den Römersteinen beiden Bedingungen zu genügen.
Wie schon früher angedeutet, war für die Römersteine von grundsätzlicher Bedeutung die Frage ihrer Ein-
ordnung in die Umgebung. Die vielen Beispiele aus dem klassischen Altertums und dem Mittelalter lehren, daß