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368

Deutsche Kunst.

zu intimen Interieurs ist kaum angestrebt, wäre die Ausstellung der „Ver-
einigten Werkstätten" keine Sonderausstellung innerhalb einer großen Kunst-
ausstellung, wäre sie mir lieber; sie selbst würde dann auch den Erwartungen,
die man an die Veranstaltung geknüpft hat, mehr entsprechen und weniger ver-
loren, weniger ärmlich wirken. Daran ist freilich auch der bedauerliche Um-
stand schuld, daß der Verein in seinen vier Zimmern rechts von Saal 5 in-
folge des Münchener Tischlerstreiks einstweilen weniger ausstellen konnte, als
er wollte. Ls sind die Riemerschmid'schen Arbeiten, sicher gerade die
besten, die ausgeblieben sind. In einem Ledernholzcredenz mit fein ge-
zeichneten Beschlägen und einem Kupferleuchter erweist sich Riemerschmid
vor der Hand als Meister der graziösen Linie. Hermann Vbrist, der schon
vor Jahren durch seine Stickereien Aufsehen machte, hat nun auch festeres
Material vorgenommen. Seine Truhe ist ein schönes Möbel mit ganz vor-
züglichen Beschlägen und überrascht mehr als seine Kissen mit ihren geschmack-
voll gestickten Pflanzenmustern, die nur gerechten, aber allerdings sehr hohen
Erwartungen entsprechen, vielen dürften sie übrigens ebenso wie die Truhe
schon aus illustrirten dekorativen Zeitschriften bekannt sein. Arbeiten aller-
ersten Ranges sind auch seine eigenartige Bettdecke, die Tischdecke mit Appli-
kation von Leder auf Leder und eine Portiere mit kunstvoll in weißer Seide
gestickten Flocken. Linen befremdenden, unorganischen Eindruck in der An-
ordnung macht es, daß Kissen auf Tischen liegen, und die Bettdecke an der
wand hängt; da gehören doch beide kaum hin. Das ist Kaufhausarrangement.
Lin verunglücktes Stück ist ein Schrank aus graugrüner ungarischer Esche von
Alfred petrasch. Selbst armselig und reizlos im Aufbau, imponirt er nur
durch seine Beschläge, die in der Zeichnung den Riemerschmid'schen und
Obrist'schen mindestens gleichkommen. Ls scheint fast, als betonten die neuen

kunstgewerblichen Bestrebungen zu sehr Nebensächliches und vernachlässigten
dabei die Konstruktion des Ganzen, als käme es unseren Künstlern für das
Handwerk weniger auf einen neuen, eigenartigen Aufbau der Möbel selbst an,
als auf ihre Ausschmückung, die dann leicht zum glänzenden Deckmantel stil-
loser Aermlichkeit wird, anstatt natürlicher Ausläufer der Schönheit des Ganzen
in seine Nebentheile, organisch bedingte Aeußerung überschüssiger Kraft zu sein.
Einwandfreie Arbeiten von sorgsamer Technik und entzückender farbiger
Wirkung sind die Glasfenster von Bruno Paul, die in einfach gefärbten,
mit Flußglas gemischtem Material leicht gezeichnete bacchantische Figuren dar-
stellen. Geschmack und Zweckdienlichkeit sind vereint in den aus kathedralglas
einfach hergestellten Uh le'sch en Fenstern mit schlichten Linienornamenten
und Blumenmotiven. Bestrickend durch eine wirksame Verarbeitung des
Flußglas genannten, in verschiedenartigen Strömen durcheinandergezogenen,
opalescenten Glases sind die freudig gestimmten Blumenfenster von Christi-
ansen, deren Zeichnung in künstlerisch vollendeter Form die Mitte hält
zwischen Stilisirung und Natur. Das Zimmer mit den Uh le'sch en
Fenstern zeichnet sich noch aus durch einen praktischen Schreibtisch von Schultze-
Naumburg, der hier auch nach den daneben hängenden Skizzen eine seiner
landschaftlichen Wandmalereien in gobelinartigec Manier ausgeführt hat, und
vier Stühle von Bernhard pankok, die wirklich zum Sitzen einladen, was
nicht alle modernen Stühle thun. Schultze-Naumburg hat übrigens auch
als Dekorateur der Ausstellungsräume einen sehr soliden Geschmack bewiesen.
Das Gesammtresultat der Ausstellung der „vereinigten Werkstätten" ist
leider kein durchaus befriedigendes. Jeder hat der lobenswerthen Ver-
anstaltung mit großen Erwartungen entgegengesehen, und mancher fühlt sich
nun durch ihren quantitativen und qualitativen Mangel enttäuscht.

Mittelalterliche und neuere Ltilformen im Rahmen.

Der künstlerische Geschmack des Laien erschöpft sich noch eine häusliche Tugend recht eigentlich erst im Aufhängen malerischen
keineswegs mit dem Ankauf guter Bilder, er bethäligt sich als Schmuckes an den Wänden des Zimmers. Hierfür bestehen nun
bestimmte, kunstgemäße Regeln, die sich

Spiegslrahmen in Silber getrieben. Ende Jahrhundert.



von zwei Gesichtspunkten herleiten, vom
Bilde selbst und von der Fläche, die es
beleben und schmücken soll. Zunächst,
schon ehe das Bild seinen Bestimmungsort
gefunden hat, führt das Bedürfniß nach
Geschlossenheit zum Rahmen; momentane
Rnhepunkte in der unaufhaltsam vorüber-
rauschenden Bilöerflucht des Daseins, die
mit jedem Augenblicke, mit dem kleinsten
Weiterschweifen des Auges wechselt, for-
dern als künstlerisch wiedergegebene Aus-
schnitte aus dem Leben eine Umgrenzung,
die eine Ruhe des Blickes gebietet, wir
sind gewohnt, solche Ausschnitte in Wirk-
lichkeit durch die Rahmen der Thüren
und Fenster oder im Spiegel zu sehen
und übertragen unbewußt diese Gewohn-
heit auf das Bild, um gewissermaßen seine
Unwandelbarkeit und seine Einschränkung
des Auges zu erklären und logisch zu
begründen. Der Bilderrahmen ist eine
Gefühlsnothwendigkeit, als solche entsteht
er; er wird aber auch durch Bedingun-
gen von außen und innen zu einem
ästhetischen Gebilde und als solches be-
steht er. Abgesehen davon, daß er zum
Ausdrucksmittel einer im Bilde enthaltenen
oder vom Besitzer ins Bild hineingetra-
genen Stimmung werden kann, hat er
auch die Aufgabe eines Vermittlers; er
soll das Bild in Zusammenhang setzen
mit seiner Umgebung. Darum müssen sich
,Form und Farbe des Rahmens richten
nicht nur nach dem einzuschließenöen Bilde,
sondern auch nach Ton und Muster der
Tapete sowie der Einrichtung des Zimmers,
in das er sich harmonisch einfügen soll.
 
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