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Hochschule für Industrielle Formgestaltung [Hrsg.]
Designtheoretisches Kolloquium — 16.1995

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Jonas, Wolfgang: De-Materialisierung durch Körperorientierung - ein Gedankenexperiment
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https://doi.org/10.11588/diglit.31840#0078

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Die alten Industrien werden museal, d.h. ge-
nauer: sie wandern aus.

Die Materialintensität unserer Lebensweise
steigt dennoch, wie etwa die Statistiken bei
MEADOWS zeigen.

Wir sehen eher die Massen der Abfälle, die
wir produzieren als die Massen der Rohstoffe,
die wir verbrauchen. Das Material ist in Be-
wegung. Die ganz großen Materialströme
sehen wir nur noch, wenn wir sehr genau hin-
schauen.

Das Material ist in Bewegung.

Die Materialströme werden unsichtbar.

Warum ist es so schwer, mit weniger auszu-
kommen? Was sind die Möglichkeiten der
Entmaterialisierung?

- Mehr Vernunft (Nutzen statt besitzen, etc.)?
Aber Besitz ist so sinnlich.

- Mehr Lust? (SIMON). Zurück zur vor-
kapitalistischen Arbeitsmoral? Aber gerade
die intensive Arbeit bringt soviel Lustgewinn.

- Mehr Ethik??? Großprojekte wie Solidari-
tät, Moral, Vernunft, etc. sind zusammenge-
brochen, falls sie jemals außerhalb ideologi-
scher oder idealistischer Wunschvorstel-
lungen existiert haben. Ethik entsteht aus
Handlungspraxis, nicht umgekehrt. Aber wer
liefert die überzeugenden Handlungsan-
leitungen?

Der kleinste gemeinsame Nenner für solida-
risches Verhalten könnte das Bewußtsein sein,
daß mein Gegenüber - wie ich selbst - ein In-
dividuum ist, das gedemütigt werden kann
(RORTY). Das ist schon sehr viel. Aber auch
das funktioniert nicht immer.

- Bleibt noch die Ökodiktatur? Lieber nicht!

Es gibt kein Zurück: Wir müssen weiter!

BREUER bemerkt (S. 12): „Ist von der Apoka-
lypse die Rede, so selten ohne den Verweis
auf die Rettung, auf den neuen positiven
Zustand, der durch allerlei Patentrezepte
herbeigeführt werden soll: durch weniger
Konsum und mehr Spiritualität, weniger
Wachstum und mehr Kommunikation mit
dem Bruder Regenwurm: vom Erhabenen
zum Lächerlichen, man weiß es, ist nur ein
Schritt."

Die Instrumentalisierung des Gedankens der
Apokalypse ruft inzwischen eher Abneigung
hervor. Die Ansätze sind rückwärtsgerichtet
oder moralisch oder totalitär oder nur ver-
nünftig. Aber nehmen wir, mangels Alterna-
tive, einmal probeweise an, die Strategie der
Reduktion sei richtig. Die Überlegungen sind
weitgehend bekannt.

So fordert SCHMIDT-BLEEK, um global zu ei-
ner annähernd nachhaltigen Wirtschafts-
weise zu kommen, die Reduktion der welt-
weiten Materialintensität um 50% in den
nächsten 50 Jahren. Den Menschen der 3.
Welt wird eine zeitweise Vermehrung zuge-
standen, wir selber müssen uns einschränken
auf 1/10 des heutigen Niveaus. VON WEIZ-
SÄCKER macht daraus den harmloser klingen-
den „Faktor 4" (Doppelter Wohlstand - hal-
bierter Naturverbrauch). Daneben gibt es -

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