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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI issue:
Heft 1 (1. Oktoberheft 1915)
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Avenarius, Ferdinand: Deutscher Wille
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0021

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Der Linzelne, auch eine einzelne Zeitschrift, kann da vorläufig auch nur
herzlich wenig helfen, denn eben das System der Verschleierungen gibt
der Äbermacht alle Möglichkeit, gerade die Angriffe auf sie als unsachlich
hinzustellen. Wir sind noch weit von der Einsicht entfernt, wie viele unsrer
Einrichtungen troh aller deutschen Organisationskunst noch falsch organisiert
sind, weil man Privatinteressen auch das überläßt, was gemeinnühig ein-
gerichtet werden müßte. Gerade der Krieg hat ja da manches gelehrt und
auch für manche Gebiete ein Aufraffen zu gemeinnützigen Maßregeln
großen Stiles bewirkt — aber den Kriegswucher haben wir doch. Und was
bleibt erst zu tun auf dem ganzen großen Fragengebiet der Volkswirtschaft
mit geistigen Gütern, dem immer noch scheu gemiedenen, diesem Gebiet,
dessen ideale Endforderung die wäre: daß jede Kraft an der Stelle arbeitet,
wo sie am besten arbeiten und also am meisten nützen kann! Wir haben
noch so gut wie gar nichts von einer Organisation der geistigen Bildung, wie
sie nicht etwa bestimmte von den Organisatoren schon gesehene und fest-
gesetzte Ergebnisse erstreben müßte — derlei haben wir ja —, sondern jeder
Kraft nach Menschenmöglichkeit die bestmöglichen Arbeitsbedingungen schaffte.
Damit an Stelle des Machens ein Werden trete, eine Entwicklung der geisti-
gen Kräfte der Nation bis zur stärksten Kraftsumme und bis zu den höchsten
Einzelleistungen, die aus den gegebenen Faktoren erreichbar sind.

Aufgaben, die für das Bewußtsein der Menge von heut noch in weiten
Fernen liegen, dem Geiste jedoch, der die soziale Gesetzgebung schuf, dem
deutschen Geiste am neuen Morgen bald überm tzorizonte heraufsteigen
werden. ^

eutscher Wille^, so nennen wir im neuen Iahrgange unser Blatt. Nicht:
^ den deutschen Willen — im Namen aller Deutschen sprechen zu wollen,
wäre eine lächerliche Anmaßung. Wir wissen nicht, wie viele der Anter-
richteten, der Besonnenen, der ihrer Verantwortlichkeit Bewußten zu unsern
alten Freunden treten werden, um mit ihnen an einem gemeinsamen dertt-
schen Willen bilden zu helfen. Insofern ist der Versuch, mit den paar Wor-
ten dieses Aufsatzes ein Bild unsres Innenbildes von ihm zu umreißen,
nichts als eine Frage. Das einzige, was wir versprechen können, ist:
wir wollen versuchen, das, was wir vom deutschen Willen bei andern
wünschen, unserseits zu betätigen.

So streben wir ganz und gar nicht danach, möglichst vielen Lesern
„aus der Seele zu sprechen" oder, was in der Wirklichkeit der Zeitungs-
redaktionen meist dasselbe besagt: „nach dem Munde zu reden". Wir
werden öfter noch als bisher zum Worte lassen, was auch unsrer eigenen
Meinung nicht entspricht, was aber nach unsrer Meinung nicht mundtot
gemacht, sondern durchdacht und verarbeitet werden sollte. Wer deutschen
Willen will, muß fähig sein, sich mit Widerspruch auseinanderzusetzen.
Denn, nochmals: nicht Einerleiheit kann uns Deutsche fördern, sondern die
reiche Entwicklung und dann die Verbündung von Mannigfaltigem. Die
Mannigfaltigkeit bildet sich aus unserm Wesen von selbst, wenn wir's nuk
nicht gängeln wollen. In der Kunst des Verbündens aber sind wir alle
noch Schüler. A

D

Z
 
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