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Der Dampf-Courier der Bergstraße: Anzeige- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land ((Januar-März)): Der Dampf-Courier der Bergstraße: Anzeige- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1839

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Nr. 18 - Nr. 26 (2. März - 30. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42415#0106
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1V2

Rommers; 20 Studenten von der, auf ein Jahr
suspendirten St. Wladimir-Universität in Kiew,
sind nach dein Kaukasus gebracht worden, um
dort als gemeine Soldaten in Regimenter ge-
steckt zu werden.
Posen, 16. März. Seit einigen Tagen ist
hier ziemlich allgemein das — freilich unver-
bürgte — Gerücht verbreitet, der Erzbischof von
Dunin habe sich in einem Jmmediatschreibcn an
den König gewandt, und dessen Gnade in An-
spruch genommen, ein Gerücht, das mit dem
seitherigen Benehmen des Erzbischofs im grellsten
Widerspruch steht.
Hannover, 23. März. Wir erhalten kurz vor
dem Schlüsse unseres Blattes —meldet die „Hamb.
Bdrsenhalle"— noch Mitthcilnngett aus dem Lande
Kehdingen und aus der Provinz Bremen nndVerden,
denen zufolge sowohl bei der zum 18. d.M. in Ha-
melwörden ungeordneten neuen Wahl an die Stelle
des Deputaten Wittkopf, als auch bei der auf den
21. angesctzten neuen Wahl in Stade, an die Stelle
des Deputirtcn Senator Haverkampf, von den
Wählern beschlossen worden ist: keinen neuen De-
putaten zu wählen.

La Morgue.
(Schluß.)
Stockingcr lächelte, als er Mich sah.
Soll ich den Notariatsakt machen lassen, Herr
Rittmeister? fragte er schmunzelnd. Aber ich
hörte und sah nichts. Noch ganz berauscht stieg
ich in N...'s Reisewagen. — Unsere Reise ging
schnell, sehr schnell; aber mich intcressirte es
nicht; mein Herz, meine Gedanken wären bei
Julien. N... wurde oft ärgerlich über meine
Geistesabwesenheit, denn ich gab ihm die verkehr-
testen Antworten. Es war nichts mit mir zu
machen. Wir erreichten glücklich die unermeß-
liche Themsestadt. Ich hatte die Hoffnung ge-
nährt, in vier Wochen höchstens wieder in Pa-
ris zu sein; allein N...S Geschäfte zogen sich in
die Länge. Es vergingen 6 — 8 Wochen, und
wir konnten noch nicht an die Rückreise denken.
Ich saß wie auf Nadeln. Nichts konnte Mich
erheitern. Eine trübe, düstere Stimmung hatte
sich meines ganzen Wesens bemeistert. Eine
Sehnsucht erfüllt^ mein Herz, die ich nicht ans-
sprechen konnte. Endlich kündigte mir N... unsre
Abreise an. Wir flogen nach Dover mit Witt-
desschnclle, denn ich zahlte doppelte Trinkgelder.
Unsere Seefahrt war glücklich. Bald sahen wir
die Thürme von Paris.
Stockinger, der in Paris geblieben war, empfing
mich niedergeschlagen. Er reichte mir einen Brief.

Er war von meinem Verwalter, der mir mel-
dete, daß mehrere Umstände meine Rückkunft
nach Loöben dringend erheischten. Hast du nichts
von Julien gehört? fragte ich Stockinger. Er
zuckte die Achseln und sah mich wchwüthig an.
Ich crschrack. Um Gotteswillen! Stockingcr,
wenn du etwas weißt, so sprich! — Ich weiß
nichts, Herr Rittmeister, als daß Fräulein Ju-
lie mit ihren Eltern nicht mehr hier ist, daß
mail mancherlei von ihrem schnellen. Verschwin-
den spricht. Das traf mich fürchterlich. Ich
war einer Ohnmacht nahe. Stockinger wußte
nichts weiter. Sobald ich meiner mächtig war,
eilte ich nach dem Hotel, wo Juliens Eltern
gewohnt hatten. Ich hörte dort nichts, als daß
die Familie ausgezogen sei. Ich eilte fast außer
mir zur Gräfin.
Sonderbar, sagte sie, ich weiß auch nichts
Genaueres. Es war ein Verwandter von Ju-
lien angekommen, mit dem sie öfters alle kleine
Reisen machten. Julie war immer still und ernst.
Ich reiste, fuhr die Gräfin fort, mit meinem
Gatten nach Avignon, um die Quelle von Vau-
cluse zu sehen, und mich zu erholen, denn ich
befand mich unwohl. Als wir znrückmcn, wa-
ren Krusemarks nach Deutschland abgereist. Von
Julien hörte ich nichts mehr. Man hatte sie
auch in den letzten Tagen gar nicht mehr gese-
hen. Das Alles trug sich erst vor wenigen Ta-
gen zu. Ich war wie aus dem Himmel gefallen.
Ich konnte meine Thränen nicht zurückhalten.
Die Gräfin weinte mit mir. Ich wollte ihnen
Nachreifen. Aber war es auch gewiß, daß sie
nach Deutschland seien? und welche Route hat-
ten sie genommen?
O der Wandlung! Ich war jetzt aus mei-
nem Paradiese vertrieben. Ich hatte Alles ver-
loren. Nichts herzte mich mehr. Ich verfluchte
meine Reise. Alle Möglichkeiten durchkreuztet:
meinen Kopf — aber ich fand keine Wahrheit.
Dies peinigende Gefühl trieb mich herum ohne
Rast, ohne Ruhe. Eines Morgens war ich
über den Pont neus gegangen. Auf dem Rück-
wege kam ich air La Morgue vorüber. Es ka-
men Menschen heraus, die mit Bedauern von
einer unglücklichen Dame sprachen, die man die-
ser Tage aus der Seine gezogen, wo sie vor
einigen und 14 Tagen ertrunken war, als sie
mit ihrem Bräutigam eine Lustfahrt gemacht.
Ihn hatte man noch nicht gefunden. Ich hörte
diese Reden, und ein eiskalter Schauer durch-
rieselte Meine Glieder. Ein unbekanntes Etwas
zog mich, diesen Ort des Todes zu betreten;
und doch hielt's mich wieder zurück. Endlich
trat ich hinein. Höflich öffnete der Wärter die
 
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