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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 19.1918

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Nr. 7
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Doering, Oskar: Verkünder der Schönheit deutscher Lande, 6, Paul Hen
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https://doi.org/10.11588/diglit.34328#0084

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fühlbarer Sicherheit des Blickes wie der Hand,
von klarem Verständnisse für den Charakter
des Motives, für dessen innerliches Leben.
Sie zeigen auch, in wie hohem Grade Hey
gerade für die Schwarzweiß-Kunst begabt ist.
Hat er bei einzelnen seiner Steindrucke (z. B.
bei der „Waldschenke") noch nicht völlig auf
Farbigkeit verzichten wollen, so beweisen seine
Bleistiftzeichnungen, daß er dies dennoch ge-
trost tun kann, weil er die Phantasie des Be-
schauers in den Stand setzt, die fehlenden
Farben zu fühlen. Vielleicht möchte jemand
dem Künstler zu große Sorgfalt der Zeichnung
vorwerfen. Wir lassen uns hier auf keine
Untersuchung darüber ein, ob dergleichen über-
haupt ein Gegenstand des Vorwurfes sein
kann, und nicht vielmehr der persönlichen Art
des Künstlers als zu ihren wertvollen Kenn-
zeichen gehörig zugerechnet und in diesem
Sinne eingeschätzt werden mutz. Jedenfalls
beweisen viele Zeichnungen Hey's mit ihrem
frischen Wesen, ihrer in bester Auffassung im-
pressiomistischen Art, datz er von äußerlicher
Kleinlichkeit weit entfernt ist. Datz er gern
ins Kleine und Einzelne geht, ist etwas ganz
anderes; cs hängt mit den allgenreinen
Zwecken seiner Kunst zusammen, die naiv ist
und daraus ausgeht, naive Empfindungen in
volksmätzig-epischer Art anzuregen. Über die
Fähigkeit Paul Heys, Eindrücke in großem
Zuge recht frisch und flott festzuhaltcn, ver-
mag mehr als eins seiner Blätter beruhigen.
Den verhängnisvollen Schritt ins Ünge-
wisse und Haltlose wird dieser Künstler nie-
mals tun. Wer es mag, tadle ihn darum.
Ich denke z. B. an einzelne Stücke aus
Kaysersberg. Dort verweilte Hey am Ende
des Jahres 1915 und benutzte die Gelegenheit, von den malerischen Reizen dieses urecht deutschen alten Städtleins
so viel in seinem Skizzenbuche mit heimzunehmen, als mir irgend möglich war. Was für wunderbare Künstler
waren doch auch die einfachsten Maurer und Zimmerleute in der Vorzeit. Die Straßen von Kaysersberg hat
sicher kein berühmter Städtebauer entworfen, sondern schier von selbst sind sie entstanden, sein abgewogen,
künstlerisch empfunden und gestaltet in jedem Zuge. Sonderliche Zierde gewährt dem Ortsbilde das stolz auf-
ragende Getrümmer der Burg. Mit ihrem von Zinnen bekrönten runden Bergfried, den Überresten ihres Pallas
und ihrer Ringmauern schaut sie aus mäßiger Höhe aus die alten spihbegiebelten Gassen hernieder und auf das
Flüßchen, über das die zweibogige Brücke führt. Prächtig ist der Gegensatz zwischen den lustigen Häuser-
gruppierungen und dem schweren ernsten Mauerwerke der Burg. Besonders reizvoll aber ist das Bild von unten
gesehen. Vor uns die Brücke mit ihren Sitzbänken und der kleinen Kapelle. Links ein stattliches Gebäude aus
mittelalterlicher Zeit, wirkungsvoll seine breiten Mauerflächen, die nur von wenigen, aber bedeutend gezeichne-
ten Fenstern durchbrochen sind, hoch und stolz sein Dach. Im Hintergründe schaut ein entzückend malerisches
Bürgerhaus hervor, ein echt süddeutschfröhlicher Fachwerksgiebelbau des 16. Jahrhunderts, mit reich und doch
nicht kleinlich angeordnetem Ständer- und Niegelwerk, die sich mit den weißen Putzslächen zu lebhafter Wirkung
vereinigen, und mit einer Galerie, die in das Obergeschoß einen prachtvollen schattigen Querstreisen zaubert.
Ein klein wenig Schnitzerei in der Mitte des ersten vorspringenden Geschosses. Die Tür klüglich etwas zur
Seite gerückt. Zeder einzelne Zug schlicht, bewußt, schönheitsreich. Und über dein schönen wechselvollen Bilde
die Burg Kaysersberg, die Zeugin des vielhundertjährigen bedächtigen Werdens und Bestehens, zäher Kraft
und langsamen Vergehens, dein sie selbst verfallen ist gleich allem Menschenwerke.
Ein Motiv von feinstem Reize zeigt auch eine Studie aus Reichenweier mit den auf die Stadtmauer gesetzten
Häusern, über die der zierliche Kirchturm von ferne Ausschau hält, als wollte er sehen, ob der alte Eckturm auch
noch wacker aus seinem Posten ist, und ob solchergestalt das Städtlein seine gute Ruhe haben darf. Diese clsässi-
schen Ortschaften! Gäbe es noch einen Zweifel, ob sie zu Deutschland gehören oder nicht, so soll man ihre Mauern
lind Häuser, ihre Straßen und Gassen fragen. Die Steine werden reden, und nicht nur sie, sondern auch die Dächer
und die steilen Giebel und die Fachwerke und schließlich der Geist, der in dem allen wohnt seit den fernen Tagen,
da er selbst es geschaffen hat. And was sie sprechen wird eine gut deutsche Antwort sein, wie sie für unbescheidene


Abb 42 Paul Hey: Studie aus Kaysersberg.
 
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