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Deutsche Kunst,

365

Das Landesmuseum in Zürich.

oft ist die Verwirklichung großer nationaler Ideen
an kleinlicher, partikularistischer Mißgunst gescheitert, das
gute Philisterthum ist nun einmal bei einseitiger Auf-
fassung zu sehr von dem alten Satze durchdrungen, daß
der Theil mehr sei als das Ganze. So führten, als das
Lanöesmufeum geschaffen werden sollte, Zürich und Bern
einen feindlichen Kampf um seinen Sitz. Für Bern stimmte
der Nationalrath, für Zürich der Ständerath, und schon
schienen lokale und kantonale Eifersüchteleien das große natio-
nale Werk als ewiges Phantom in die Luft zu rücken, da
gab dec klügere nach, indem der Nationalrath indirekt
durch Stimmenenthaltung oder auch direkt mit dem Ständerath
wählte und somit die Sitzfrage für Zürich entschied. Die schöne
nationale Idee hat also ihre steinerne Verwirklichung gefunden,
deren sich auch Bern neidlos erfreut. Ist doch das Landes-
museum eine Lentralsammlung, die die ganze Schweiz repräsen-
tirt, ein Gemeingut und Wahrzeichen nationaler Einigkeit. Am
25. Juni wurde das Museum eröffnet, nachdem beinahe ein
Jahrhundert verflossen ist, seit die Erhaltung vaterländischer
Alterthümer von Staatswegen durch einen Erlaß der höchsten
Landesbehörde der Schweiz dekretirt wurde. In den betreffenden
Beschlüssen des „Vollziehungs-Direktoriums der einen
und untheilbaren helvetischen Republik", die vom 15. De-
zember 1798 und 16. April 1799 datiren, heißt es unter-
anderem:
„In Erwägung, daß die Sammlung dieser Art von
Nationalschätzen in einem gemeinschaftlichen Mittelpunkte leicht,
wenig kostbar und für den Fortgang der technischen Kenntnisse
und der schönen Künste in Helvetien sehr nützlich ist und daß sie
das einzige Mittel ist zur Verhütung unwiederbringlicher Schädi-
gungen in diesem Fache..."

hier als alter Bekannter der vierkantige Thorthurm, dort ragen
spitze Giebel; hier winken trauliche Erker, wie die freundlich blinzeln-
den Augen des hohen Daches; überall gemüthliche Winkel und
lauschige Ecken. Das ist kein Museum im steifen Staatskleide,
vor dem man einen heiligen Respekt hat, das ist eine gut bürger-
liche Stätte, das ist kein pompöser Prachtbau im Palaststile
italienischer Renaissance von Semper oder in der antikisirenden
Art des Klassizismus eines Schinkel und Klenze; solche
architektonischen Wunderwerke gönnen wir von Herzen den großen
deutschen kunstcentren Dresden, Berlin und München, unser
Landesmuseum ist als Sammelstätte nationalen Schaffens ein gut
schweizerischer Bau von Gustav Gull und gebietet in seinen
Dimensionen Ehrfurcht, durch seine Formen aber erfüllt er mit
unsagbarem Bebagen.
Der Bewohner dieses Gebäudekompleres kann sie nur selbst
sein — die Schweiz, die alte und die junge, die ganze Schweiz.
Nun fällt es uns mit einem Male ein, zu wem wir hier-
kommen; wir machen uns selber einen Besuch und werden von
uns selber empfangen und unseren Voreltern. An die Schau-
stellung ihres Fleißes knüpfte bei der Eröffnungsfeier Herr
Regierungspräsident Nägeli die aufmunternden und mahnenden
Worte an:
„wir haben heute ein Werk eingeweiht, das nicht nur der
Gegenwart bestimmt ist, das wie wir hoffen Generationen über-
dauern wird, zu dessen Ausbau noch viele kommende Gene-
rationen ihr Bestes beitragen sollen. Die Beiträge einer
jeden Generation werben beredtes Zeugniß ablegen
von ihrem wollen und können und zu Gradmessern
der jeweiligen Kulturstufe werden. Darin liegt für
unsere Generation eine hochernste Mahnung, dafür

So sprach schon vor hundert Jahren der Minister
der Künste und Wissenschaften Stapfer den grundlegenden
Gedanken aus, der Heuer zur steinernen Thatsache ge-
worden ist, nachdem ihn Professor Vöglin im Jahre
188O nochmals mit aller Energie ausgenommen hatte, um
wenigstens die Gründung einer verdienstvollen Gesellschaft
mit einem sehr langen Namen der „Schweizerischen Ge-
sellschaft zur Erhaltung historischer Kunstdenkmäler" durch-
zusetzen, deren Zweck und Nothwendigkeit Vögelin mit den
Worten aussprach:
„Cs giebt Formen, in welchen der nationale Gedanke
seinen unvergänglichen und monumentalen Ausdruck ge-
funden hat. Das sind die geschichtlichen Denkmäler eines
Volkes, die lebendiger als alles andere Zeugniß ablegen
von seinem Wollen und können, von seinen Thaten und
Geschicken, von seinen Hoffnungen und seinen Idealen."
-- „Schamloser, zudringlicher ist die Plün-
derung der Schweiz durch ausländische und inländische
Antiquare noch niemals betrieben worden als jetzt. Lassen
Sie abermals zwanzig Jahre vorbeigehen und Sie werden
nur noch abgeweideten Loden finden!"
Der Mensch soll stets mehr wollen, als sich erreichen
läßt, weil er gewöhnlich weniger erreicht, als er will.
Vögelin erreichte die Gründung jener Gesellschaft mit dem
langen Namen, er wollte aber bereits ein Museum als Schutz-
stätte nationalen Reichthums. Nun endlich steht es da das
langerstrebte Denkmal in seiner schweizerischen Eigenart,
eine Zierde der ganzen Republik, und ist thatsächlich das,
was das Japanische Palais in Dresden seiner euphe-
mistischen ,Firma nach einmal sein sollte, ein inuseum
U8ui publico putens.
Cs macht nicht den ernüchternden Eindruck eines
Sammelkastens und Raritätenspeichers, in dem man wohl
Theile aller Zeiten in Händen hat, leider aber auch das
geistige Band fehlt. Ein Stück Schweizer-Stadt steht da,
deren Formen in wohlbekannten Typen zu uns sprechen,


A. Feuerbach, Nana.
 
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